Artikel 70 des Strafgesetzbuches der RSFSR („Antisowjetische Agitation und Propaganda“) trat am 1. Januar 1961 in Kraft und lautete:
„Agitation und Propaganda, die mit dem Ziel der Untergrabung oder Schwächung der Sowjetmacht oder der Begehung einzelner besonders gefährlicher Staatsverbrechen betrieben wird, die Verbreitung verleumderischer Unwahrheiten, welche die sowjetische staatliche und gesellschaftliche Ordnung in üblen Ruf bringen mit denselben Zielen, sowie die Verbreitung, Herstellung oder Aufbewahrung von Schriften gleichen Inhalts mit denselben Zielen wird mit Freiheitsentzug von sechs Monaten bis sieben Jahren, mit Verbannung von zwei bis fünf Jahren oder ohne Verbannung bestraft." (Paragraf 1)
"Die gleichen Handlungen werden, wenn sie von einer Person begangen wurden, die bereits zuvor wegen besonders gefährlicher Staatsverbrechen verurteilt worden war, oder wenn sie in Kriegszeiten begangen wurden, mit Freiheitsentzug von drei bis zehn Jahren ohne Verbannung oder mit Verbannung von zwei bis fünf Jahren bestraft.“ (Paragraf 2)
Dieser Artikel ersetzte den seit 1927 geltenden Artikel 58, Paragraf 10 Strafgesetzbuch der RSFSR und wurde mit dem Gesetz vom Dezember 1958 „Über die strafrechtliche Verantwortlichkeit bei Verbrechen gegen den Staat“ (Artikel 7) wirksam.
Von 1961 bis 1966 war dieser Artikel das wichtigste rechtliche Instrument, das zur Verfolgung praktisch aller Formen abweichenden Denkens genutzt wurde. Nachdem 1960 Artikel 190, Paragraf 1 Strafgesetzbuch der RSFSR in das Strafgesetzbuch aufgenommen worden war, wurden nur noch die aus staatlicher Sicht „gefährlichsten“ Handlungen nach Artikel 70 verfolgt. 1961–86 wurden insgesamt mehr als 1.800 Personen wegen „Agitation und Propaganda“ verurteilt. Mit Dekreten des Obersten Sowjets der UdSSR (vom 8. April 1984) und der RSFSR (vom 11. September 1990) wurde Artikel 70 grundlegend abgeändert.