Name des Begriffes: Arbeitskommission zur Erforschung des Einsatzes der Psychiatrie zu politischen Zwecken
Beschreibungen des Begriffes:

Arbeitskommission zur Erforschung des Einsatzes der Psychiatrie zu politischen Zwecken

Die Kommission wurde am 5. Januar 1977 von der *Moskauer Helsinki-Gruppe mit dem Ziel ins Leben gerufen, Fälle von Zwangspsychiatrisierung aufzudecken, den politischen Missbrauch der Psychiatrie zu beenden und betroffenen Opfern Hilfe zu leisten. Die „Arbeitskommission zur Erforschung des Einsatzes der Psychiatrie zu politischen Zwecken“ (Rabočaja komissija po rassledovaniju ispol'zowanija psichiatrii w političeskich celach) entstand auf Initiative von Pjotr Grigorenko. Es gehörten ihr zu verschiedenen Zeitpunkten Wjatscheslaw Bachmin, Irina Kaplun, Alexander Podrabinek, Felix Serebrow, Dschemma Babitsch (Kwatschewska), Leonard Ternowski und Irina Griwnina an. Juristische Beraterin war Sofia Kallistratowa, die medizinische Beratung übernahm Alexander Woloschanowitsch und nach dessen Ausreise aus der UdSSR Anatoli Korjagin.

An die Kommission wandten sich Personen, die aus politischer Gründen angeklagt, für unzurechnungsfähig erklärt und gerichtlich zu einer psychiatrischen Zwangsbehandlung eingewiesen worden waren. Um ein unparteiisches Gutachten erstellen zu können, prüfte die Kommission, ob das offizielle medizinische Gutachten aus wissenschaftlicher Perspektive solide angefertigt war, ob alle Vorschriften des Strafprozessrechtes eingehalten wurden und ob die mutmaßlichen Taten des Angeklagten tatsächlich eine gesellschaftliche Gefährdung darstellten, die eine Zwangsbehandlung rechtfertigten. Die Betroffenen wurden mit ihrer Zustimmung von einem psychiatrischen Gutachter der Kommission untersucht. Bestanden in nur einem der obigen Punkte Zweifel, stellte die Kommission einen Antrag auf Revision der Gerichtsentscheidung. Außerdem führte sie einen Zettelkatalog mit Häftlingen *psychiatrischer Krankenhäuser besonderen Typs, sammelte Informationen über Missbrauchsfälle sowie über Psychiater und Krankenhausleiter, die für „politische“ Diagnosen und Misshandlungen von Patienten verantwortlich waren. Zusammen mit dem *Hilfsfonds für politische Häftlinge und ihre Familien leistete die Arbeitskommission materielle Hilfe für Häftlinge und ihre Angehörigen.

Die Kommission richtete mehrere Hundert Briefe, Erklärungen und Appelle an verschiedene Organisationen und offizielle Einrichtungen. In der Regel erhielt sie keine Antwort. Zwischen 1977 und 1980 gab sie 24 Ausgaben eines Informationsbulletins heraus, das alle zwei Monate mit einer Auflage von 50 bis 60 Stück erschien und Informationen über psychiatrische Repressionen enthielt. Die Kommission existierte bis 1981, als ihr letztes Mitglied Leonard Ternowski verhaftet wurde. Dank der Kommission und des Bekanntwerdens ihrer Arbeit im Ausland entstand ein gesellschaftliches Klima, das Zwangspsychiatrie in der UdSSR verurteilte und dazu führte, dass Opfer psychiatrischer Repressionen freigelassen wurden. 1983 war die Sowjetunion gezwungen, unter der Androhung ihres Ausschlusses den Weltpsychiatrieverband selbsttätig zu verlassen.

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