Name des Begriffes: „Chronik der laufenden Ereignisse“
Beschreibungen des Begriffes:

„Chronik der laufenden Ereignisse“

Informationsbulletin der Menschenrechtsbewegung, das unter Umgehung der Zensur in Moskau herausgegeben. Die erste Nummer der „Chronik der laufenden Ereignisse“ (Chronika tekuščich sobytij) erschien mit Datum vom 30. April 1968, also in dem Jahr, das durch die UN zum Jahr der Menschenrechte erklärt worden war. Bis 1983 erschienen insgesamt 63 Ausgaben (Nr. 1–58, 60–64) . Ausgabe 59 wurde vom KGB konfisziert. Die 64. Ausgabe, welche auf den 30. Juni 1982 datiert, erschien erst 1983. Aufgrund der Verhaftung des Redakteurs Juri Schychanowitsch konnte die bereits fertiggestellte 65. Ausgabe mit dem Datum vom 31. Dezember 1982 im Herbst 1983 nicht mehr veröffentlicht werden.

Die Redaktion fertigte jeweils acht maschinengeschriebene Exemplare mit einem Umfang von anfänglich 10 bis 20 Seiten und zum Ende hin 150 bis 200 Seiten an, von denen in Moskau und anderen Städten der UdSSR Abschriften angefertigt wurden. Die Gesamtauflage betrug mehrere Hundert Exemplare. Die Zusammensetzung der Redaktion änderte sich aufgrund der anhaltenden Verfolgung durch den KGB ständig. Initiatorin und Redakteurin der ersten zehn Ausgaben der Zeitschrift war Natalja Gorbanewskaja. Sie entwickelte auch das Profil der detaillierten Berichte und der unparteiischen Kommentierung der Ereignisse. Nach ihrer Verhaftung im Dezember 1969 wurde die „Chronik“ von Anatoli Jakobson, Juri Schychanowitsch, Gabriel Superfin, Sergei Kowaljow, Alexander Lawut, Tatjana Welikanowa, Jelena Smorgunowa und Boris Smuschkewitsch herausgegeben. Die Namen der Redakteure wurden nicht offen angegeben mit Ausnahme der drei Mitglieder der Initiativgruppe zur Verteidigung der Menschenrechte in der UdSSR (Tatjana Welikanowa, Sergei Kowaljow und Tatjana Chodorowitsch). Letztere gaben die Zeitschrift nach der behördlich erzwungenen Einstellung und einer anderthalbjährigen Unterbrechung im Mai 1974 neu heraus.

Für die Beteiligung an der Herausgabe oder die Verbreitung des Bulletins kamen folgende Personen vor Gericht: Juri Schychanowitsch (zwei Mal), Pjotr Jakir, Wiktor Krassin, Gabriel Superfin, Sergei Kowaljow und Tatjana Welikanowa. Vertreter außerhalb der UdSSR war Pawel Litwinow. Die „Chronik“ wurde im Ausland vom Posev-Verlag nachgedruckt, die Nummern 1 bis 27 wurden in einer zweibändigen Edition durch die Herzen-Stiftung in Amsterdam herausgegeben und ihre Übersetzung erschien 1972 bis 1974 in drei Bänden in London. Ab 1974 erschienen die weiteren Nummern auf Russisch und Englisch im New Yorker Verlag Khronika Press, der speziell zu diesem Ziel von Pawel Litwinow und Edward Klein gegründet worden war. Nachdrucke wurden zurück in die Sowjetunion gebracht und viele Materialien über westliche Radiostationen verbreitet, die wichtigste Rolle bei der gesellschaftlichen Konsolidierung der Bewegung im Umfeld der „Chronik“ spielte jedoch die Verbreitung im Samisdat.

Informationen über Verstöße gegen Bürgerrechte und gesellschaftlichen Widerstand gegen Repressionen erhielt die Redaktion von ihren Lesern und Unterstützern, die das Bulletin vervielfältigten, sowie von unabhängigen Menschenrechtsorganisationen, die über eigene Informationsquellen verfügten. Das Netzwerk der Unterstützer, die die „Chronik“ abschrieben und verteilten sowie die Berichterstatter, die mit der Zeitschrift zusammenarbeiteten, bildeten die grundlegende Infrastruktur der Menschenrechtsbewegung. Viel Platz nahmen Berichte über die Situation in Litauen und der Ukraine, die Bewegung der Krimtataren und die Verfolgung der Gläubigen ein. Die „Chronik der laufenden Ereignisse“ stellte die vollständigste und glaubwürdigste Informationssammlung über die Aktivitäten der Dissidenten und über politisch Verfolgte in der UdSSR in den Jahren von 1968 bis 1972 dar. Alle Ausgaben des Bulletins sind auf einem eigenen von der Vereinigung Memorial betriebenen Webportal zugänglich. Memorial bereitet außerdem eine vollständige kommentierte Ausgabe der „Chronik“ vor.

Synonyme: „Chronik“
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