Name des Begriffes: Moskauer Helsinki-Gruppe
Beschreibungen des Begriffes:

Moskauer Helsinki-Gruppe

Vollständige Bezeichnung: „Öffentliche Gruppe zur Förderung der Erfüllung der Verträge von Helsinki in der UdSSR“ (Obščestvennaja gruppa sodejstvija vypolneniju Chel’sinskich soglašenij w SSSR). Sie war die größte Menschenrechtsvereinigung in den 70er Jahren und wurde am 12. Mai 1976 in Moskau gegründet. Die Gründung wurde von Juri Orlow initiiert, der auch der erste Leiter war. Das Ziel der Moskauer Helsinki-Gruppe (Moskovskaja chel‘sinkskaja gruppa) war es, Informationen über Menschenrechtsverletzungen und andere humanitäre Probleme zu sammeln, zu überprüfen und zu veröffentlichen, wie sie in Korb III der Schlussakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) festgeschrieben wurden, die am 1. August 1975 in Helsinki von den Staatsführern der europäischen Länder unterzeichnet worden war. Dokumente zu besonderen Themen wurden an die Moskauer Botschaften der Unterzeichnerstaaten der Schlussakte von Helsinki verschickt und an westliche Journalisten auf Pressekonferenzen übergeben. Im Verlauf von sechs Jahren erarbeitete die Gruppe 195 Dokumente sowie einige Berichte und gab zusammen mit anderen Organisationen eine Reihe von Erklärungen heraus. Die Dokumente der Moskauer Helsinki-Gruppe zeichneten sich durch ihren hohen Grad an Glaubwürdigkeit sowie durch den Verzicht auf emotionale Rhetorik und politische Erklärungen aus.

Die Moskauer Helsinki-Gruppe vereinte in sich die Initiativgruppe zur Verteidigung der Menschenrechte in der UdSSR und das Komitee für Menschenrechte in der UdSSR und wurde die erste professionelle Menschenrechtsorganisation der Sowjetunion. Zwischen 1976 und 1977 entstanden im Rahmen der Moskauer Helsinki-Gruppe zwei spezialisierte Organisationen, die Arbeitskommission zur Erforschung des Einsatzes der Psychiatrie zu politischen Zwecken (Rabočaja komissija po rassledovaniju ispol‘zowanija psichiatrii w političeskich celach) und das Christliche Komitee zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen in der UdSSR (Christjanskij komitet zaščity prav verujuščich v SSSR). Nach Vorbild der Moskauer Helsinki-Gruppe wurden in anderen Sowjetrepubliken ähnliche Gruppen gegründet: die Litauische Helsinki-Gruppe, die Ukrainische Helsinki-Gruppe, die Georgische Helsinki-Gruppe und die Armenische Helsinki-Gruppe.

Im Ausland wurden Monitoring-Gruppen und Komitees gegründet, die die sowjetischen Helsinki-Gruppen unterstützten und später ihr Tätigkeitsfeld ausdehnten und nicht nur Informationen über Menschenrechte in der UdSSR, sondern auch in anderen Ländern sammelten. Mit der Zeit schlossen sie sich in der „Internationalen Helsinki-Föderation“ zusammen, die bis zu ihrer Auflösung 2007 eine der einflussreichsten und angesehensten Menschenrechtsbündnisse weltweit war.

Sofort nach Gründung der Moskauer Helsinki-Gruppe war diese den verschiedensten Repressionen ausgesetzt. Anfang 1977 begann der sowjetische Geheimdienst mit der Umsetzung eines von KGB-Chef Juri Andropow ausgearbeiteten Planes zur Ausschaltung der Helsinki-Bewegung. Ein gutes Dutzend Mitglieder der Moskauer Helsinki-Gruppe wurde verhaftet und verurteilt, einige in die Emigration gezwungen. Im Herbst 1982, als ein Strafprozess gegen die 75-jährige Sofia Kallistratowa – eine der drei in Freiheit verbliebenen Mitglieder – eröffnet wurde, erklärte die Moskauer Helsinki-Gruppe die Einstellung ihrer Tätigkeit.

1989 nahm die Moskauer Helsinki-Gruppe ihre Arbeit in neuer Zusammensetzung wieder auf. Anfänglich bildete sie einen Klub ehemaliger Dissidenten, der Erklärungen zu aktuellen Themen herausgab. Larissa Bogoras trat der Gruppe bei und organisierte ein ständiges Seminar für Aktivisten aus regionalen Menschenrechtsorganisationen. 1996 übernahm Ljudmila Alexejewa die Leitung der Gruppe, die sich mit verän derter Organisationsstruktur für die Einhaltung der Menschenrechte in Russland einsetzte. Am 25.Januar 2023 ordnete das oberste Moskauer Stadtgericht die Aufösung der Gruppe an, da diese widerrechlich über das Stadtgebiet hinaus tätig gewesen sei - eine Tatsache, die zuvor nie beanstandet worden war.

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