Name des Begriffes: „Kultura”
Beschreibungen des Begriffes:

„Kultura”

Die Pariser Zeitschrift „Kultura“ war die wichtigste polnische Exilzeitschrift, die von 1947 bis 2000 als Monatsschrift erschien. Chefredakteur und Gründer des Literarischen Instituts, von dem „Kultura“ herausgegeben wurde, war Jerzy Giedroyc. Die Zeitschrift erschien anfangs in Rom, dann in Maison-Laffitte unweit von Paris. Zur Redaktion gehörten neben Giedroyc (der das politische Profil der Zeitschrift bestimmte) Zofia und Zygmunt Hertz, Henryk Giedroyc und Gustaw Herling-Grudziński. Die erste Ausgabe erschien in einer Auflage von etwa 1.000 Exemplaren im Juni 1947. 1953 lag die Auflage bereits bei 4.000 Stück. In der „Kultura“ erschienen ganz verschiedene Texte – angefangen bei literarischen Essays bis hin zu sowjetkritischen Analysen. Die Zeitschrift bekämpfte die kommunistische Ideologie, stand jedoch zugleich in Opposition zur Politik der polnischen Exilregierung in London. Zu den wichtigsten Autoren zählten Jerzy Stempowski, Juliusz Mieroszewski, Witold Gombrowicz, Czesław Miłosz, Michał Heller, Krzysztof Pomian und Sławomir Mrożek.

Die „Kultura“ setzte sich für die Unabhängigkeit der Ukraine, Litauens und Belarus' von der Sowjetunion ein, worin sie eine Bedingung für den Zerfall des Sowjet-Imperiums und die Unabhängigkeit Polens sah. Das Literarische Institut blieb dieser Idee jahrzehntelang treu und arbeitete deshalb eng mit litauischen, russischen und ukrainischen Exilkreisen zusammen (mit Wladimir Maximow, Bohdan Osadczuk, Wladimir Bukowski, Natalja Gorbanewskaja und vielen anderen). Einige Sonderhefte der „Kultura“ erschienen auf Russisch, Ukrainisch, Tschechisch und Slowakisch. In der Reihe „Bibliothek der ‚Kultura‘“ wurden viele bedeutende und aufsehenerregende Bücher herausgegeben, zum Teil in polnischer Übersetzung. Darunter waren „Doktor Schiwago“ von Boris Pasternak, „Gespräche mit Stalin“ von Milovan Đilas, „Terror und Revolution“ von Boris Lewitzki, „Verführtes Denken“ (Zniewolony umysł) von Czesław Miłosz, „Phantastische Geschichten“ von Andrei Sinjawski, „Gedanken über Fortschritt, friedliche Koexistenz und geistige Freiheit“ von Andrei Sacharow, „Der Archipel Gulag“ von Alexander Solschenizyn, „Welt ohne Erbarmen“ (Inny świat) von Gustaw Herling-Grudziński und „Erlebt die Sowjetunion das Jahr 1984?“ von Andrei Amalrik.

Die „Kultura“ war in Volkspolen verboten, wurde jedoch auf verschiedenen Wegen ins Land geschleust. Für den Besitz und insbesondere für die Weiterverbreitung konnte man ins Gefängnis kommen. Im Oktober 1956 erteilte die Zeitschrift für kurze Zeit dem neuen Parteichef Władysław Gomułka einen Vertrauensvorschuss, in den 60er Jahren unterstützte sie den Revisionismus, da sie darin eine Möglichkeit zur Schwächung des Systems sah. Jerzy Giedroyc pflegte Kontakte nach Polen und empfing zahlreiche Intellektuelle und Autoren aus der Heimat, deren Texte er druckte. In den 70er Jahren leistete die Zeitschrift der demokratischen Opposition in Polen finanzielle Unterstützung und veröffentlichte deren Programme und Manifeste. In den 80er Jahren unterstützte sie die Solidarność, als diese nur noch im Untergrund agieren konnte. Unabhängige Verlage in Polen veröffentlichten oftmals Nachdrucke einzelner Beiträge aus der „Kultura“ oder von ganzen Buchpublikationen.

Gemäß dem Wunsch von Jerzy Giedroyc stellte die „Kultura“ ihr Erscheinen nach dessen Tod 2000 ein. Bis 1989 waren in der „Bibliothek der ‚Kultura‘“ mehr als 450 Bände, darunter 90 Ausgaben der „Zeszyty Historyczne“ (Historische Hefte; bis 2010) erschienen.

Bartosz Kaliski

Synonyme: „Kultura“
Zurück