Größte russische Untergrundorganisation der poststalinistischen Zeit. Der „Allrussische Sozial-Christliche Verband zur Befreiung des Volkes“ (Vserossijskij social-christianskij sojuz osvoboždenija naroda; WSChSON) wurde im Februar 1964 in Leningrad von einer Gruppe christlich-orthodoxer Jugendlicher gegründet. Als ihren ideellen Schirmherren betrachteten sie Nikolai Berdjajew und andere Religionsphilosophen aus der Zeit des beginnenden 20. Jahrhunderts. Nach dem vom Orientalisten Igor Ogurzow ausgearbeiteten Programm gehörten der Sturz der kommunistischen Diktatur in der Sowjetunion sowie die Gründung eines „theokratischen, sozialen, repräsentativen Volksstaates“ zu ihren Zielen. Das ebenfalls von Ogurzow stammende Statut sah eine streng konspirative Arbeitsweise vor, die auch bewaffnete Aktionen beinhaltete.
Die tatsächlichen Aktivitäten des Verbandes bestanden allerdings eher in der Verbreitung von Literatur und der Anwerbung neuer Mitglieder. Im Verlauf von drei Jahren wurden 25 Personen aufgenommen, weitere 30 bereiteten sich auf den Beitritt vor. Im Februar 1967 verhaftete der KGB die Leitung, gegen 21 Personen wurden Verfahren eröffnet. Die vier Gründer wurden wegen sogenannten „verschwörerischen Staatsverrates mit dem Ziel der Machtergreifung“ sowie wegen der „Gründung einer antisowjetischen Organisation“ angeklagt. Ogurzow erhielt fünf Jahre Gefängnis, zehn Jahre Lager und fünf Jahre Verbannung, die anderen Verurteilten bekamen Strafen zwischen sieben und einem Jahr.
Nach ihrer Freilassung engagierten sich einzelne Mitglieder des Verbandes, darunter Leonid Borodin, in der sowjetischen Dissidentenbewegung und gaben die Zeitschrift „Veče“ (Volksversammlung) heraus. Der Prozess gegen den *Allrussischen Sozial-Christlichen Verband zur Befreiung des Volkes rief ein starkes Echo hervor und stellte den Anfang der nationalorthodoxen Bewegung innerhalb der sowjetischen Dissidentenbewegung dar.