Glossar

Palach Press

Tschechoslowakische Nachrichtenagentur, die 1975 von Jan Kavan im Londoner Exil gegründet wurde. Kavan leitete die Nachrichtenagentur bis zu ihrer Auflösung im Jahr 1989, bis 1981 war auch Jiří Pelikán einer der Direktoren. Die Palach Press übersetzte für US-amerikanische und westeuropäische Medien die Dokumente der Bürgerrechtsbewegung Charta 77, die Texte des Komitees zur Verteidigung der zu Unrecht Verfolgten (Výbor na obranu nespravedlivě stíhaných; VONS) und anderer oppositioneller Initiativen. In den 80er Jahren verlegte sie eine englischsprachige Version der „Informace o Chartě 77 (INFOCH)“ (Informationen über die Charta 77) und arbeitete eng mit den westeuropäischen Friedensbewegungen zusammen. 1984 gab Palach Press die Dokumentation „Die unabhängigen Friedensbewegungen in den Nachbarländern der Tschechoslowakei“ (Nezávislé mírové hnutí u československých sousedů) heraus.

„Pamjat‘“

Unabhängiger historischer Sammelband, der 1976–81 von einer Gruppe Moskauer und Leningrader Geisteswissenschaftler herausgegeben und auch im Westen nachgedruckt wurde. Von „Pamjat‘“ (Gedächtnis) erschienen fünf Ausgaben. Jede davon umfasste etwa 800 Maschinenseiten und enthielt persönliche Erinnerungen sowie historische Studien vor allem über die Geschichte der Repressionen und des Widerstands gegen den Totalitarismus in der UdSSR, die aufgrund der Zensurbestimmungen nicht bei offiziellen Verlagen erscheinen konnten. Die Zusammensetzung der Redaktion wurde geheim gehalten.

Nach der Verhaftung des Initiators und Chefredakteurs Arseni Roginski konnte die Arbeit an den folgenden Ausgaben noch für eine gewisse Zeit fortgesetzt werden, Nummer 6 hingegen erschien bereits nicht mehr. Die Texte, die für diese Ausgabe vorgesehen waren, wurden in dem historischen Sammelband „Minuvšee“ (Vergangenes) veröffentlicht, den Wladimir Alloj ab 1985 in Paris und 1990–99 in Russland herausgegeben hatte. Von „Minuvšee“ erschienen insgesamt 25 Bände.

„Paros“

Das publizistische Organ der Nationalen Vereinigten Partei Armeniens „Paros“ (Leuchtturm) erschien in armenischer Sprache. Unter Umgehung der Zensur setzte sich die Zeitung das Ziel, die Armenier durch die Idee der Unabhängigkeit ihres Landes zu einen. Die erste der insgesamt vier Nummern erschien im April 1967 zum Gedenktag des Völkermords von 1915. Nach Erscheinen der zweiten Nummer im Juli 1968 wurden mehrere Parteimitglieder, darunter auch die Paros-Redakteure Hajkasn Chatschatrjan, Schahen Harutjunjan und Stepan Satikjan verhaftet. Die dritte und vierte Nummer von Paros erschienen 1973 und 1981.

„Pastogė“

1978–80 erschien in Wilna der als illustrierter Sammelband konzipierte literarische Almanach „Pastogė“ (Dach über dem Kopf). Herausgeber war Algirdas Patackas, der unter Umgehung der Zensur zwei Nummern mit jeweils etwa 70 Seiten herausbrachte und vor allem Texte junger Literaten, Gedichte von Mindaugas Tomonis und philosophische Texte veröffentlichte.

Permer Lager

Als „Permer Lager“ werden drei „Arbeitsbesserungslager“ in der Nähe von Tschussawoi im Permer Gebiet bezeichnet, die der Verwaltung der Siedlung Skalny („Einrichtung VS-389“) unterstellt waren und in denen in den 70er und 80er Jahren angebliche „besonders gefährliche Staatsverbrecher“ festgehalten wurden. Es handelte sich dabei hauptsächlich um Personen, die wegen sogenannter „antisowjetischer Agitation und Propaganda“ nach Artikel 58, Paragraf 10 Strafgesetzbuch der RSFSR und Artikel 70 Strafgesetzbuch der RSFSR verurteilt worden waren sowie „Hochverräter“ mit Haftstrafen von 25 Jahren.

Das Lager Nr. 35 in der Siedlung Wsechswjatskoe und das Lager Nr. 36 in der Siedlung Kutschino wurden ab 1972 als politische Lager genutzt. Zu dieser Zeit traf die erste Häftlingsgruppe aus den mordwinischen Lagern hier ein. Nach vorsichtigen Schätzungen der „Chronik der laufenden Ereignisse“ von 1974 (Nr. 33) befanden sich im Herbst 1974 im Lager Nr. 35 etwa 100 und im Lager Nr. 36 etwa 150 Häftlinge. 1976 entstand in der Siedlung Polowinka das Lager Nr. 37, in dem 50 Personen inhaftiert wurden. 1980 wurde in Kutschino ein (Neben-)Lager mit besonderem Vollzug gebaut, in das die politischen Häftlinge als vermeintlich „besonders gefährliche Mehrfachtäter“ aus dem Lager mit besonderem Vollzug in Sosnowka in den mordwinischen Lagern verlegt wurden. In völliger Isolation und unter äußerst schweren Bedingungen hielt man dort 57 Personen fest. Vier von ihnen starben: Olexyj Tychy, Juri Litwin, Valeri Martschenko und Vasyl Stus.

Die Freilassung der Häftlinge aus den Permer Lagern und den mordwinischen Lagern zog sich von Februar 1987 bis zum Herbst 1988 hin. Die letzten Gefangenen kamen erst 1991 frei. Erst dann wurde das Lager Nr. 36 aufgelöst und die Lager Nr. 35 und 37 für einfache Kriminelle umgewidmet.

1995 gründeten die Aktivisten der Permer Gruppe von Memorial auf dem Gebiet des ehemaligen Lagers Nr. 36 in Kutschino ein Museum und später ein Zentrum für die Erforschung der politischen Repressionen: die Gedenkstätte der Geschichte politischer Repressionen „Perm-36“. Nach Drangsalierungen durch die Behörden wurden Gedenkstätte und Museum 2014 geschlossen und später unter Leitung der regionalen Behörden wiedereröffnet. Seitdem findet inhaltlich eine Umwidmung statt, in der die politischen Gründe für die Lagerhaft in den Hintergrund gedrängt und der vermeintliche Beitrag der Häftlinge zum Aufbau des Sozialismus und zum Sieg über Hitler-Deutschland hervorgehoben werden.

„Perspektyvos“

Die litauische liberale Zeitschrift „Perspektyvos“ (Perspektiven) erschien 1978–81 in Wilna. Unter Umgehung der Zensur entstanden auf der Schreibmaschine 22 Nummern im Umfang von je 36 bis 140 Seiten. Herausgeber und Redakteur war Vytautas Skuodis, sein Stellvertreter Albertas Zvicevičius, zu den Autoren zählten Gintautas Iešmantas und Stasys Stungurys. In der Zeitschrift wurden die Zukunft Litauens und Wege zur Wiedererlangung der Unabhängigkeit des Landes debattiert, Materialien zu Bildungsfragen bereitgestellt und Dokumente der Menschenrechtsbewegung veröffentlicht. In Übersetzung erschienen Texte von Alexander Solschenizyns, Andrei Sacharow und anderen. Die Zeitschrift wurde in den USA nachgedruckt.

Petőfi-Kreis

Ein Diskussionsforum, das ein halbes Jahr vor dem Ausbruch der Ungarischen Revolution von 1956 von studentischen Anhängern Imre Nagys und einer Gruppe Intellektueller ins Leben gerufen wurde. Den größten Wirbel löste der Petőfi-Kreis (Petőfi Kör) mit seinen Diskussionen zur Wirtschaftslage sowie zur Situation der ungarischen Presse aus. Der Kreis spielte in den Vorbereitungen der Ungarischen Revolution eine wesentliche Rolle. Nach 1957 galt er als „Hort der Konterrevolution“, und viele seiner Mitstreiter wurden verhaftet. Die vom Sekretär des Petőfi-Kreises András B. Hegedűs aufbewahrten Protokolle wurden Anfang der 90er Jahre veröffentlicht.

Petition an die Teilnehmer des XXIII. Parteitages der KPdSU

Die am 28. März 1966 beim ZK der KPdSU eingereichte Petition war eines der wichtigsten Dokumente der Bewegung der Krimtataren, mit dem sie forderten, auf die Krim zurückkehren zu dürfen. Es umfasste 22 Seiten und wurde von 120.000 Personen unterzeichnet.

Petition gegen den Einmarsch sowjetischer Truppen in Afghanistan

Offener Brief der Bürger Lettlands, Litauens und Estlands vom 17. Januar 1980 an den Vorsitzenden des Obersten Sowjets der UdSSR, den Generalsekretär der UNO und an das afghanische Volk. In der von Tiit Madisson redigierten Petition wurde die am 25. Dezember 1979 begonnene sowjetische Invasion in Afghanistan mit dem Einmarsch der Roten Armee in die baltischen Staaten im Jahr 1940 verglichen und der sofortige Rückzug der Russen aus Afghanistan verlangt.

Pfingstkirchler

Vollständige Bezeichnung: Christen evangelischen Glaubens (Christianie very evangel’skoj). Eine protestantische Gemeinschaft, die in Russland seit Anfang des 20. Jahrhunderts tätig war. Auch die Pfingstkirchler (Pjatidesjatniki) waren wie die Zeugen Jehovas, die Wahrhaft Orthodoxe Kirche und ein Teil der Baptisten, deren Dogmen und Gebräuche sich nicht mit der totalen staatlichen Kontrolle über das religiöse Leben vertrugen, Gegenstand systematischer Diskriminierungen. Die Behörden verweigerten die Registrierung ihrer Gemeinden, wodurch sie das öffentliche Wirken der Pfingstbewegung unterbanden. Mehrere Hunderttausend von insgesamt einer Million Anhängern verweigerten den Beitritt zum offiziellen „Allunionsrat der Evangelischen Christen-Baptisten“, was die Aufgabe der eigenen Glaubensprinzipien erfordert hätte. Führungspersönlichkeiten und aktive Gemeindemitglieder wurden mit strafrechtlichen Mitteln verfolgt und zwangspsychiatrisiert. Junge Männer, denen ihr Glaube verbot, eine Waffe in die Hand zu nehmen und sich als Soldaten vereidigen zu lassen, wurden dafür verfolgt, dass sie sich der „allgemeinen Wehrpflicht entzogen“.

Anfang der 60er Jahre kam ein Teil der Gemeinden zu der Einsicht, dass nur die Emigration ein Ausweg aus der Situation darstelle. In den 70er Jahren vertrat diesen Ansatz die Massenbewegung der Otkazniki. Unter Petitionen mit der Forderung nach einer Ausreiseerlaubnis, die an staatliche Behörden und an die internationale Öffentlichkeit gerichtet waren, wurden Zehntausende Unterschriften gesammelt. Die Anführer der Auswanderungsbewegung waren Nikolaj Goretoj, Evgenij Brisenden und Grigorij Waščenko, ihre Zentren waren Nachodka im Fernen Osten, Tschernogorsk im Gebiet Krasnojarsk und Staniza Starotitarowska im Nordkauskasus.

1974 nahmen Pfingstkirchler Kontakte mit Moskauer Menschenrechtlern auf. Informationen über Repressionen gegen die Pflingstkirchenbewegung und ihren Kampf um die eigenen Rechte wurden regelmäßig in der „Chronik der laufenden Ereignisse“ und in den Dokumenten der Moskauer Helsinki-Gruppe veröffentlicht, während sie sich selbst des Öfteren an öffentlichen Protesten der Menschenrechtler gegen die Verfolgung von Dissidenten beteiligten.

Păltiniș-Gruppe

Ein Kreis von rumänischen Intellektuellen um den Philosophen Constantin Noica, der während der Ceaușescu-Ära in dem unweit von Hermannstadt (Sibiu) gelegenen Karpatenkurort Păltiniș gewohnt hatte.

Constantin Noica hatte sich schon vor dem Zweiten Weltkrieg einen Namen gemacht, er gehörte zu einem Kreis von Intellektuellen um Emil Cioran und Mircea Eliade, den zwei international bekanntesten rumänischen Philosophen. Zunächst saß er nach dem Krieg in Haft. Im Zuge des „Tauwetters“ Mitte der 60er Jahre kam er unter der Bedingung frei, das kommunistische Regime anzuerkennen. Nach dem Machtantritt von Nicolae Ceaușescu konnte sich Constantin Noica in die nationalistische Strömung einreihen, die sich damals in Rumänien herausgebildet hatte.

In Păltiniș machte er speziell ausgewählte, hochbegabte junge Intelellektuelle zu seinen Schülern. Dabei vermittelte er Werte, die von der offiziellen Propaganda abwichen, weshalb seine Tätigkeit auch als „kulturelle Opposition“ bezeichnet wurde. Unter seinen Schülern sind insbesondere Gabriel Liiceanu und Andrei Pleșu erwähnenswert. Liiceanu gab 1983 das „Tagebuch aus Păltiniș“ (Jurnalul de la Păltiniș) heraus, in dem er seinen intellektuellen Werdegang beschrieb. Constantin Noica war bemüht, seine Schüler von der aktuellen Politik fernzuhalten, jedoch gingen sowohl Liiceanu (der nach dem Sturz Ceaușescus den bekannten Verlag Humanitas gründete) als auch Pleșu (der in der ersten Regierung nach 1989 Kulturminister und 1997–99 Außenminister war) eigene Wege.

„Poiski“

Gesellschaftlich-politische Samisdat-Zeitschrift, die in Moskau 1978–89 herausgegeben wurde. „Poiski“ (Suche) erschien in acht Ausgaben mit einem Umfang von jeweils etwa 400 Seiten. Zur Redaktion gehörten Waleri Abramkin, Pjotr Abowin-Jegides, Raissa Lert, Wladimir Gerschuni, Wiktor Sokirko und Gleb Pawlowski, der unter dem Pseudonym „Pjotr Pryschow“ veröffentlichte. Das Ziel der Zeitschrift war es, wie in der ersten Ausgabe vom Historiker Michail Gefter formuliert wurde, einen Dialog zwischen Intellektuellen mit unterschiedlichen Überzeugungen – Sozialisten und Liberale, Atheisten und Gläubige – zu initiieren. Gemeinsam sollte ein Ausweg aus der Stagnation gesucht werden, in der sich die sowjetische Gesellschaft Ende der 70er Jahre befand.

„Poiski“ stellte den letzten und bedeutsamsten Versuch dar, im sowjetischen Samisdat eine seriöse, demokratisch ausgerichtete gesellschaftspolitische Zeitschrift herauszugeben. Ab Januar 1979 setzte der KGB die Redakteure mit Repressionen unter Druck, die mit Hausdurchsuchungen anfingen und über die Beschlagnahmung von Manuskripten und Schreibmaschinen bis hin zur persönlichen Bedrohung reichten. Im Verlauf von zwei Jahren kamen Waleri Abramkin, Wiktor Sokirko, Wladimir Gerschuni und Gleb Pawlowski in Haft. Nach der Schließung der Zeitschrift 1980 erschien im Samisdat als Nachfolgepublikation „Poiski i razmyšlenija“ (Suche und Reflexion).

„Poiski i razmyšlenija“

Unabhängige Zeitschrift, die 1980 und 1981 in Moskau herausgegeben wurde. In der ersten Nummer von „Poiski i razmyšlenija“ (Suche und Reflexion) erklärte die anonyme Redaktion, dass es sich um die Fortsetzung der Zeitschrift „Poiski“ (Suche) handele, was durch die doppelte Nummerierung unterstrichen wurde.

Auf der Schreibmaschine wurden acht Ausgaben mit einem Umfang von jeweils 70–110 Seiten in einer Auflage von zehn Stück hergestellt. Es wurden Dokumente der Menschenrechtsbewegung, literarischer und publizistischer Samisdat sowie unter Pseudonym auch Artikel der Zeitschriftenredakteure Alexander Babionyschwe, Michail Rosanow und Sergei Larkow veröffentlicht. In der achten Ausgabe von 1981 wurde eine große Sammlung von Texten über den gemeinsamen Freiheitskampf von russischen und polnischen Demokraten veröffentlicht, die sich dem Zeitraum seit der Zeit Alexander Herzens bis zur polnischen Solidarność widmete.

Polizeiaufsicht

Repressionsmittel ohne Rechtsgrundlage, das – ebenso wie die Zwangsumsiedlung – auch aus politischen Gründen in Ungarn angewendet wurde. Man konnte beispielsweise wegen sogenannter „asozialer Arbeitsverweigerung“ und Prostitution unter Polizeiaufsicht gestellt werden. Die Betroffenen durften sich nicht mehr an öffentlichen Orten aufhalten, ohne polizeiliche Genehmigung durften sie auch ihren Wohnort nicht verlassen. Sie hatten nach 22 Uhr Ausgangssperre und mussten die Nacht zu Hause verbringen. Bis zum Inkrafttreten der Wahlrechtsreform 1983 waren sie auch nicht wahlberechtigt. Aber auch die neue Wahlordnung erkannte ihnen das Wahlrecht nur theoretisch zu, denn Wahllokale galten als öffentliche Orte, an denen sich unter Polizeiaufsicht gestellte Personen nicht aufhalten durften. Gegen die Anordnung, eine Person unter Polizeiaufsicht zu stellen, gab es vor Gericht keine rechtliche Handhabe.

Polizeiliche Verwarnung

Form polizeilicher Kontrolle, die in Ungarn in der Verantwortung der jeweiligen Stadtbezirksdienststellen der Polizei lag. Wenn jemandem die Verletzung der herrschenden Ordnung vorgeworfen wurde, wurde diese Person aufs Polizeirevier bestellt, wo sie davor gewarnt wurde, entsprechende Tätigkeiten fortzusetzen, anderenfalls drohten strengere Zwangsmaßnahmen oder ein Strafverfahren. Personen mit einer polizeilichen Verwarnung bekamen keinen Studienplatz, keinen Pass und verloren ihre Arbeit. Eine weitere Repressionsmaßnahme war eine Verwarnung, die von der Staatsanwaltschaft ausgesprochen wurde. Dies geschah in Fällen, die für die Eröffnung eines Strafverfahrens nicht ausreichten.

Polnische Unabhängigkeitsallianz

Die Polnische Unabhängigkeitsallianz (Polskie Porozumienie Niepodległościowe; PPN) war eine konspirativ agierende Oppositionsgruppe der Jahre 1976–81. Initiator war der Literaturhistoriker Zdzisław Najder, seine engsten Mitarbeiter waren Jan Olszewski , Jan Józef Szczepański, Andrzej Kijowski, Wojciech Włodarczyk und Jan Zarański. Wichtigstes Ziel des am 3. Mai 1976 in London veröffentlichten Programms der Allianz war die Wiedererlangung der Unabhängigkeit Polens. Gefordert wurden die Einführung bürgerlicher Freiheiten, freie Wahlen, eine unabhängige Justiz, die Vereinigungsfreiheit sowie die Aufhebung der Beschränkungen für privates Unternehmertum.

Die Unabhängigkeitsallianz legte großen Wert auf oppositionelle politische Bildung und veröffentlichte in diesem Zusammenhang insgesamt 50 Texte zu politischen, zeitgeschichtlichen, wirtschaftlichen und internationalen Themen. Zu den Autoren zählten Władysław Bartoszewski, Andrzej Kijowski, Tadeusz Mazowiecki, Jerzy Holzer, Jacek Woźniakowski und andere. Der populärste Text war der von Jan Olszewski verfasste Ratgeber „Der Bürger und der Staatssicherheitsdienst“ (Obywatel a Służba Bezpieczeństwa).

Jan Skórzyński

„Poolpäevaleht“

Unabhängige, alle zwei Wochen erscheinende Zeitschrift für Kultur und Politik in estnischer Sprache, die 1978 und 1979 in Tartu herausgebracht wurde. Es erschienen sieben Ausgaben von „Poolpäevaleht“ (Samstagszeitung), die von einem Studenten des ersten Studienjahres der philologischen Fakultät der Universität Tartu – Hubert Jakob –herausgegeben wurden. Jede Nummer wurde 15- bis 20-Mal auf Schreibmaschine vervielfältig bzw. fotokopiert. In der Zeitschrift wurden Werke von Vertretern der alternativen Kultur und Literaturkritik sowie Dokumente der Menschenrechtsbewegung und Artikel über die neueste Geschichte Estlands veröffentlicht. Anfang 1979 stellte die Zeitschrift nach Interventionen des KGB ihr Erscheinen ein.

Posener Aufstand

Gesellschaftlicher Aufruhr der Posener Arbeiter gegen das kommunistische Regime. Im Juni 1956 erreichte die bereits seit 1954 stetig wachsende Unzufriedenheit der Arbeiter der Posener Stalin-Werke (kurz ZISPO, früher und später wieder Hipolit-Cegielski-Werke) ihren Höhepunkt. Grund waren überhöhte Produktionsnormen und zu niedrige Löhne. Nach dem Scheitern von Gesprächen einer Arbeiterdelegation mit der Staatsführung in Warschau verweigerte die ZISPO-Belegschaft am 28. Juni 1956 die Arbeitsaufnahme und formierte sich zu einem Protestzug Richtung Innenstadt. Den von Stanisław Matyja und anderen organisierten Protesten schlossen sich Beschäftigte anderer Posener Fabriken und auch Einwohner der Stadt an. Zu den Losungen der Protestierenden gehörten auch soziale und politische Forderungen. Skandiert wurde „Brot und Freiheit!“, „Weg mit der roten Bourgeoisie!“, „Wir wollen ein katholisches, kein bolschewistisches Polen!“

Einer Gruppe von Demonstranten gelang es, ein Gefängnis einzunehmen und die dort Gefangenen zu befreien. Eine weitere Gruppe marschierte in Richtung Woiwodschaftszentrale der Staatssicherheit. Dort wurde das Feuer auf sie eröffnet. Aus einer bis dahin friedlichen Demonstration wurde eine bewaffnete Auseinandersetzung, die die Ausmaße eines Aufstands annahm. Am nächsten Tag schlugen das Militär und Spezialtruppen des Innenministeriums den Aufstand blutig nieder. Dabei kamen 10.000 Soldaten und 350 Panzer zum Einsatz. Die zwei Tage andauernden Kämpfe gegen die Protestierenden forderten 70 Tote und Hunderte Verletzte. Über 700 Personen wurden verhaftet, geschlagen und gefoltert. „Jeder Provokateur oder Wahnsinnige, der es wagt, seine Hand gegen die Volksmacht zu erheben, möge sicher sein, dass diese Volksmacht ihm diese Hand […] abhacken wird“, drohte Premierminister Józef Cyrankiewicz im Radio.

22 Teilnehmer des Aufstandes wurden vor Gericht gestellt, die Urteile fielen allerdings relativ mild aus. Auf dem VIII. Plenum des ZK der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (19.–21. Oktober 1956) erklärte der neue Erste Sekretär Władysław Gomułka, dass die Posener Unruhen auf Fehler der Partei zurückzuführen seien. Ende Oktober wurden alle jene aus den Gefängnissen entlassen, denen kein Mord angelastet wurde. Noch viele Jahre nach den Posener Juni-Ereignissen wurden die Teilnehmer am Aufstand und deren Familien vom Staatssicherheitsdienst überwacht oder mussten andere Schikanen über sich ergehen lassen.

Bartłomiej Noszczak, Jan Skórzyński

Posev

Russischer Exilverlag des Volksarbeitsbundes der russischen Solidaristen. „Posev“ entstand 1945 im Umfeld politischer Flüchtlinge in Westdeutschland und befand sich ab 1952 in Frankfurt am Main. In den USA gab es eine weitere Niederlassung. Der Verlag gab eine Zeitschrift mit dem gleichen Titel heraus, die das publizistische Organ der Solidaristen darstellte. Sie erschien 1945–67 wöchentlich und ab Januar 1968 monatlich. Außerdem wurde die literarische Vierteljahreszeitschrift „Grani“ herausgegeben. 1960 begann man, Texte von sowjetischen Autoren wie Alexander Solschenizyn, Wladimir Maximow, Georgi Wladimow und Alexander Galitsch zu veröffentlichen.

Posev gab auch Dokumente des sowjetischen Samisdat im Ausland heraus: 1967 das „Weißbuch“ (Belaja kniga) über den Prozess gegen Andrei Sinjawski und Juli Daniel sowie „Mittags. Das Verfahren wegen der Demonstration am 25. August 1968 auf dem Roten Platz“ (Polden‘. Delo o demonstracii 25 avgusta 1968 na Krassnoj ploščadi) von Natalja Gorbanewskaja. Zwischen 1968 bis 1981 erschien die Reihe „Freies Wort“ (Svobodnoe slovo) mit einem Umfang von 42 Bänden, in der unter anderem die ersten 27 Ausgaben der „Chronik der laufenden Ereignisse“ nachgedruckt wurden. Bücher und Zeitschriften des Posev-Verlages wurden illegal in die Sowjetunion geschmuggelt, weswegen ein Teil der Auflagen im „Hosentaschenformat“ gedruckt wurde. In der UdSSR zogen der Besitz und die Verbreitung dieser Literatur sowie die Veröffentlichung eigener Texte bei Posev Repressionen seitens der Behörden nach sich. 1992 verlagerte der Posev-Verlag seinen Sitz nach Moskau.

Prager Aufruf

Der „Prager Aufruf“ (Pražská výzva; auch „Prager Appell“) von 1985 gehört zu den wichtigsten Zeitdokumenten der Bürgerrechtsbewegung Charta 77. Die 45 Unterzeichner stammten aus allen politischen Strömungen der Bewegung. Der Aufruf richtete sich an die Teilnehmer der 4. Internationalen Konferenz für atomare Abrüstung in Europa (European Nuclear Disarmament; END) in Amsterdam und drückte eine gemeinsame Haltung zu Fragen des Friedens und der Sicherheit aus. Der Text wollte auch einen neuen Impuls für die sowjetisch-amerikanischen Abrüstungsverhandlungen setzen und wurde am Tag der Wahl Michail Gorbatschows zum neuen Generalsekretär der KPdSU veröffentlicht. In dem Dokument verlangten die Autoren unter anderem den Abzug aller fremden Armeen aus europäischen Ländern, Gespräche über eine zukünftige mögliche Wiedervereinigung Deutschlands und entwickelten die Idee von einer Gemeinschaft unabhängiger Staaten in Europa. Der Text, für dessen Inhalt hauptsächlich Jaroslav Šabata verantwortlich war, rief sowohl im In- als auch im Ausland großes Interesse hervor. Insbesondere die außerparlamentarischen Friedensbewegungen und Menschenrechtsorganisationen nahmen ihn sehr positiv auf. Die Kritiker des Textes wiesen allerdings auf die erheblichen Unterschiede in den politischen Systemen zwischen Ost- und West-Europa hin und gaben ihrer Furcht vor einem wiedererstarkten Deutschland Ausdruck, dass dadurch eine zu mächtige Position erlangen würde. Die Kritik richtete sich auch gegen die schwierige Situation der Volksgruppen in der Sowjetunion.

Prager Frühling

Bezeichnung für die Phase der Entspannung und Liberalisierung in der ČSSR im Frühjahr 1968, die durch den Einmarsch von Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei niedergeschlagen wurde. Mitte der 60er Jahre erfolgte eine gewisse politische Liberalisierung, die sich vor allem in der Kultur bemerkbar machte. Zu Beginn äußerten 1967 Vertreter der Studentenbewegung offene Kritik am dogmatischen Stalinismus, später schloss sich auf dem IV. Kongress der Tschechoslowakischen Schriftsteller eine Gruppe von Autoren dieser Kritik an. Im Januar 1968 musste Antonín Novotný das Amt des Ersten Sekretärs der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei (KSČ) aufgeben, an seine Stelle trat Alexander Dubček. In ihrem im April 1968 beschlossenen „Aktionsprogramm der KSČ“ (Akční program KSČ) sprach sich die Partei im Rahmen der damaligen ideologischen Möglichkeiten für eine allmähliche Demokratisierung des gesellschaftlichen Lebens aus, worunter sie vor allem die Presse-, Versammlungs- und Glaubensfreiheit verstand. Im Mai 1968 verzichtete Antonín Novotný unter dem Druck der Öffentlichkeit auch auf das Amt des Präsidenten, das er noch immer ausübte. Sein Nachfolger wurde Ludvík Svoboda. Der Reformprozess, der am Anfang nur innerhalb der Partei verlief, griff bald auf die Gesellschaft über. Im Juni 1968 rief Ludvík Vaculík in seinem „Manifest der 2.000 Worte“ (Dva tisíce slov) die Bürger dazu auf, die Reformen voranzutreiben.

Mit Ausnahme Rumäniens verurteilten alle Ostblockstaaten die Prager Frühling genannte Demokratisierung des Sozialismus in der ČSSR. Fünf der acht Mitgliedsstaaten beteiligten sich am Einmarsch von Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei und an der Besetzung des Landes, um den Prager Frühling gewaltsam niederzuschlagen. Dies stärkte zwar den Einfluss der Sowjetunion auf ihre Satellitenstaaten, ruinierte jedoch ihr Ansehen in westeuropäischen Gesellschaften. Als Reaktion auf den Einmarsch von Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei distanzierten sich auch kommunistischen Parteien Westeuropas von der UdSSR. In der ČSSR selbst begann mit dem Einmarsch von Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei die Phase der sogenannten „Normalisierung“

Weiterführende Informationen sind auf der Webseite der Bundesstiftung Aufarbeitung im Online-Dossier Prager Frühling zusammengetragen.

„Praxis“

Die Zeitschrift „Praxis“ und die gleichnamige intellektuelle Gruppe taten sich in den Jahren 1964–74 mit dem Bekenntnis zu einem „humanistischen Marxismus“ hervor. Entstanden im Zuge der Liberalisierung der 60er Jahre, steht „Praxis“ im Westen bis heute für eines der bekanntesten Intellektuellen-Milieus im damaligen Jugoslawien. Die Zeitschrift unterstützte einerseits Titos und Kardeljs Experimente der Selbstverwaltung als Schritt in Richtung demokratischer Sozialismus, den sie als Grundlage für die Emanzipation des Menschen und die rationale Umgestaltung der Gesellschaft durch den Menschen betrachteten. Andererseits übte die Zeitschrift Kritik an der regierenden kommunistischen Partei (Bund der Kommunisten Jugoslawiens), die zu einer Klasse von Bürokraten mutiert sei und die Selbstverwaltung sowie die freie Meinungsäußerung einschränke. Als fest in der jugoslawischen Gesellschaft und teilweise auch im Bund der Kommunisten Jugoslawiens verwurzelte Gruppe genoss „Praxis“ lange Zeit die Unterstützung parteiinterner Reformkräfte. Autoren der Zeitschrift und Mitglieder der Guppe waren Uninversitätsprofessoren, Mitarbeiter zentraler staatlicher Institute und sogar einstige Tito-Partisanen (u. a. Gajo Patrović, Branko Bošnjak, #Mihailo Marković, #Zagorka Golubović, #Nebojša Popov, Branko Horvat, Predrag Vranicki). Im Ausland war die „Praxis“-Gruppe auch durch die von ihr organisierten internationalen Sommerschulen auf der Insel Korčula berühmt (fast durchgängig von 1963 bis 1974). Die Zeitschrift lieferte der Partei wertvolle philosophische Argumente zur Untermauerung des jugoslawischen Wegs zum Aufbau des Sozialismus, in Abgrenzung zur Sowjetunion. Zugleich stand sie für einen spezifisch jugoslawischen Personenkreis, der eine intellektuelle Alternative zu den nationalistischen Strömungen darstellte, die auch innerhalb des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens an Einfluss gewannen. Nach der Zerschlagung des Kroatischen Frühlings und des Serbischen Liberalismus Anfang der 70er Jahre geriet auch die „Praxis“-Gruppe zunehmend ins Visier der Behörden. Den Autoren der Zeitschrift wurde vorgeworfen, die *Studentenproteste 1968 angestiftet zu haben. Sie hätten zudem unberechtigte Kritik an der jugoslawischen Wirklichkeit geübt. Die vorerst letzte Nummer der Zeitschrift erschien 1974. In den 80er Jahren reaktivierte ein Teil der Redaktionsmitglieder die Zeitschrift unter dem neuen Namen „Praxis International“, die hauptsächlich auf Englisch erschien, aber ohne nennenswerten Einfluss auf die gesellschaftliche und politische Entwicklung Jugoslawiens blieb.

„Profil“

Eine im Jahre 1977 von János Kenedi gegründete ungarische Untergrund-Zeitschrift. Darin wurden Arbeiten von insgesamt 34 Autoren veröffentlicht, so zum Beispiel von György Dalos, László Rajk, Ottilia Solt und Zoltán Zsille. Anliegen der Zeitschrift war das Sammeln und Veröffentlichen geisteswissenschaftlicher Texte (hauptsächlich aus den 60er und 70er Jahren), die zuvor von staatlichen Redaktionen und Verlagen mit der Begründung abgelehnt worden waren, sie passten nicht in deren Profil.

Prosvita

1868 als Gesellschaft zur Förderung der Bildung mit Hauptsitz in Lwiw (Lwów, Lemberg) gegründet, betrieb Prosvita (Bildung) in Galizien, das damals zu Österreich-Ungarn gehörte, Filialen in den Kreishauptstädten und ein Netzwerk an dörflichen Lesesälen. Ziel der Gesellschaft war der Kampf gegen den Analphabetismus und die Förderung von Kultur und Wirtschaft in den ukrainischen Dörfern. Zu diesem Zweck entstanden Kulturzentren, Chöre und Orchester, Genossenschaften, Molkereien sowie Spar- und Unterstützungskassen. 1917 existierten etwa 5.000 Einrichtungen. Zudem war die Gesellschaft in großem Umfang verlegerisch tätig. 1922 wurde das Prosvita-Netzwerk im nun sowjetischen Teil Galiziens aufgelöst und die Lesesäle und Bibliotheken nach dem Vorbild in anderen Landesteilen der UdSSR umorganisiert. In Westgalizien, das zu Polen gehörte, waren ihre Vertretungen weiterhin aktiv. Während des Zweiten Weltkriegs wurde Prosvita durch die *Organisation der Ukrainischen Nationalisten wiederbelebt, doch nach dem Krieg alle ihre Einrichtungen endgültig geschlossen. Im Januar 1992 wurde als Folgeinstitution der Prosvita die Allukrainische Taras-Schewtschenko-Gesellschaft „Prosvita“ offiziell in Kiew registriert. Sie besitzt Vertretungen in allen Regionen der Ukraine.

Protestaktion bei der Vorführung des Films „Feuerpferde“

Während der Aufführung des Films „Feuerpferde“ (Originaltitel: Tini zabutych predkiv / Die Schatten der vergessener Ahnen) von Sergei Paradschanow am 4. September 1965 im Kiewer Kino „Ukraina“, kam es zu einer öffentlichen Protestaktion gegen die Verhaftungen von Mitgliedern der ukrainischen Intelligenz im selben Jahr (siehe erste Verhaftungswelle). Die Aktion begann mit einem Auftritt von Iwan Dsjuba, der über den Ablauf der Verhaftungen berichtete und die Namen der einzelnen Festgenommenen verlas. Unterstützung für den Redner äußerten Wjatscheslaw Tschornowil, Wassyl Stus und Mychajlyna Kozjubynska. Als Zeichen der Solidarität mit den Verhafteten stand ein Teil der Anwesenden von ihren Sitzen auf. Die Organisatoren des Protestes wurden außergerichtlich bestraft.

Provisorischer Koordinierungsausschuss

Konspiratives Leitungsgremium der Solidarność, das am 22. April 1982 von den im Kriegsrecht untergetauchten Gewerkschaftsvorsitzenden der am besten organisierten Regionen gegründet wurde (Bogdan Lis aus Danzig, Zbigniew Bujak aus Masowien, Władysław Frasyniuk aus Niederschlesien, Władysław Hardek aus Kleinpolen). Der Provisorische Koordinierungsausschuss (Tymczasowa Komisja Koordynacyjna; TKK) der Solidarność stellte sich das Ziel, alles zu tun, um das Kriegsrecht zu beenden, die Freilassung der Internierten und Gefangenen zu erreichen, die Bürgerrechte wiederherzustellen und die Solidarność wieder zuzulassen. Er lehnte Gewalt ab und sprach sich gegen zentralisierte Konspirationsstrukturen aus. Er setzte auf die Formierung einer „Untergrundgesellschaft“, die sich aus verschiedensten unabhängigen Institutionen, Bildungs- und Selbststudienzirkeln, einer freien Presse, unabhängigen Verlagen usw. konstituieren sollte. 1982 rief der Ausschuss mehrmals zu Massendemonstrationen auf, um so Zugeständnisse des Regimes zu erzwingen, wie zum Beispiel am 31. August, dem Jahrestag der Unterzeichnung der Danziger Vereinbarung. Nach dem staatlichen Verbot der Solidarność im Oktober 1982 leitete der Provisorische Koordinierungsausschuss Vorbereitungen für einen Generalstreik ein, die Pläne wurden jedoch von der breiten Masse der Gesellschaft nicht unterstützt.

Die Mitglieder des Ausschusses äußerten sich in der Regel unter ihrem Klarnamen, ihr Aufenthaltsort war jedoch streng geheim. Folgende Persönlichkeiten prägten den Koordinierungsausschuss zu verschiedenen Zeiten maßgeblich mit: Bogdan Borusewicz (1984–86), Lech Kaczyński (1986) und Krzysztof Dowgiałło (1986/87) aus Danzig; Piotr Bednarz (1983), Józef Pinior (1983), Marek Muszyński (1984–87) aus Niederschlesien; Tadeusz Jedyniak (1983–85) aus Oberschlesien; Jerzy Dłużniewski als Vertreter der Region Lodz und Andrzej Milczanowski (1984–87) aus Westpommern. Am längsten arbeitete Zbigniew Bujak im Ausschuss mit (bis 1986).

Die Ausschussmitglieder trafen sich 1982/83 im Schnitt einmal im Monat, meistens in der Dreistadt Danzig-Gdynia-Sopot oder in der Kaschubei. Die Treffen wurden von einem Expertenstab vorbereitet, zu dem Jan Krzysztof Bielecki, Jerzy Buzek, Janusz Grzelak, Barbara Labuda, Andrzej Wiszniewski und Jerzy Zdrada gehörten. Zweimal (9.–11. April und 19.–20. November 1983) nahm auch Lech Wałęsa an den Beratungen teil und setzte damit ein Zeichen für die Einheit der Gewerkschaft.

Der Provisorischer Koordinierungsausschuss der Solidarność bezog in den wichtigsten Angelegenheiten des Landes Position, protestierte gegen Repressionen und fehlende Rechtsstaatlichkeit. Vor allem aber koordinierte er die gesamte Untergrundarbeit der Solidarność, unter anderem durch die Verteilung ausländischer Geldspenden und Sachmittel (Druck- und Vervielfältigungstechnik und Ähnliches). Mit der Einsetzung des Provisorischen Rates (Tymczsowa Rada; TR) der Solidarność entstand ab September 1986 eine gewisse Doppelherrschaft, die erst am 25. September 1987 beendet wurde, als an die Stelle beider Gremien der Landesexekutivausschuss (Krajowa Komisja Wykonawcza; KKW) trat.

Bartosz Kaliski, Jan Skórzyński

Prozess der Vier

Einer der berühmtesten politischen Prozesse in der Zeit von den 60er bis zu den 80er Jahren in der UdSSR. Er fand vom 8. bis 12. Januar 1968 im Moskauer Stadtgericht statt. Juri Galanskow, Alexander Ginsburg, Alexei Dobrowolski und Wera Laschkowa, die ein Jahr zuvor verhaftet worden waren, wurden nach Artikel 70 Strafgesetzbuch der RSFSR wegen „antisowjetischer Agitation und Propaganda“ angeklagt. Der Hauptanklagepunkt gegen Alexander Ginsburg lautete, dass er das „Weißbuch“ (Belaja kniga), eine Dokumentation des Prozesses gegen Andrei Sinjawski und Juli Daniel zusammengestellt und im Westen veröffentlicht hatte. Juri Galanskow wurde angeklagt, Alexander Ginsburg bei der Verfassung des „Weißbuches“ geholfen und die zweite Ausgabe der Anthologie „Feniks“ herausgegeben zu haben. Alexei Dobrowolski beschuldigte man, einen Text in diesem Almanach veröffentlicht zu haben. Wera Laschkowa wurde angeklagt, weil sie die Schreibmaschinenfassungen der genannten Publikationen angefertigt hatte. Außerdem wurden die Angeklagten beschuldigt, „kriminelle Kontakte“ zur Exilorganisation des Volksarbeitsbundes der russischen Solidaristen gepflegt zu haben. Alle Angeklagten wurden für schuldig befunden: Juri Galanskow wurde zu sieben Jahren Lagerhaft, Alexander Ginsburg zu fünf Jahren, Alexei Dobrowolski zu zwei und Wera Laschkowa zu einem Jahr Lagerhaft verurteilt.

Der „Prozess der Vier“ löste eine Welle von Protesten aus, die mit der Demonstration auf dem Puschkin-Platz in Moskau am 22. Januar 1967 kurz nach der Verhaftung von Juri Galanskow, Alexei Dobrowolski und Wera Laschkowa und einen Tag vor der Verhaftung von Alexander Ginsburg begann. 1967/68 erfolgte der Protest in Form einer Briefkampagne, in der gegen politische Verfolgungen protestiert wurde. Diese Protestwelle war wesentlich mächtiger als die Petitionskampagne von 1965/66 zur Verteidigung von Andrei Sinjawski und Juli Daniel. Zur Verteidigung von Alexander Ginsburg und Juri Galanskow wurden Dutzende individuelle und kollektive Briefe eingereicht und für diese jeweils 700 bis 1.000 Unterschriften gesammelt. Einige dieser Briefe waren Schlüsseltexte des frühen Samisdat, die den Charakter und die Themenwahl der entstehenden Menschenrechtsbewegung bestimmten: der Appell an die Weltöffentlichkeit von Larissa Bogoraz-Bruchman und Pawel Litwinow, der Appell an die Wissenschaftler und Kultur- und Kunstschaffenden von Pjotr Jakir, Juli Kim und Ilja Gabaj sowie der Brief an das Präsidium des Beratungstreffens der kommunistischen und Arbeiterparteien in Budapest.

Im Verlauf der Kampagne führte die Idee, die Menschenrechte zu verteidigen, zur Konsolidierung der Dissidentenbewegung in Moskau und anderen großen Städten der Sowjetunion. Die Dokumentation des Prozesses der Vier sowie der begleitenden Protestkampagne erstellte Pawel Litwinow mit Hilfe von Andrei Amalrik: „Der Prozess der Vier. Eine Sammlung von Dokumenten über den Gerichtsprozess an A. Ginsburg, J. Galanskow, A. Dobrowolski und W. Laschkowa“, Frankfurt am Main 1968 (Process četyrëch. Sbornik dokumentov po sudie nad A. Ginsburgom, J. Galanskovym, A. Dobrovolskim, V. Laškovoj).

Prozess der Wiedergeburt

Unter dem sogenannten Prozess der Wiedergeburt versteht man Maßnahmen der bulgarischen Machthaber zur nationalen Homogenisierung der Volksgruppen. Die Maßnahmen richteten sich insbesondere gegen die türkische Bevölkerung Bulgariens, die etwa zehn Prozent der Gesamtbevölkerung stellt und vor allem den südlichen und nordöstlichen Teil des Landes bewohnt. Der „Prozess der Wiedergeburt“ beschränkte sich nicht allein auf den Zwang zur Änderung türkischer Vor- und Familiennamen (sogar von bereits verstorbenen Menschen). Es wurden auch türkische Schulen und Moscheen geschlossen, muslimische Bestattungen und die Ausbildung muslimischer Geistlicher verboten. Anfang 1985 wurden türkischsprachige Rundfunksendungen und Zeitungsbeilagen abgeschafft.

Diese brutalen Maßnahmen führten zu erbittertem Widerstand der Bevölkerung, der auch Todesopfer forderte. Der erste Versuch einer Zwangsbulgarisierung fand 1964 in dem Dorf Ribnowo statt. 1971 folgten die Ortschaften Korniza und Bresniza. Dabei kamen zwei Menschen ums Leben, es gab 50 Verletzte, 500 Personen wurden in das Lager auf der Insel Belene deportiert. Ihren Höhepunkt erreichte die Aktion in den Jahren 1984/85, als insgesamt 814.000 bulgarische Türken zur Änderung ihrer Vor- und Familiennamen gezwungen wurden. Binnen weniger Monate zwang man mehr als eine halbe Million bulgarischer Bürger türkischer Abstammung zum Verlassen des Landes, 5.000 wurden im Lager Belene inhaftiert. Das Recht, türkische Vor- und Familiennamen zu führen sowie die türkische Sprache zu lernen, wurde am 29. Dezember 1989 wiederhergestellt. In den 90er Jahren kehrte ein Teil der vertriebenen Türken nach Bulgarien zurück.

Prozess der Zehn

Gegen Aktivisten der krimtatarischen Bewegung, die sich für eine Rückkehr auf die Krim eingesetzt hatten, fand vom 1. Juli bis 5. August 1969 der sogenannte Taschkenter Prozess statt. Die Angeklagten, (darunter Rollan Kadyjew und Ismail Jasydschijew) bekannten sich zu ihrer Mitgliedschaft in der krimtatarischen Bewegung, wiesen den Vorwurf krimineller Aktivitäten jedoch kategorisch zurück.

Prozess gegen Andrei Sinjawski und Juli Daniel

Prozess gegen den Literaten Andrei Sinjawski und den Dichter und Übersetzer Juli Daniel, die über mehrere Jahre unter den Synonymen „Abram Terz“ und „Nikolai Arschak“ ihre literarischen Arbeiten im Westen veröffentlicht hatten. Beide wurden im September 1965 verhaftet und wegen sogenannter „antisowjetischer Agitation und Propaganda“ angeklagt. In der sowjetischen Presse begann eine Hetzkampagne gegen sie. Im Februar 1966 verurteilt das Oberste Gericht der RSFSR Andrei Sinjawski zu sieben und Juli Daniel zu fünf Jahren Lagerhaft.

Im Verlauf des Untersuchungsverfahrens und während des Prozesses entstand eine Welle starker gesellschaftlicher Proteste sowohl innerhalb der Sowjetunion als auch im Ausland. Individuell und kollektiv verfasste Appelle an offizielle Stellen, in denen die Angeklagten verteidigt wurden, waren die ersten öffentlichen Proteste gegen politische Verfolgungen seit Jahrzehnten. Durch ihre Verbreitung im Samisdat und in westlichen Radiostationen erhielten sie die Relevanz öffentlicher Stellungnahmen. Am 5. Dezember 1965 fand auf dem Puschkin-Platz in Moskau die Glasnost-Kundgebung statt, auf der gefordert wurde, dass der Gerichtsprozess öffentlich stattfinden solle. Alexander Ginsburg erstellte eine Dokumentation des Verfahrens gegen Andrei Sinjawski und Juli Daniel, die 1967 im Westen unter dem Titel „Weißbuch“ (Belaja kniga) erschien.

Der Prozess war das erste Glied einer Kette von Ereignissen, die zur Vereinigung einzelner Gruppen und dissidentischer Milieus durch die Menschenrechtsfrage sowie zur Herausbildung einer sozialen Bewegung in der Sowjetunion führte, die für die Durchsetzung von Menschenrechten kämpfte.

Prozess gegen Jakir und Krassin

Einer der berühmtesten politischen Prozesse der 70er Jahre fand im Sommer 1973 statt. Pjotr Jakir und Wiktor Krassin, zwei bekannte Dissidenten und Mitglieder der Initiativgruppe zur Verteidigung der Menschenrechte in der UdSSR, waren ein Jahr zuvor in Moskau unter dem Vorwurf „antisowjetischer Agitation und Propaganda“ festgenommen worden. Im Untersuchungsverfahren legten sie umfangreiche Geständnisse ab, unter anderem sagten sie über anonyme Mitglieder der Menschenrechtsbewegung aus und legten die Wege offen, auf denen Samisdat-Literatur in den Westen gelangte. Oppositionellen Aktivisten empfahlen sie eine „ehrenvolle Kapitulation“. Mutmaßlich entgegen behördlicher Zusicherungen wurden ihre Aussagen als Grundlage für zahlreiche Durchsuchungen und Verhöre herangezogen und spielten auch bei den Verhaftungen der Jahre 1972 und 1973 eine Rolle. Zudem erreichte der KGB durch Erpressung die Einstellung der *Chronik der laufenden Ereignisse. Während der Verhandlung vom 27. August bis zum 1. September 1973 in Moskau und auf einer im Fernsehen übertragenen Pressekonferenz bekannten die Angeklagten sich schuldig und bedauerten ihre „antistaatliche Tätigkeit, die durch ausländische Geheimdienste gelenkt und finanziert“ worden sei. Die Haftstrafen fielen relativ milde aus und wurden kurze Zeit später in eine dreijährige Verbannung umgewandelt. Jakir wurde nach Rjasan und Krassin nach Kalinin (heute: Twer) verbannt. Beide konnten ihren Verbannungsort vorzeitig verlassen.
Noch Anfang der 70er Jahre genossen Jakir und Krassin in kritischen Intellektuellenkreisen großes Ansehen. Ihr Verhalten während des Untersuchungsverfahrens und des Prozesses sowie ihre öffentliche Reuebekundung riefen jedoch große Irritationen hervor und schmälerten die Unterstützung für oppositionelle Initiativen. Der Vertrauenskrise versuchte die Menschenrechtsbewegung mit mehr bürgerschaftlicher Verantwortung und stärkerer Professionalisierung zu begegnen. Unmittelbar nach dem Prozess dementierte die Initiativgruppe zur Verteidigung der Menschenrechte die Behauptung von Jakir und Krassin über Kontakte von Dissidenten zu ausländischen Geheimdiensten. Dem KGB warf sie vor, von den Angeklagten falsche Geständnisse erzwungen zu haben. Im Mai 1974 wurde die Herausgabe der *Chronik der laufenden Ereignisse wiederaufgenommen. Mit der Gründung der Moskauer Helsinki-Gruppe im Mai 1976 war die Krise der Dissidentenbewegung weitgehend überwunden.

Psychiatrische Spezialklinik Dnipropetrowsk

Eines von mehreren Psychiatrischen Krankenhäusern besonderen Typs war die 1968 eröffnete Psychiatrische Spezialklinik Dnipropetrowsk. Bis Ende der 70er Jahre wurden über vierzig Oppositionelle aus verschiedenen Sowjetrepubliken per Gerichtsbeschluss als Patienten in die Klinik eingewiesen. Mitte der 70er Jahre wurde das Krankenhaus durch eine internationale Kampagne gegen die missbräuchliche psychiatrische Zwangshospitalisierung von Leonid Pljuschtsch weltweit bekannt.

Psychiatrisches Krankenhaus allgemeinen Typs

Im Unterschied zu Psychiatrischen Krankenhäusern besonderen Typs waren Psychiatrische Krankenhäuser allgemeinen Typs (psichiatričeskaja bolnica obščego tipa) dem Gesundheitsministerium unterstellt. Hier wurden verurteilte gewöhnliche Verbrecher, die als unzurechnungsfähig galten, eingewiesen. Personen, die sich politischer Vergehen schuldig gemacht hatten, was aus behördlicher Sicht weit schwerere Verbrechen waren, gelangten nur sehr selten hierher. In der Dissidentenliteratur wird die Einweisung in eine allgemeine Psychiatrie nur hin und wieder oder nur ganz allgemein thematisiert. Zum Beispiel dann, wenn sie nicht als Folge einer Gerichtsentscheidung, sondern direkt auf Grundlage einer sogenannten „Instruktion über die sofortige Hospitalisierung psychisch erkrankter Personen“ erfolgt war.

Psychiatrisches Krankenhaus besonderen Typs

Medizinische Einrichtung des Strafvollzugsystems, die in der Sowjetunion für die Verwahrung von Personen diente, die sich schwere Verbrechen zu Schulden kommen gelassen haben. Diese wurden oftmals durch ein psychiatrisches Gerichtsgutachten, das in der Regel am Serbski-Institut angefertigt wurde, für unzurechnungsfähig erklärt. Psychiatrische Krankenhäuser besonderen Typs (psichiatričeskie bolnicy obščego tipa) waren von 1939 bis 1989 Teil des Systems von Staatssicherheit und Innenministerium. Die inneren Abläufe ähnelten denen von Gefängnissen. Sie wurden in der Stalinzeit gelegentlich und ab Mitte der 60er Jahre systematisch für die Isolierung von Andersdenkenden eingesetzt. Die bekanntesten Psychiatrien besonderen Typs befanden sich in Kasan, Leningrad (heute: St. Petersburg), Tschernjachowsk, Orjol und Dnipropetrowsk (Dnepropetrowsk, heute: Dnipro). Dort waren Wladimir Bukowski, Pjotr Grigorenko, Leonid Pljuschtsch und Wiktor Fajnberg inhaftiert. Ihre Zeugnisse – Tagebücher und Briefe – die oft im Rahmen der „Behandlung“ entstanden waren, spielten eine wichtige Rolle bei der Aufdeckung zwangspsychiatrischer Praktiken gegen politische Gegner in der Sowjetunion.

Die Hilfe für Insassen dieser Spezialpsychiatrien und die Verteidigung ihrer Rechte zählten zu den wichtigsten Aufgaben der Arbeitskommission zur Erforschung des Einsatzes der Psychiatrie zu politischen Zwecken (Rabočaja komissija po rassledovaniju ispol'zowanija psichiatrii w političeskich celach). Die Unterbringungsbedingungen der Häftlinge gerieten auch in den Fokus des Interesses der internationalen Fachgemeinschaft der Psychiater. Während der Perestroika wurden die meisten Häftlinge der Spezialpsychiatrien entlassen. Allein die Existenz derartiger Einrichtungen erweckte gesellschaftliche Kritik, worauf sie 1989 unter die Verwaltung des sowjetischen Gesundheitsministeriums gestellt wurden.