Verhandlungen zwischen der kommunistischen Staatsführung und der Solidarność, in denen es um die Wiederzulassung der Solidarność und um Systemreformen ging. Die eigentlichen Gespräche am Runden Tisch fanden vom 6. Februar bis zum 5. April 1989 in Warschau statt, ihnen gingen jedoch Vorverhandlungen voraus, die – mit Unterbrechungen – zum Teil schon seit August 1988 geführt worden waren. Seitens der Opposition waren die Verhandlungsführer vor allem Lech Wałęsa, Tadeusz Mazowiecki und Andrzej Stelmachowski, seitens der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei Innenminister Czesław Kiszczak und sein Sekretär Stanisław Ciosek. Angesichts des schwindenden Rückhalts in der Gesellschaft und der sich verschärfenden Wirtschaftskrise suchte die Regierungsseite im oppositionellen Lager Unterstützung für unausweichliche Wirtschaftsreformen. Die Solidarność ihrerseits nutzte dies, um ihre Wiederzulassung und die Demokratisierung der Volksrepublik zu fordern.
Die Zustimmung des ZK der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei zur Wiederzulassung der Solidarność im Januar 1989 eröffnete den Weg zu Gesprächen über die Bedingungen für eine Teilnahme der Opposition an Parlamentswahlen und ihre Vertretung im künftigen Parlament (Sejm), über Reformen der Gesellschaftsordnung und über die Prinzipien der Machtausübung durch die Kommunisten. An den Plenarsitzungen des Runden Tisches nahmen 56 Personen teil, darunter zwei Vertreter der katholischen Kirche. Die Gespräche fanden in drei Arbeitsgruppen statt: 1. Gewerkschaftlicher Pluralismus unter Leitung von Tadeusz Mazowiecki und Aleksander Kwaśniewski, 2. Politische Reformen unter Leitung von Bronisław Geremek und Janusz Reykowski, 3. Wirtschafts- und Sozialpolitik unter Leitung von Witold Trzeciakowski und Władysław Baka. Hinzu kamen einige untergeordnete Arbeitsgruppen. Die endgültigen Entscheidungen trafen auf den jeweiligen Seiten Lech Wałęsa und Wojciech Jaruzelski. Besonders umstrittene Fragen wurden in vertraulichen Gesprächen im Gästehaus der polnischen Regierung in Magdalenka bei Warschau entschieden. Auf Solidarność-Seite nahmen außerdem Zbigniew Bujak, Władysław Frasyniuk, Lech Kaczyński, Jacek Kuroń und Adam Michnik aktiv an den Gesprächen teil.
Die letztendlich unterzeichneten Vereinbarungen am Runden Tisch bezeichnete Lech Wałęsa als „das absolute Minimum auf dem Weg zu demokratischen Veränderungen“. Vereinbart wurden die Wiederzulassung der Solidarność in der Form, in der sie bis zum Kriegsrecht ab 13. Dezember 1981 existiert hatte, die Zulassung der Solidarność der Einzelbauern, des Unabhängigen Studentenverbandes sowie die Vereinigungsfreiheit. Im Gegenzug stimmte die Opposition sogenannten „nichtkonfrontativen“ Wahlen zum Sejm zu, bei denen 65 % der Mandate der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei und ihren Verbündeten zustanden und die Opposition ihre Kandidaten nur für die restlichen 35 % der Mandate aufstellen durfte, die frei gewählt werden sollten. Die Wahlen zum neu geschaffenen Oberhaus des Parlaments (Senat) sollten vollkommen frei stattfinden. Die Abmachungen betrafen nur die kommenden Wahlen, der nächste Urnengang sollte völlig frei sein.
Neu geschaffen wurde das Amt des Staatspräsidenten mit umfassenden Kompetenzen, der gestützt auf die Parlamentsmehrheit ein Garant für den Machterhalt der Kommunisten sein sollte. Die Solidarność erhielt Zugang zum Rundfunk und zum Fernsehen und durfte fortan legal eine Tages- und eine Wochenzeitung herausgeben.
Die Vereinbarungen am Runden Tisch wurden von radikalen Vertretern der Opposition kritisiert. Dennoch bahnten sie den Weg zur Entmachtung der Kommunisten, obwohl dies keineswegs in den Vereinbarungen vorgesehen war. Die Solidarność gewann die besagten „nichtkonfrontativen“ – halbfreien – Wahlen haushoch. Erster nichtkommunistischer Ministerpräsident des Ostblocks wurde Tadeusz Mazowiecki. Das Tor zur Transformation des Landes in Richtung Demokratie und freier Markwirtschaft war aufgestoßen.
Jan Skórzyński