Glossar

„Veče“

Unabhängige gesellschaftspolitische Zeitschrift mit einem patriotischen, christlich-orthodoxen Profil, die in der Sowjetunion zwischen 1971 und 1974 herausgegeben wurde. „Veče“ (Volksversammlung) erschien in zehn auf der Schreibmaschine vervielfältigten Ausgaben mit je rund 300 Seiten. Gründer und Redakteur der ersten neun Ausgaben war Wladimir Ossipow, Redakteur der zehnten Nummer war Iwan Owtschinnikow. Die Zeitschrift wurde offen herausgegeben und der Name und die Adresse des Herausgebers waren auf der Umschlagseite angegeben. Zu den ständigen Autoren zählten unter anderen Dmitri Dudko, Gennadi Schymanow und Leonid Borodin.

„Veče“ druckte Artikel, historische Essays, Prosa und Literaturkritik. Die programmatische Zielsetzung der Zeitschrift fasste der redaktionelle Beitrag „Kampf mit der sogenannten Russophilie oder Weg zur Selbstzerstörung des Staates“ (Bor‘ba s tak nazyvajemym rusofilstvom ili put‘ gosudarstvennogo samoubijstva) zusammen, der als Reaktion auf einen Artikel des ZK-Mitglieds und späteren Architekten der Perestroika, Alexander Jakowlew in der „Literaturnaja Gazeta“ vom 15.11.1972 entstanden war. Darin wurde die neoslawophile Strömung in Literatur und sowjetischer Publizistik kritisiert. Eine Textsammlung verschiedener Ausgaben druckte der Exilverlag Posev nach.

Verfassung von 1974

Die Verfassung von 1974 war das letzte und mit 406 Artikeln auch längste Grundgesetz Jugoslawiens. Lange Zeit war sie die umfangreichste Verfassung weltweit. Sie bildete den Abschluss des Dezentralisierungsprozesses des Landes und die Grundlage des weiteren Zusammenlebens der Völker Jugoslawiens. Tatsächlich war sie zugleich der Anfang vom Ende der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (SFRJ). In den grundlegenden Bestimmungen zur föderativen Gestalt des Landes waren bereits 1971 beschlossene Änderungen der Vorgängerverfassung enthalten, die drei Jahre später bestätigt wurden. Die einzelnen Teilrepubliken (und faktisch auch die ihnen gleichgestellten autonomen Provinzen Kosovo und Vojvodina) wurden in der Verfassung als „Staaten“ definiert – mit dem dazugehörigen Prinzip der Souveränität und den daraus abgeleiteten Kompetenzen. Eingeführt wurde auch ein breitverstandenes Konsensprinzip als grundlegende Verfahrensweise bei der Entscheidungsfindung auf Föderationsebene. Sämtliche Föderationsorgane wurden gemäß der Verfassung von 1974 mittels Delegierung (und nicht per Wahl) besetzt, die über die Machtorgane auf lokaler und teilrepublikanischer Ebene erfolgte. Ein weiteres Prinzip war die paritätische Vertretung der Teilrepubliken in den jugoslawischen Föderationsorganen. Letztendlich blieb die kommunistische Partei die einzige landesweite Struktur, die die eigenständigen politischen Systeme der Teilrepubliken formal zusammenhielt. Als Mitte der 80er Jahre die Koordinierungsmechanismen der Parteiebene nicht mehr funktionierten, da in den Parteiführungen der einzelnen Teilrepubliken nationale Interessen in den Vordergrund rückten, erwies sich die Verfassung als ungeeignetes Instrument, die Zusammenarbeit zwischen den zerstrittenen Akteuren zu garantieren und trug auf diese Weise zum Zerfall des Staates bei.

„Verstand schafft Leiden. Porträts von zwanzig ‚Kriminellen‘“

Erste jenseits der Zensur herausgegebene ukrainische Sammlung von Quellen, die 1967 von Wjatscheslaw Tschornowil zusammengestellt wurde. Sie enthielt Materialien über die erste Verhaftungswelle ukrainischer Intellektueller 1965/66. Unter dem Titel „Verstand schafft Leiden. Porträts von zwanzig ‚Kriminellen‘“ (Lycho z rozumu. Portrety dvacaty „zločynciv“) fasste die Dokumentation biografische Skizzen von 20 politischen Häftlingen, ihre Gerichtsurteile, Briefe, Petitionen, literarischen Werke und Grafiken zusammen. Dem Band war außerdem eine Liste von Gefangenen des DubrawLags (Mordwinische Lager) beigefügt, die sich zwischen 1942 und 1954 am Kampf um die Unabhängigkeit der Ukraine beteiligt hatten, sowie von Ukrainern, die für ihre religiösen Überzeugungen verurteilt worden waren. Das Buch wurde in viele Sprachen übersetzt und der Autor mit einem internationalen Journalistenpreis ausgezeichnet.

Vertreter des Volkes

Für Aktivisten der krimtatarischen Bewegung, die für Gespräche mit den zentralen Partei- und Staatsorganen delegiert wurden, war in den „Informationen“ die Bezeichnung Vertreter des Volkes gebräuchlich und fand als solche Eingang in die Geschichtsschreibung.

„Vestnik russkogo christianskogo dviženija“

Russische Zeitschrift für religionsphilosophische, politische und literarische Themen. Der „Vestnik russkogo christianskogo dviženija“ (Bote der Russischen Christlichen Bewegung) ist die Zeitschrift der „Russischen Studentischen Christlichen Bewegung“, einer religiösen und sozialen Vereinigung, die in Westeuropa und den USA aktiv ist und 1923 unter der Leitung des internationalen CVJM (YMCA) gegründet wurde. Sie erscheint ab 1925 in Paris im Verlag YMCA-Press und trug verschiedene Titel, darunter „Bote der Russischen Studentischen Christlichen Bewegung“ (Vestnik russkogo studenčeskogo christianskogo dviženija). Unter ihrem heutigen Titel erscheint sie seit 1975.

Im „Vestnik russkogo christianskogo dviženija“ erscheinen theologische und philosophisch Aufsätze sowie Nachrichten aus dem christlich-orthodoxen Gemeindeleben im Westen. Redakteur ist seit 1955 de facto und seit 1970 auch offiziell Nikita Struwe. Durch Vermittlung von Jewgeni Barabanow erschienen ab Ende der 70er Jahre regelmäßig aus der Sowjetunion erhaltene Texte von Alexander Solschenizyn, Igor Schafarewitsch und Dmitri Dudko sowie Dokumente des Christlichen Komitees zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen in der UdSSR (Christjanskij komitet zaščity prav verujuščich v SSSR). Die Zeitschrift wurde illegal in die Sowjetunion geschmuggelt und dort als Kopien weitläufig in christlich-orthodoxen Kreisen verbreitet. Veröffentlichungen im „Vestnik“ wurden in politischen Prozessen gegen Oppositionelle als eigene Anklagepunkte eingebracht. Seit 1990 erscheint die Zeitschrift frei in Russland.

„Visnyk represij v Ukrajini“

Zwischen 1979 und 1985 gab die von Pjotr Grigorenko und Leonid Pljuschtsch gegründete Ausländische Vertretung der Ukrainischen Helsinki-Gruppe einmal im Monat den „Visnyk represij v Ukrajini“ (Bulletin der Repressionen in der Ukraine) heraus. Der „Visnyk“ erschien in New York in ukrainischer und englischer Sprache, wurde von der ukrainischen Diaspora finanziert und berichtete aktuell über politische Verfolgungen in der Ukraine. Redakteurin der Zeitschrift war Nadija Switlytschna.

Völkermord an den Armeniern

Am 24. April 1915 begann auf Befehl der jungtürkischen Regierung des Osmanischen Reiches die Vernichtung der armenischen Bevölkerung, die einen Teil der östlichen Provinzen des Landes besiedelte (Westarmenien). Armenier auf der ganzen Welt begehen dieses Datum als Gedenktag an den Völkermord. Die Vernichtung der Armenier auf dem Gebiet der heutigen Türkei wurde bis 1924 fortgesetzt. Dabei kamen hunderttausende bis über eineinhalb Millionen Menschen zu Tode und ebenso viele flüchteten. Ab 1919 kämpften die Armenier um die Anerkennung dieses Verbrechens durch die Weltöffentlichkeit als Völkermord und verlangten materielle und territoriale Kompensation. In poststalinischer Zeit wurde das Thema in Armenien in programmatischen Texten armenischer Untergrundgruppen, in der oppositionellen Publizistik und in Flugblättern aufgegriffen.

„Vokno“

Tschechoslowakische Samisdatzeitschrift, die seit 1979 von František Stárek (unter dem Pseudonym „Čuňas“) mit einem Kreis von Helfern herausgegeben wurde. „Vokno“ (Fenster) wurde als „Zeitschrift für eine andere und alternative Kultur“ (Časopis po druhou a jinou kulturu) gegründet, um das staatliche Informationsmonopol zu durchbrechen, unter dem vor allem die junge Generation litt. Die Zeitschrift befasste sich vorwiegend mit abseitigen und nichtkonformistischen Kulturereignissen in Literatur und Bildender Kunst. Autoren waren unter anderem Ivan M. Jirous (Pseudonym: „Magor“) und Egon Bondy (eigentlich Zbyněk Fišer). „Vokno“ erschien in einer Auflage von mehreren hundert Exemplaren zumeist dreimal jährlich. Bis zur ihrer Einstellung 1995 erschienen rund 300 Ausgaben der Zeitschrift, die im Laufe der Zeit zu einer der wichtigsten tschechoslowakischen Samisdatpublikationen wurde.

Für Herausgabe und Vertrieb der Zeitschrift kamen mehrere Personen ins Gefängnis. František Stárek musste sich mehrere Male vor Gericht verantworten. 1989 wurde er in einer vom Innenministerium vorbereiteten Fernsehsendung als Krimineller verunglimpft. Die Redaktion von „Vokno“ gab in der zweiten Hälfte der 80er Jahre auch die Zeitschrift „Voknoviny“ (in etwa „Fenster-Nachrichten“) heraus und war am „Originální videojournal“ beteiligt. Letzteres veröffentlichte Informationen zu den gesellschaftspolitischen und kulturellen Aktivitäten der Opposition.

„Volja i bat’kivščyna“

Die ukrainische Untergrundzeitschrift „Volja i bat’kivščyna“ (Freiheit und Vaterland) wurde von Oktober 1964 bis Juni 1966 von der Ukrainischen Nationalen Front in Lwiw herausgegeben. Es erschienen 16 schreibmaschinengeschriebene Nummern in einer Auflage von zwölf Stück. Dmytro Kwezko war Gründer der Zeitschrift und Autor der meisten Artikel, die er gemeinsam mit Senowij Krassiwskyj redigierte. Die Zeitschrift veröffentlichte programmatische Positionen der Ukrainischen Nationalen Front, Artikel zur historischen Bildung, Analysen zur Situation der Ukraine in der Sowjetunion und über ihre nationalen, gesellschaftlichen und ökonomischen Probleme. Seit 1995 erscheint in der Ukraine eine Zeitschrift mit dem gleichen Titel, unter anderem mit Nachdrucken der Ausgaben 1964–66.

Volksarbeitsbund der russischen Solidaristen

Russische politische Exilpartei, die 1930 gegründet wurde und mehrfach ihren Namen gewechselt hat. Den gegenwärtigen Namen trägt sie seit 1948. In den 30er Jahren wurde sie als Jugendorganisation einer Militärorganisation „weißer“ Emigranten – der „Union aller Russischen Militärverbände“ (Russkij Obšče-Voinskij Sojuz) – gegründet und stand von ihrer ideologischen Ausrichtung her radikalen rechten Diktaturen in Europa nahe. Das Programm des „Volksarbeitsbundes der russischen Solidaristen“ (Narodno-trudovoj sojuz rossijskich solidaristov) sah als letzten Ziel den Sturz des kommunistischen Regimes vor sowie die Gründung eines korporativen Staates. Während des Zweiten Weltkrieges kollaborierte ein Teil der Leitung mit den Deutschen. 1945 nahm die Partei ihre Tätigkeit in Westdeutschland wieder auf. Sie gab unter anderem die Zeitschriften „Posev“ und „Grani“ heraus und verfügte über den Verlag Posev sowie den Radiosender „Freies Russland“ (Svobodnaja Rossija), der auf das Gebiet der UdSSR ausgestrahlt wurde. Die Solidaristen verbreiteten propagandistische Literatur unter sowjetischen Matrosen und Touristen.

Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre gründeten die Solidaristen eigene Zellen in der Sowjetunion, schmuggelten ihre Publikation ins Land und knüpften Kontakte mit oppositionellen Kreisen. Einige Dissidenten wie Juri Galanskow, Rostislaw Jewdokimow und Waleri Schenderow wurden Mitglieder des „Volksarbeitsbundes“, andere wie Alexander Ginsburg, #Anatoli Lewitin-Krasnow und Wladimir Bukowski nutzten deren Kanäle, um ihre Texte in den Westen zu bringen. Die Unterstellung, Kontakte zum Volksarbeitsbund russischer Solidaristen zu besitzen, wurde vom KGB genutzt, um die Dissidentenbewegung zu diskreditieren, was zum Beispiel während des Prozesses der Vier geschah. Solche Kontakte waren Anfang der 70er Jahre Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen in Dissidentenkreisen und unter sympathisierenden Intellektuellen. Es gelang nicht, den Widerspruch zwischen dem Streben des Volksarbeitsbundes zur Konspiration und die programmatische Offenheit der Menschenrechtsbewegung zu überwinden. 1990 wurde der Volksarbeitsbund offiziell in der UdSSR zugelassen. Zwischen 1992 und 1994 zogen die Partei und die Redaktion der Zeitschrift von Frankfurt am Main nach Moskau um.

Volksbewegung der Ukraine

Politische und gesellschaftliche Massenbewegung, die 1989 als „Volksbewegung der Ukraine für die Umgestaltung“ (Narodnyj Ruch Ukrajiny za perebudovu) entstanden ist. Sie wurde 1990 zu einer einflussreichen politischen Kraft, die eine Schlüsselrolle bei der Verabschiedung der „Erklärung über die staatliche Souveränität der Ukraine“ vom 16. Juli 1990 spielte. Zum Vorsitzenden der Volksbewegung der Ukraine (Narodnyj Ruch Ukrajiny) wurde der Dichter Iwan Dratsch gewählt und ihr Sekretariat leitete Mychajlo Horyn. 1999 teilte sich die Volksbewegung der Ukraine in zwei Organisationen, deren Einfluss heute jedoch gering ist.

Vorfall mit einem französischen Lastwagen

Ende April 1981 stoppte die tschechoslowakische Staatssicherheit an der Grenze zur Bundesrepublik Deutschland einen französischen Lastwagen, der ausländische Zeitschriften und Literatur für tschechoslowakische Bürgerrechtler transportierte. Dabei wurde auch ein Verzeichnis tschechoslowakischer Dissidentennamen gefunden, woraufhin zwischen dem 6. und 12. Mai 1981 rund 50 Dissidenten verhaftet wurden. 15 wurden angeklagt, staatsfeindliche Aktivitäten zu betreiben. Die Behörden verhörten in diesem Zusammenhang insgesamt etwa 150 Personen. Ende März 1982 saßen Jiří Ruml, Milan Šimečka und Ján Mlynárik noch immer im Gefängnis. Auf Druck der internationalen Öffentlichkeit und westlicher Politiker (unter anderem von Amnesty International, dem österreichischen Bundeskanzler Bruno Kreisky und dem deutschen Bundeskanzler Helmut Schmidt) wurden sie bis Ende Mai 1982 aus der Haft entlassen. Zu einem Gerichtsprozess gegen sie kam es nicht mehr.

„Vytis“

Herausgeberin der Untergrundzeitschrift „Vytis“ (Verfolger; zudem Bezeichnung des litauischen Wappens) war die Litauische Freiheitsliga. Publiziert wurden Erklärungen ihrer Mitglieder, Schreiben an führende Politiker der Sowjetunion und westlicher Länder sowie politische Appelle und Proteste gegen nationale Unterdrückung und Menschenrechtsverletzungen.