Vom Staat unabhängige, gewerkschaftliche Massenbewegung, die im September 1980 im Ergebnis der Auguststreiks und der Danziger Vereinbarung zwischen den Streikenden und der polnischen Regierung entstanden war. In der Unabhängigen Selbstverwalteten Gewerkschaft „Solidarność“ (Niezależny Samorządny Związek Zawodowy „Solidarność“) waren die Arbeiter und Angestellten nicht nach der Art ihrer ausgeübten Tätigkeit, sondern nach dem Territorialprinzip organisiert (Gliederung in Regionen). Schon in den ersten Monaten wurden Millionen von Menschen Mitglieder der Gewerkschaft (9,5 Millionen im Jahre 1981).
Leitendes Gremium der Solidarność war in der legalen Phase ihres Wirkens die Landesverständigungskommission (Krajowa Komisja Porozumiewawcza), ab Oktober 1981 unter dem Namen Landeskommission (Komisja Krajowa). Darin saßen Vertreterinnen und Vertreter aus allen 37 Regionen. Vorsitzender der Komission war Lech Wałęsa. Mitte 1981 fanden demokratische Wahlen zu den Regionalleitungen statt, zugleich wurden die Delegierten für den Ersten Landeskongress der Solidarność gewählt, der im September und Oktober 1981 18 Tage lang tagte. Gewählt wurden auf dem Kongress die Landeskommission und der Vorsitzende der Gewerkschaft (erneut Lech Wałęsa). Der Kongress verabschiedete außerdem ein sozial-ökonomisches Programm sowie die „Botschaft an die arbeitenden Menschen Osteuropas“ als Ausdruck der Solidarität mit all jenen, die sich in den anderen kommunistischen Ländern für freie Gewerkschaften einsetzten.
Die Solidarność war weit mehr als eine bloße Gewerkschaft. Sie war eine das gesamte Land erfassende Bewegung, in der sich das Streben der Polen nach Demokratie und Freiheit ausdrückte. In der Solidarność wurde nationale und christliche Symbolik mit dem – gewaltfreien – Kampf um Arbeitnehmer- und Bürgerrechte verknüpft. Die Bewegung sah sich in der Tradition antikommunistischer Arbeiterproteste, was in den Denkmälern für den Posener Aufstand vom Juni 1956 und den Danziger Dezember 1970 seinen Ausdruck fand. In der Gewerkschaft bildete sich eine eigene politische Kultur heraus, die sich diametral von jener in der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei unterschied. Dadurch verblassten die Trennungslinien zwischen Arbeiterschaft und Intelligenz, zwischen körperlicher und geistiger Arbeit.
Eine zentrale Rolle für Gründung und Wirken der Gewerkschaft spielten junge, engagierte Frauen und Männer aus großen Betrieben und innerhalb der entstehenden Solidarność-Stukturen: Zbigniew Bujak, Władysław Frasyniuk, Henryka Krzywonos, Ewa Kulik, Andrzej Gwiazda, Marian Jurczyk, Karol Modzelewski, Alina Pienkowska, Andrzej Rozpłochowski, Jan Rulewski, Andrzej Słowik, Grażyna Staniszewska, Anna Walentynowicz und Lech Wałęsa.
Immens wichtig waren Immens wichtig waren oppositionelle Intellektuelle wie Bronisław Geremek, Lech Kaczyński, Jacek Kuroń, Tadeusz Mazowiecki, Adam Michnik und Jan Olszewski, die der Gewerkschaft beratend zur Seite standen. Wichtigstes Publikationsorgan der Gewerkschaft war der in hoher Auflage erscheinende „Tygodnik Solidarność“ (Redaktion: Tadeusz Mazowiecki), der über den staatlichen Vertrieb ausgeliefert wurde, jedoch der Zensur unterlag. Die Gewerkschaft gab aber auch eine Reihe von Regional- und Betriebszeitschriften heraus, die von der Zensur unabhängig waren. Eine Präsenz der Solidarność in Radio und Fernsehen verhinderte die Staatsführung dagegen.
Nach Ausrufung des Kriegsrechts im Dezember 1981 wurde der Provisorische Koordinierungsausschuss der Solidarność zum Leitungsgremium. Ihn bildeten die in den Untergrund abgetauchten Gewerkschaftsführer der vier Regionen Danzig, Masowien, Niederschlesien und Kleinpolen. Der Provisorische Koordinierungsausschuss erhob nicht den Anspruch, die Kontrolle über die gesamte Widerstandsbewegung zu übernehmen, er agierte nach dem Konzept einer „Untergrundgesellschaft“, die sich aus Gewerkschaftsstrukturen, aber darüber hinaus auch aus einem Netz unabhängiger Interessengruppen konstituierte. Der Staatssicherheit gelang es 1986, sämtliche Mitglieder des ursprünglichen Koordinierungsausschusses festzunehmen; es rückten jedoch schon bald andere Vertreter nach. Der Koordinierungsausschuss bestand bis 1987.
Koordinierendes Gremium für die Untergrundarbeit der Solidarność in der Hauptstadtregion Masowien war der 1982 gegründete Regionale Exekutivausschuss Masowien der *Solidarność, an dessen Spitze Zbigniew Bujak stand. Ab 1982 war in dieser Region „Radio Solidarność“ auf Sendung, auch belegte die Region eine Spitzenposition, was den Vertrieb von Untergrundpresse und illegalen Büchern anbelangte. Informelles Presseorgan des Regionalen Exekutivausschusses Masowien war die Wochenzeitung „Tygodnik Mazowsze“.
Zu den wichtigsten Zentren gewerkschaftlicher Untergrundarbeit gehörte Niederschlesien. Das dortige „Regionale Streikkomitee“ (Regionalny Komitet Strajkowy) in Breslau wurde zunächst von Władysław Frasyniuk angeführt, nach dessen Verhaftung im Oktober 1982 von Piotr Bednarz, Józef Pinior, Marek Muszyński und Eugeniusz Szumiejko. Józef Pinior, Mitarbeiter der Polnischen Nationalbank, war es eine Woche vor Verhängung des Kriegsrechts gelungen, von einem Bankkonto der niederschlesischen Solidarność 80 Millionen Złoty abzuheben und in Sicherheit zu bringen. Mit dem bei Erzbischof Henryk Gulbinowicz deponierten Geld wurde die konspirative Gewerkschaftsarbeit in der Region finanziert. Informationsorgan des Regionalen Streikkomitees war das illegale Blatt „Z dnia na dzień“, für das Kornel Morawiecki verantwortlich zeichnete und das bereits ab dem 14. Dezember 1981 in einer Auflage von mehreren zehntausend Exemplaren erschien.
In der Region Danzig war es der „Regionale Koordinierungsausschuss“ (Regionalna Komisja Koordynacyjna), der die Untergrundarbeit leitete. Vorsitzender war Bogdan Borusewicz, beteiligt waren außerdem Bogdan Lis und Aleksander Hall. Publikationsorgan war die Zeitschrift „Solidarność“ (Redaktion: Mariusz Wilk, Maciej Łopiński und Marian Terlecki), ab 1984 mit einer Auflage von 20.000 Exemplaren. Auch in der Danziger Region gab es einen illegalen Radiosender. Nach der Verhaftung von Bogdan Borusewicz im Januar 1986 übernahmen Lech Kaczyński und Krzysztof Dowgiałło die Führung des Regionalen Koordinierungsausschusses.
Die Konspiration ermöglichte es der Gewerkschaft, die mit dem Kriegsrecht verbundenen Repressionen zu überstehen, dennoch suchten die Gewerkschaftsführer unablässig nach Wegen zur Legalität. Nach der Freilassung nahezu aller politischen Gefangenen berief Lech Wałęsa im September 1986 den Provisorischen Rat (Tymczsowa Rada) der Solidarność ein. Im Oktober 1987 trat an Stelle des Provisorischen Rates und des Provisorischen Koordinierungsausschusses mit dem nunmehr öffentlich agierenden Landesexekutivausschuss eine einheitliche Gewerkschaftsführung, an deren Spitze abermals Lech Wałęsa stand. Die Einsetzung dieses Landesexekutivausschusses führte jedoch zu Protesten bei einem Teil der Mitglieder des Landesausschusses aus der Zeit vor dem Kriegsrecht. Die radikalen Gegner der gemäßigten Linie Lech Wałęsas und des neuen Landesexekutivausschusses bildeten die „Arbeitsgruppe Landesausschuss“ (Grupa Robocza Komisji Krajowej) und rebellierten gegen den angestrebten Kompromiss mit den Kommunisten (darunter waren Andrzej Gwiazda, Marian Jurczyk und Jan Rulewski).
Nach zwei Streikwellen im Mai und im August 1988, die unter dem Motto „Keine Freiheit ohne Solidarität“ (Nie ma wolności bez Solidarności) stattfanden, erklärte sich die Staatsführung zu Verhandlungen mit der Gewerkschaft bereit. Die Solidarność-Delegation wurde von Lech Wałęsa angeführt, an den Hauptberatungen im Plenum nahmen für die Opposition unter anderem auch Zbigniew Bujak, Władysław Frasyniuk, Bronisław Geremek, Aleksander Hall, Jacek Kuroń, Tadeusz Mazowiecki, Adam Michnik und als einzige Frau Grażyna Staniszewska teil. Die Gespräche am Runden Tisch (6. Februar–5. April 1989) erreichten die Wiederzulassung der Solidarność. Die politische Vertretung der Gewerkschaft – das Bürgerkomitee – sollte zudem an den halbfreien Parlamentswahlen im Juni 1989 teilnehmen. Am 17. April 1989 vollzog das Woiwodschaftsgericht Warschau die offizielle Wiederzulassung der Solidarność.
Bartosz Kaliski, Jan Skórzyński
Zeitzeugen-Interviews und weiterführende Informationen zur Geschichte der Solidarność stehen im Online-Dossier Solidarność der Bundesstiftung Aufarbeitung zur Verfügung.