Glossar

„Feniks“

Unabhängiger literarischer und essayistischer Almanach. „Feniks“ (Phönix) wurde von Juri Galanskow in Moskau herausgegeben. Die erste Ausgabe („Feniks 61“) hatteJuri Galanskow im Frühjahr 1961 unter dem Einfluss der Dichterlesungen auf dem Majakowski-Platz vorbereitet. Er präsentierte darin ausführlich die dort auftretenden Dichter. Der Band mit einem Umfang von etwa 200 Schreibmaschinenseiten wurde im Samisdat verbreitet und im Ausland vollständig von der Zeitschrift „Grani“ nachgedruckt (Nr. 52, 1962). Auslöser für die Herausgabe der zweiten Nummer („Feniks 66“) im Herbst 1966 mit einem Umfang von etwa 300 Schreibmaschinenseiten war der Prozess gegen Andrei Sinjawski und Juli Daniel. Diese Ausgabe enthielt philosophische und politische Essays sowie Prosa und Poesie. Sie zirkulierte im Samisdat und umfangreiche Auszüge daraus wurden zwischen 1967 und 1970 ebenfalls in „Grani“ gedruckt. Während des Prozesses der Vier wurden einige der Texte des „Feniks 66“ als antisowjetisch eingestuft.

Fidesz

Ungarische politische Partei, die ihren Ursprung in den studentischen Kollegs der rechts- und sozialwissenschaftlichen Fakultäten der Loránd-Eötvös-Universität Budapest hatte (zum Beispiel im István-Bibó-Kolleg). Die von Fidesz (Fiatal Demokraták Szövetsége/Bund Junger Demokraten) durchgeführten Aktionen und ihre deutliche politische Positionierung machten die Partei schnell zu einer der bedeutendsten politischen Kräfte im Land. Die kommunistische Staatsmacht war 1988/89 bereits zu schwach, um ihren Aktivitäten mit einem Verbot noch etwas entgegensetzen zu können. 1989 bildete Fidesz anlässlich des nationalen Referendums eine Koalition mit dem Bund Freier Demokraten (Szabad Demokraták Szövetsége; SZDSZ), und nach der Parlamentswahl von 1990 saßen beide Gruppierungen gemeinsam in der parlamentarischen Opposition. Nach der Parlamentswahl 1988 bildete Fidesz gemeinsam mit dem Ungarischen Demokratischen Forum (Magyar Demokrata Forum; MDF) und der Partei der Kleinlandwirte eine Koalitionsregierung. Seit 1995 nennt sich die Partei „Fidesz – Magyar Polgári Párt“ (Ungarische Bürgerpartei) und ist heute nationalkonservativ-rechtspopulistisch ausgerichtet. Ihr Parteivorsitzender Viktor Orbán war 1998–2002 und seit 2010 ungarischer Ministerpräsident.

Fidesz-Mitglieder gründeten im Jahre 1989 die erste kulturpolitische Zeitschrift „Magyar Narancs“ (Ungarische Apfelsine), die dann 1991 eine unabhängige Zeitschrift der Liberalen wurde.

Flugzeug-Prozess

Gerichtsprozess gegen die Beteiligten an einer versuchten Entführung eines sowjetischen Passagierflugzeuges, die im Dezember 1970 stattfand. Die Gruppe aus zwölf Personen – größtenteils Juden, denen die Ausreise verweigert worden war (Otkazniki) und zu der auch drei ehemalige politische Häftlinge gehörten – kaufte gemeinsam Flugscheine für einen Regionalflug. Einer der Entführer, der ehemaliger Pilot Mark Dymschitz, sollte im Verlauf der Entführung den Platz der Piloten des Flugzeuges einnehmen und das Flugzeug nach Schweden steuern. Am 15. Juni 1970 wurden alle noch vor Betreten des Flugzeugs verhaftet. Sie wurden wegen „Vaterlandsverrat, antisowjetischer Agitation und Propaganda“ sowie wegen der Beteiligung an der Planung eines „besonders gefährlichen Staatsverbrechens“ und des „Raubes von Staatseigentum von besonders großem Umfang“ (Flugzeug) angeklagt.

Eduard Kusnezow und Mark Dymschitz wurden zum Tode verurteilt, die anderen erhielten langjährige Haftstrafen. Der Prozess zog eine Welle von Protesten nach sich, woraufhin der Oberste Gerichtshof die Todesstrafe in 15 Jahre Lagerhaft abwandelte und auch die Haftstrafen der anderen abmilderte, wenn auch nur geringfügig. Der Prozess lenkte im besonderen Maße die Aufmerksamkeit der westlichen Öffentlichkeit sowohl auf das Schicksal von Sowjetbürgern als auch auf das von sowjetischen Juden, denen eine legale Ausreise von den Behörden verweigert wurde. Aus Sorge um seine internationale Reputation lockerte der Kreml daraufhin das Auswanderungsverbot deutlich, das seit den 20er Jahren in Kraft war. Die Zahl der genehmigten Ausreisen aus der UdSSR nahm – zunächst nur für Juden – deutlich zu und es begann die Dritte Welle der Auswanderung.

„Fragment“

In Bratislava (Pressburg) herausgegebene Samisdatzeitschrift, die erstmals 1987 erschien. Die Redaktion von „Fragment“ versuchte, an die Tradition der Zeitschrift „Kontakt“ anzuknüpfen. Oleg Pastier und Jiří Olič waren Redakteure, zu den ständigen Mitarbeitern gehörten František Mikloško, Ján Langoš, Ľubomír Rajt und Pavel Řezníček. Die Zeitschrift widmete sich vor allem der Literatur und Kultur und druckte Texte von tschechischen und slowakischen Autoren sowie Übersetzungen ab. 1987 erschienen drei Ausgaben, die mithilfe von Kopiergeräten vervielfältigt wurden.

Anfang 1988 fusionierte sie mit der Zeitschrift „K“, die seit 1987 in der Redaktion von Ján Budaj, Ivan Hoffman, Ján Langoš und Martin M. Šimecka in Bratislava erschien. Seitdem wurde sie unter dem Namen „Fragment K“ herausgegeben. Das Redaktionsteam bildeten Ivan Hoffman, Oleg Pastier und Martin M. Šimecka. Im Unterschied zu früher wurden nun die Namen und Adressen der Redakteure offen genannt. An den Besprechungen über Konzept, Technik und Verteilung der Zeitschrift nahmen noch weitere Persönlichkeiten teil, die sich öffentlich zur Opposition bekannten. Dazu gehörten Hana Ponická, Milan Šimečka, Miroslav Kusý, Jozef Jablonický, Dušan Míša und Marta Frišová. „Fragment K“ beschränkte sich nicht allein auf Berichte zur Kultur, sondern berichtete auch über aktuelle politische Ereignisse wie beispielsweise über das Treffen slowakischer Schriftsteller in Budmerice. Dort diskutierten die Teilnehmer über den Einmarsch von Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei, die gewaltsame Niederschlagung der Kerzendemonstration und den heimlichen Besuch Václav Havels in Bratislava.

Ab 1990 erschien „Fragment K“ frei zugänglich. Neben Oleg Pastier, Martin M. Šimečka und Ivan Hoffman gehörten nunmehr auch Jiří Olič, Miloš Žiak, Karol Chmel, Marián Reisel und Ivan Csudai zur Redaktion. 1992 wurde die Zeitschrift wieder in „Fragment“ umbenannt.

Freie Gewerkschaft der Werktätigen

1979 gegründete Gewerkschaftsorganisation, die wegen der staatlichen Repressionsmaßnahmen nur ein sehr eingeschränktes Betätigungsfeld hatte. Im Januar 1979 nahm eine Gruppe von Arbeitern aus Turnu Severin Gespräche mit dem Arzt Ionel Cană auf, in denen es darum ging, eine von der Staatsmacht unabhängige Organisation der Werktätigen zu gründen. Zu diesem Gesprächskreis stieß auch #Vasile Paraschiv, der bereits für seine antikommunistischen Äußerungen bekannt war. Im Februar desselben Jahres wurde die Gründungserklärung der Freien Gewerkschaft der Werktätigen in Rumänien (Sindicatul Liber al Oamenilor Muncii din România; SLOMR) verfasst, deren Wortlaut am 4. März 1979 das rumänischsprachige Programm von Radio Freies Europa verbreitete.

Anfang April desselben Jahres wurden Ionel Cană und die anderen führenden Gewerkschafter verhaftet, während andere Mitglieder in Freiheit blieben, wie beispielsweise Nicolae Dascălu, der die Führung der Organisation übernahm. Die Gewerkschafter sandten ein Schreiben an Nicolae Ceaușescu, in dem sie gegen das Vorgehen der Behörden protestierten. Im Juni verhaftete man auch Dascălu. Die führenden Aktivisten der Freien Gewerkschaft der Werktätigen wurden vor Gericht gestellt und zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.

Freie Gewerkschaften

Die Forderung nach Schaffung unabhängiger Arbeitnehmerausschüsse, die für eine authentische Vertretung der Belegschaftsinteressen sorgen würden, wurde erstmals in der Zeitschrift „Robotnik“ (Arbeiter) artikuliert. Im Februar 1978 bildete eine Gruppe von Kattowitzer Bürgerrechtlern um Kazimierz Świtoń, Roman Kściuszek und Władysław Sulecki aus der Bewegung zur Verteidigung der Menschen- und Bürgerrechte (ROPCiO) ein erstes Gründungskomitee Freier Gewerkschaften (Wolne Związki Zawodowe). Im Februar 1978 entstand in Danzig ein ähnliches, von Andrzej Gwiazda und Krzysztof Wyszkowski gegründetes Komitee, dem sich später noch Joanna Duda-Gwiazda, Anna Walentynowicz, Lech Wałęsa, Bogdan Lis und Andrzej Kołodziej anschlossen. Die Freien Gewerkschaften der Küste (Wolne Związki Zawodowe Wybrzeże) agierten unter dem Dach des KSS „KOR“ und Leitung von Bogdan Borusewicz. Die Kattowitzer Freien Gewerkschaften besaßen von Anfang an keine Verankerung vor Ort und entwickelten keine breit angelegten Aktivitäten; zudem wurde Kazimierz Świtoń immer wieder Ziel brutaler Repressionen des Regimes.

An der Küste gewannen die Freien Gewerkschaften hingegen allmählich an Stärke, was vor allem der hohen Schlagkraft der Danziger oppositionellen Kreise zu verdanken war. Im August 1978 erschien die erste Ausgabe des „Robotnik Wybrzeża“ (Arbeiter der Küste), die Zahl der Arbeiter unter den aktiven Oppositionellen wuchs beständig. Die Danziger Freien Gewerkschaften waren dann auch Jahr für Jahr an der Organisation von unabhängigen Gedenkfeierlichkeiten zum Jahrestag der Ereignisse des Dezember 1970 beteiligt. Sie spielten eine wichtige Rolle bei den Streiks im August 1980 und waren später in den Führungsgremien der Solidarność aktiv.

Im Oktober entstand mit den Freien Gewerkschaften Stettin eine dritte Organisation. Zu den führenden Stettiner Gewerkschaftern gehörten Stefan Kozłowski sowie die Brüder Jan und Mirosław Witkowski.

Piotr Śmiłowicz

Freie Montagsuniversität

In den Unterlagen des kommunistischen Staatssicherheitsdienstes Ungarns findet man auch die Bezeichnung „Fliegende Universität“. An deren Anfang standen Vorlesungen von Miklós Szabó zum Schaffen von István Bibó. Die Vorlesungen fanden im Rahmen von Seminaren in Privatwohnungen statt. Ab 1978 bot die Universität dann offene Veranstaltungen für alle Interessierten an. Die Leitung hatten im ersten Jahr Mária Kovács und Antal Orkény inne, 1980–85 dann Sándor Szilágyi. Als Dozenten konnten Bürgerrechtler und Sympathisanten der Opposition aus dem Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften gewonnen werden, so etwa Miklós Szabó, János Kis, György Dalos, András Hegedűs, András Lányi, Tibor Hajdú, Péter Hanák, László Vekerdi, Ferenc Jánossy, Zsolt Csalog, Gábor Vági, Gáspár Miklós Tamás, Pál Szalai, Mihály Vajda und Gábor Iványi.

Die Universität war eine Art mündliches Samisdat-Forum. Die dort diskutierten Themen waren im öffentlichen Diskurs untersagt, wie zum Beispiel die tatsächliche Geschichte der kommunistischen Parteien in Ungarn bzw. in ganz Osteuropa, die Sowjetforschung, die jüdische Frage, Kirchen und die Religionspolitik des Staates. 1981 wurde zum ersten Mal öffentlich das Thema der Ungarischen Revolution von 1956 aufgegriffen, 1983 wurde die Hinrichtung Imre Nagys öffentlich diskutiert. Die Universität bildete zum einen die Fundamente einer politischen Kultur heraus, zum anderen war sie ein Begegnungsforum für Kontakte zwischen den Oppositionsgruppen und ihren Anhängern. Die Montagsuniversität erleichterte nicht zuletzt auch den Vertrieb von Samisdat-Druckerzeugnissen.