Historiker und Literaturwissenschaftler; einer der aktivsten Mitstreiter des Klubs des Krummen Kreises; ab 1976 Mitglied des Komitees zur Verteidigung der Arbeiter (KOR) und dann des Komitees für Gesellschaftliche Selbstverteidigung „KOR“ (KSS „KOR“); engagierte sich ab 1978 in der Gesellschaft für Wissenschaftliche Kurse; ab 1981 im Vorstand der Solidarność der Region Masowien; 1987–91 Vorsitzender des Parteivorstandes der reaktivierten Polnischen Sozialistischen Partei; ab 1988 im Bürgerkomitee beim Vorsitzenden der Solidarność; Pseudonyme: „Chl“, „J. J. L.“, „jjl“, „(jjl)“.

Jan Józef Lipski wurde 1926 in Warschau geboren. 1942/43 gehörte er zu den konspirativen Pfadfindereinheiten „Graue Reihen“ (Szare Szeregi), die mit der Heimatarmee (Armia Krajowa; AK) zusammenarbeiteten. Ab 1943 kämpfte er in der Heimatarmee im Regiment „Baszta“ und nahm am Warschauer Aufstand teil.

1948 war Lipski einer der Gründer eines Selbstlernzirkels für Gymnasiasten, dann eines informellen Diskussionskreises, dem vor allem Studierende der Polonistik an der Universität Warschau angehörten. Der Klub nannte sich „Klub der Neopickwicker“. 1951–53 beteiligte er sich an einem halbkonspirativen Diskussionsklub, der jedoch nach der Verhaftung eines der Mitglieder (Czesław Czapów) durch den Staatssicherheitsdienst seine Tätigkeit einstellen musste. Die Weltanschauung Lipskis wurde durch neopositivistische Einflüsse geprägt.

1952–59 arbeitete er im Staatlichen Verlagsinstitut (Państwowy Instytut Wydawniczy), wo er nach seinem Studienabschluss in Polonistik einige Jahre lang (1955–59) Leiter der Redaktion für Klassische Polnische Literatur war. Im Herbst 1956 übernahm Lipski das Kulturressort der Wochenzeitschrift „Po prostu“ (Geradeheraus), die die Veränderungen des Oktobers 1956 unterstützte. Dort veröffentlichte er auch einige politische Beiträge.

Anfang 1956 trat er in den Klub des Krummen Kreises (Klub Krzywego Koła; KKK) ein, dessen Vorsitzender er von Februar 1957 bis Februar 1958 war. 1958–62 war er Sekretär und Vizevorsitzender des KKK und eine von dessen prägendsten Persönlichkeiten. Zu seinen Mitstreitern im Klub gehörten unter anderen Aleksander Małachowski, Witold Jedlicki, Czesław Czapów, Jan Olszewski und Anna Rudzińska.

Lipski pflegte 1957/58 intensive Kontakte zu Jerzy Giedroyc, dem Redakteur der in Paris erscheinenden Exilzeitschrift „Kultura“, der Lipski und dessen Umfeld als ihren wichtigsten Partner innerhalb Polens ansah. Lipski stellte die Tätigkeit des KKK auf eine breite Basis. Dazu gehörte die Zusammenarbeit mit Arbeiterräten, die Förderung von Kultur, die Etablierung eines Verlags. Als der politische Wind 1958 wieder rauer wurde (das Regime hatte unter anderen die KKK-Mitstreiterin Anna Szarzyńka-Rewska verhaftet und ihr wegen der Zusammenarbeit mit Giedroyc den Prozess gemacht), wurden alle diese Projekte auf Eis gelegt.

1959 hielt Lipski ein Referat über die totalitären Züge des National-Radikalen Lagers „Falanga“ in den 30er Jahren und dessen Vorsitzenden Bolesław Piasecki. Als Reaktion darauf verlor er seine Arbeit im Staatlichen Verlagsinstitut. Er bemühte sich, die Kontakte zu den Mitgliedern des 1962 vom Staat aufgelösten KKK aufrechtzuerhalten und wurde schon allein dadurch zum Bestandteil eines Kreises von Intellektuellen, die der Staatsmacht gegenüber kritisch eingestellt waren. Lipski pflegte enge Kontakte zu Vertretern der Polnischen Sozialistischen Partei (PPS) aus der Vorkriegszeit, zu Genossenschaftlern, ehemaligen Kameraden aus der Heimatarmee, zu jungen Katholiken aus dem Umfeld der Zeitschrift „Więź“ und der Klubs der Katholischen Intelligenz (Kluby Inteligencji Katolickiej; KIK) wie auch zu Polonisten, Literaten, Soziologen und Verlagsredakteuren. Gemeinsame Grundlage dieses Kreises aus Persönlichkeiten ganz verschiedener Milieus war die ablehnende Haltung gegen die Beschneidung des Rechts und der Freiheit, aber auch gegen nationalistische Tendenzen. Anlässe für Treffen waren unter anderem die Namenstagsfeiern Lipskis.

Andrzej Friszke
Aus dem Polnischen von Gero Lietz
Letzte Aktualisierung: 07/16