Rechtsanwalt, Verteidiger in vielen politischen Prozessen; Mitglied der Polnischen Unabhängigkeitsallianz; in den 80er Jahren einer der führenden Berater der Solidarność.

Jan Olszewski wurde 1930 in Warschau geboren. Ab 1943 war er in den sogenannten Grauen Reihen (Szare Szeregi) der Pfadfinder aktiv, die mit der Heimatarmee (Armia Krajowa; AK) zusammenarbeiteten. 1946/47 unterstützte er den Wahlkampf der in Opposition zu den Kommunisten stehenden und von Stanisław Mikołajczyk geführten Polnischen Bauernpartei (Polskie Stronnictwo Ludowe; PSL). 1953 schloss er sein Jurastudium an der Universität Warschau ab, arbeitete bis 1954 im Justizministerium (die Stelle wurde ihm im Rahmen der Absolventenlenkung zugewiesen) und anschließend 1954–56 in der Abteilung Rechtswissenschaften der Polnischen Akademie der Wissenschaften (PAN).

1956/57 war Olszewski Redaktionsmitglied der von jungen Intellektuellen herausgegebenen Wochenzeitschrift „Po prostu“ (Geradeheraus), die sich sehr für die nach dem Oktober 1956 eingeleiteten Veränderungen einsetzte. Dort schrieb er gemeinsam mit Walery Namiotkiewicz und Jerzy Ambroziewicz einen aufsehenerregenden Appell zur Rehabilitierung der Soldaten der Heimatarmee. In seinen Beiträgen machte er auch auf den Machtmissbrauch in der Justiz aufmerksam und konstatierte eine Symbiose des provinziellen Parteiapparats mit dem kriminellen Milieu. Nach dem Verbot der Zeitschrift 1957 wurde gegen Olszewski bis 1959 ein Publikationsverbot erlassen.

1956–62 gehörte Olszewski zum Klub des Krummen Kreises (Klub Krzywego Koła; KKK), einem Ort der Begegnung für Intellektuelle, die dem System gegenüber kritisch eingestellt waren. 1958–61 war er Mitglied des Vorstandes. Nach der Auflösung des Klubs 1962 nahm er an Zusammenkünften bei Jan Józef Lipski teil, zu denen auch ehemalige Klubmitglieder eingeladen waren.

Ab Mitte der 60er Jahre nahm Olszewski seine Tätigkeit als Verteidiger in politischen Prozessen auf. 1964 verteidigte er den Schriftsteller Melchior Wańkowicz, dem vorgeworfen wurde, dem Sender Radio Freies Europa Informationen übermittelt zu haben. 1965 waren Jacek Kuroń und Karol Modzelewski seine Mandanten, die wegen ihres „Offenen Briefes an die Mitglieder der Partei“ (List otwarty do członków PZPR) vor Gericht standen. 1968 vertrat er den Dichter und Satiriker Janusz Szpotański vor Gericht.

Im Zusammenhang mit der Übernahme des Mandats für die bei den Ereignissen im März 1968 festgenommenen Studenten wurde er für zwei Jahre von seiner Anwaltstätigkeit suspendiert und war in dieser Zeit arbeitslos. Gleichzeitig bereitete der Staatssicherheitsdienst gegen ihn einen fingierten Prozess vor, in dem er wegen angeblicher Falschaussagen verurteilt werden sollte. Nach fast anderthalbjährigen Ermittlungen und einem Gerichtsprozess wurde Olszewski jedoch letztlich freigesprochen. 1970 nahm er seinen Anwaltsberuf wieder auf und war weiter Verteidiger in politischen Prozessen, so unter anderem 1971 im Prozess gegen Mitglieder der Oppositionsgruppe Ruch (Bewegung).

Gemeinsam mit Jakub Karpiński und Jacek Kuroń war er Initiator, Autor und Unterzeichner des im Dezember 1975 an das polnische Parlament (Sejm) übersandten Briefes der 59, in dem gegen die vorgesehenen Verfassungsänderungen protestiert wurde. Dieser Brief stellte zugleich eine Programmerklärung mit den Zielen der Opposition dar. Im Januar 1976 verfasste er zusammen mit Antoni Pajdak, Stanisław Szczuka und Wojciech Ziembiński den Brief der 14 gegen die geplante Verankerung des unverbrüchlichen Bündnisses mit der UdSSR in der Verfassung. Im Juni 1976 unterschrieb er außerdem eine Erklärung von 14 Intellektuellen, in der er sich mit den Arbeiterprotesten solidarisierte.

1976 verfasste Olszewski gemeinsam mit Zdzisław Najder das Programm der konspirativen Polnischen Unabhängigkeitsallianz (Polskie Porozumienie Niepodległościowe; PPN). Einer der bekanntesten PPN-Texte stammt ebenfalls aus seiner Feder: der im Juli 1977 herausgegebene Ratgeber „Der Bürger und der Staatssicherheitsdienst“ (Obywatel a Służba Bezpieczeństwa), in dem er über die Rechte des Einzelnen bei Kontakten mit der Staatssicherheit aufklärte. Er gehörte gemeinsam mit Andrzej Kijowski, Zdzisław Najder und Jan Józef Szczepański zu dem aus vier Personen bestehenden anonymen Führungsgremium der Polnischen Unabhängigkeitsallianz.

Bogusław Kopka
Aus dem Polnischen von Gero Lietz
Letzte Aktualisierung: 02/19