Physiker; langjähriger Redakteur und Herausgeber des im Untergrund erscheinenden „Biuletyn Dolnośląski“, Gründer und Anführer der Kämpfenden Solidarność; Pseudonyme: „Andrzej“, „K. M.“.

Kornel Morawiecki wurde 1941 in Warschau geboren. 1959–63 studierte er Physik an der Universität Breslau (Wrocław) und war dort bis 1973 als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig. Im März 1968 nahm er an den Studentenstreiks und Demonstrationen in Breslau teil. Im August 1968 verfasste er Flugblätter gegen den Einmarsch von Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei und hängte im Januar 1969 in der Stadt Traueranzeigen für den tschechischen Studenten Jan Palach, der sich aus Protest gegen die Invasion in Prag selbst verbrannt hatte. Nach den Streiks an der Küste im Dezember 1970 verteilte er in Breslau oppositionelle Flugblätter. Ab 1973 arbeitete er am Breslauer Polytechnikum.

Ab Juni 1979 engagierte sich Morawiecki im seit Frühjahr desselben Jahres bestehenden Klub der gesellschaftlichen Selbstverteidigung (Klub Samoobrony Społecznej), der das niederschlesische Äquivalent des Komitees für Gesellschaftliche Selbstverteidigung „KOR“ (Komitet Samoobrony Społecznej; KSS „KOR“) war. Ab Januar 1980 gab er gemeinsam mit Romuald Lazarowicz, Jan Waszkiewicz und Michał Wodzinski das unabhängige „Biuletyn Dolnośląski“ (Niederschlesisches Bulletin) heraus, das seit Juni 1979 erschien und über staatliche Repressionen der Machthaber und den gesellschaftlichen Widerstand berichtete, die internationale Entwicklung analysierte und eine unverfälschte Darstellung der neuesten polnischen Geschichte brachte. Schon damals war Morawiecki der Ansicht, man müsse gegenüber den kommunistischen Machthabern offensiv und kompromisslos auftreten und die Opposition in anderen Ostblockländern unterstützen.

Während des „Sommers der Solidarność“ schrieb Morawiecki an Informationsblättern über die Streiks an der Küste mit. In einem der Flugblätter sowie im „Biuletyn Dolnośląski“ vom 23. August veröffentlichte er die 21 Forderungen des Danziger „Überbetrieblichen Streikkomitees“ (Międzyzakłokowy Komitet Strajkowy), die ihm Zenon Pałka übermittelt hatte. Er wurde Mitglied der Betriebskommission (Komisja Zakładowa) der Solidarność am Breslauer Polytechnikum und stand ab 15. August er an der Spitze der fünfköpfigen niederschlesischen Delegiertenkommission, die die Liste der Abgeordneten für die Landesdelegiertenkommission (Krajowa Komisja Zjazdowa) der Solidarność aufstellte.

Morawiecki nahm im September/Oktober 1981 am Ersten Landesdelegiertenkongress der Solidarność in Danzig teil, auf dem er vorschlug, eine Handreichung zu erarbeiten, um für den Fall vorbereitet zu sein, dass in Polen das Kriegsrecht ausgerufen wird oder es zu einer Invasion der anderen Ostblockstaaten kommt.

Nach Veröffentlichung des „Appells an die in Polen stationierten Sowjetsoldaten“ (Apel do żółnierzy sowieckich stacjonujących w Polsce) im „Biuletyn Dolnośląski“ (Juli/August 1981) wurde er am 14. September verhaftet. Unter dem Druck der niederschlesischen Solidarność und dank der Hilfe von Polytechnikum-Direktor Tadeusz Zipser und Prorektor Andrzej Wiszniewski kam er bereits nach 48 Stunden wieder auf freien Fuß. Trotzdem erwartete ihn ein Gerichtsprozess, der im November und Dezember 1981 anfing, dann jedoch aufgrund der Verhängung des Kriegsrechts nicht weitergeführt wurde. Vom 11. November bis zum 9. Dezember 1981 gab Morawiecki unter dem Dach der Solidarność-Regionalleitung Niederschlesien die Plakatzeitung „Nasze Słowo“ (Unser Wort) heraus.

Für den Fall eines Verbots der Solidarność bereitete Morawiecki in Breslau ein konspiratives Netz von Druckereien vor, das während des Kriegsrechts genutzt werden konnte. Nach dem 13. Dezember 1981 arbeitete er im Untergrund.

Er trat dem geheim operierenden niederschlesischen Regionalen Streikkomitee der Solidarność (Regionalny Komitet Strajkowy; RKS) bei und gab bis zum 7. Juni 1982 dessen Zeitschrift „Z dnia na dzień“ (Tag für Tag) heraus. Nach einem Konflikt mit dem Vorsitzenden des Regionalen Streikkomitee Władysław Frasyniuk gründete Morawiecki, der sich für die offene Konfrontation mit dem kommunistischen System aussprach und auch den Einsatz von Gewalt befürwortete, die Kämpfende Solidarność (Solidarność Walcząca). Am 1. Juni 1982 gab er die Funktion des Propagandachefs des Regionalen Streikkomitees auf und gab eine Woche später das Bulletin der Kämpfenden Solidarność herauszugeben.

Als Władysław Frasyniuk verhaftet und das Regionale Streikkomitee teilweise zerschlagen war, gliederte Morawiecki am 11. November 1982 die Kämpfende Solidarność um und wurde Vorsitzender ihres Exekutivkomitees. In dem programmatischen Artikel „Wer sind wir? Wofür kämpfen wir?“ (veröffentlicht im September 1982) schrieb er: „Wir, die wir seit 38 Jahren betrogen wurden, glauben nicht mehr an die Reformierbarkeit dieses Systems. Wir wollen es ändern und den Machthabern die Macht entreißen.“ 1986 prognostizierte er den Untergang des Kommunismus in drei Phasen: Abzug der sowjetischen Truppen aus Polen, freie Wahlen zu den Selbstverwaltungsorganen und zum Sejm, Zerfall der Sowjetunion. Er sprach sich für gesellschaftliche Solidarität und soziale Sicherheit für die Schwächsten aus, sowie für einen freien Markt, der teilweise unter staatlicher Kontrolle stehen sollte. Diese Standpunkte fanden 1986 ihren Niederschlag im Programm der Kämpfenden Solidarność, dessen Mitautor er war.

Jan Ryszard Sielezin
Aus dem Polnischen von Markus Pieper und Wolfgang Templin
Letzte Aktualisierung: 11/15