Juri Galanskow 1939 wurde als Kind einer Arbeiterfamilie in Moskau geboren. In seiner Schulzeit war er aktives Mitglied des kommunistischen Jugendverbandes Komsomol. Nach Abschluss der Abendschule für junge Arbeiter wurde er Elektriker in einem Theater, später Laborant an einer technischen Fachschule und Angestellter des Staatlichen Literaturmuseums. Zwei Jahre studierte Galanskow an der Geschichtsfakultät der Universität Moskau. Danach absolvierte er ein Abendstudium in der Fachrichtung Verwaltung am Moskauer Institut für Geschichte und Archivkunde.
1959 und 1960 wurde Galanskow als eine der Hauptfiguren der inoffiziellen Dichterlesungen auf dem Majakowski-Platz in Moskau bekannt. Ljudmila Politkowskaja schrieb in ihren Erinnerungen: „Ein großgewachsener, schlanker, braunhaariger Mann mit schwungvollen Bewegungen und den Augen eines biblischen Propheten. Wenn er auf dem Podest stand, verstummte – ich bezeuge es – der Platz. Nicht deshalb, weil seine Verse genial waren, sondern deshalb, weil er verwegene Worte fand, mit denen sich das junge Publikum, das die Fehler der Väter vermeiden wollte, identifizierte. Juri Galanskows ‚Menschliches Manifest‘ war Banner und Hymne des Majakowski-Platzes:
Steht auf!
Steht auf!
Steht auf!
O, purpurnes Blut der Rebellion!
Geht und reißt den morschen Staat, das Gefängnis ein!“
Galanskow erhielt Anerkennung von jungen Menschen, die auf den Majakowski-Platz kamen, und aus deren Gruppen sich später die Dissidentenbewegung entwickelte. Seine politischen Ansichten zeichneten sich durch einen gewissen Eklektizismus aus: Sie enthielten Elemente des anarchistischen Pazifismus, des Solidarismus – im letzten Jahr vor seiner Verhaftung arbeitete er eng mit dem Volksarbeitsbund der russischen Solidaristen (Narodno-trudovoj sojuz rossijskich solidaristov) zusammen – und des radikalen Antikommunismus. 1960 und 1961 ergriff er die Initiative zur Gründung einer gesellschaftlichen Vereinigung mit dem Namen „Weltverband der Anhänger der allgemeinen Abrüstung“, für die er sogar ein Statut verfasste.
Anfang der 60er Jahre erörterten einige der Besucher des Majakowski-Platzes ernsthaft Optionen eines bewaffneten Kampfs gegen das Regime. Galanskow hingegen, der ein konsequenter Anhänger der Gewaltfreiheit war, setzte entschieden auf das Wort als Mittel des Kampfes. Im Frühjahr 1961 arbeitete er an der Herausgabe des unabhängigen Almanachs „Feniks“ (Phönix), der Gedichte, Essays und Kritiken junger Moskauer Literaten enthielt und 1962 auch in der Exilzeitschrift „Grani“ veröffentlicht wurde (Nr. 52).
Nach der Festnahme von Wladimir Ossipow, Eduard Kusnezow, Anatoli Iwanow und Ilja Bokstejn nach einer Lesung auf dem Majakowski-Platz im Oktober 1961 schickte Galanskow einen Brief an den KGB und an Nikita Chruschtschow, in dem er die politische Angemessenheit derartiger Repressionen in Zweifel zog. Dieser Brief ist – ohne auf die Argumentation einzugehen – eines der wenigen Beispiele aus dieser Zeit, in dem die Auseinandersetzung mit den Behörden weder in Form einer Forderung noch einer Bitte erfolgte: Galanskow stellte in seinem Schreiben vielmehr seinen eigenen politischen Standpunkt dar.
Galanskow wurde in der Folgezeit mehrmals Opfer staatlicher Repressionen: er wurde mehrmals zwangsweise in psychiatrische Kliniken eingewiesen, zwei Mal fanden Hausdurchsuchungen bei ihm statt. Die sowjetische Presse nannte ihn einen „‚Theoretiker‘, der die Jugend geistig verderben will“.
Am 11. Juli 1965 demonstrierte Galanskow als Einzelperson vor der US-Botschaft in Moskau gegen die amerikanische Intervention in der Dominikanischen Republik. Am 5. Dezember 1965 nahm er an der Glasnost-Kundgebung auf dem Puschkin-Platz in Moskau teil. Als er eine Rede halten wollte, wurde er festgenommen.
1966 gab Galanskow die zweite Nummer des „Feniks“ heraus, die 1968 im Westen nachgedruckt wurde. In „Feniks 66“, wie die Ausgabe genannt wurde, veröffentlichte er zwei eigene Texte: das Vorwort als Herausgeber, in dem er den Almanach als Beginn der freien Presse in der UdSSR angekündigte, und einen offenen Brief an Michail Scholochow, in dem er dessen literarische und politische Haltung und vor allem seine Rede auf dem XXIII. Parteitag der KPdSU gegen die verurteilten Schriftsteller Andrei Sinjawski, Juli Daniel und ihre Verteidiger scharf kritisierte.
Am 17. Januar 1967 wurde Galanskow verhaftet und wegen der Herstellung des Almanachs „Feniks 66“, dessen Weitergabe in den Westen sowie für die Kontakte zum Volksarbeitsbund der russischen Solidaristen angeklagt. Sein Brief an Scholochow und weitere im „Feniks“ veröffentlichte Texte anderer Autoren wurden als Straftat eingestuft. Während des Untersuchungsverfahrens legte Galanskow sich widersprechende Geständnisse ab, beim Prozess vom 8. bis 12. Januar 1968 selbst verweigerte er ein Schuldgeständnis. Das Moskauer Stadtgericht verurteilte ihn nach Absatz 1 von Artikel 70 Strafgesetzbuch der RSFSR und nach Artikel 88 Strafgesetzbuch („illegaler Devisenhandel“) zu sieben Jahren strenger Lagerhaft. Der Prozess gegen Galanskow und drei weitere Dissidenten löste als Prozess der Vier eine breite Welle gesellschaftlichen Protestes aus.
Seine Haftstrafe verbüßte Galanskow in den mordwinischen Lagern. Obwohl schwer an einem Magengeschwür erkrankt, lehnte er es trotz hartnäckigen Drängens der Behörden ab, einen Begnadigungsantrag zu stellen. Im Lager selbst beteiligte er sich an Widerstandsaktionen.
Juri Galanskow starb noch immer in Haft 1972 in der Siedlung Baraschewo an einer Bauchfellentzündung, zu der es nach einer misslungenen Operation gekommen war. Sein tragischer Tod löste ein starkes Echo aus. Es erschienen ein Nachruf, der von seinen Häftlingsgenossen unterzeichnet wurde, Protestbriefe, die eine Bestrafung der Schuldigen an seinem Tod forderten und Gedichte, die seinem Gedächtnis gewidmet waren. „Die ganze Geschichte des kurzen, intensiven Lebens von Juri Galanskow war die Geschichte eines freiwilligen, unerschrockenen Weges ans Kreuz“, hieß es im Nachruf von Andrei Sacharow, Wladimir Maximow, Andrei Sinjawski und von Freunden Galanskows, die nicht inhaftiert worden waren. In London, Frankfurt am Main, Hamburg, Genf, Paris und New York wurden Trauergottesdienste für ihn abgehalten. Auf seinem Grab in Baraschewo in der Nähe des Lagers wurde entgegen den Lagerregeln ein großes hölzernes Kreuz aufgestellt.
Ab 1989 wurden auch in der Sowjetunion Galanskows Texte und Erinnerungen an ihn publiziert. Am 1. September 1991 wurden seine sterblichen Überreste feierlich nach Moskau überführt und dort auf dem Kotlakowski-Friedhof beigesetzt. Während einer Trauerfeier auf dem Majakowski-Platz – dort, wo Galanskows künstlerische Arbeit und sein gesellschaftliches Engagement begonnen hatten – sprachen Anfang der 90er Jahre seine Freunde Wladimir Bukowski, Gennadi Gawrilow sowie Larissa Bogoras, Lew Kopelew und weitere Personen des öffentlichen Lebens und trauerten gemeinsam um ihn.