Jurist, Gründer des Bundes Junger Demokraten Fidesz, nach dem Ende des Kommunismus Vorsitzender der Partei „Fidesz – Ungarischer Bürgerbund“, 1998–2002 und seit 2010 Ministerpräsident Ungarns.

Viktor Orbán wurde 1963 in Székesfehérvár geboren. 1981/82 leistete er seinen Wehrdienst, 1982–87 studierte er Rechtswissenschaft an der Loránd-Eötvös-Universität Budapest. 1983 wirkte er an der Einrichtung des Geisteswissenschaftlichen Kollegs mit. 1984 war er einer der Mitbegründer und Herausgeber der teilweise unabhängigen Studentenzeitschrift „Századvég“ (Jahrhundertende).

Nach dem Hochschulabschluss 1987 wohnte er zwei Jahre in Szolnok. Er arbeitete kurzzeitig als Aspirant des Instituts für Führungskader des Landwirtschaftsministeriums und dann ab 1988 für die Soros Foundation of Central Europe Research Group.

Am 30. März 1988 nahm er an der Zusammenkunft des Geisteswissenschaftlichen Kollegs teil, auf der die Entscheidung getroffen wurde, Fidesz (Fiatal Demokraták Szövetsége/Bund Junger Demokraten) zu gründen. Orbán sollte eines der wichtigsten Mitglieder werden. Er sprach sich für die Idee des Rechtsstaates aus, war absolut gegen die Verwendung des Wortes „Sozialismus“ im Statut des Bundes sowie gegen die Anerkennung der führenden Rolle der Ungarischen Sozialistischen Arbeiterpartei.

Im April 1988 erhielt er eine Polizeiliche Verwarnung, wurde mehrfach von der Staatsanwaltschaft vorgeladen, vor ernsteren Konsequenzen musste er sich jedoch in jener Zeit nicht mehr fürchten. Er gründete eine Ortsgruppe von Fidesz in Szolnok, wurde einer der Parteisprecher und im Oktober 1988 Mitglied des Landespräsidiums. Am 16. Juni 1989 hielt er anlässlich der symbolischen Beisetzung von Imre Nagy in Budapest eine vom staatlichen Fernsehen übertragene, radikale Rede, in der er freie Wahlen und den Abzug der sowjetischen Truppen aus Ungarn forderte. Diese Rede machte ihn zu einem der beliebtesten Politiker mit landesweitem Bekanntheitsgrad.

Im Sommer 1989 nahm er als Vertreter von Fidesz an den Verhandlungen zwischen Regierung und Opposition am sogenannten „Dreieckigen Tisch“ teil, der den geordneten Übergang zur Demokratie aushandelte. Orbán ergriff dort vor allem zu verfassungsrechtlichen Fragen das Wort. Im September ging er nach England, um dort am Pembroke College als Stipendiat der Soros-Stiftung die Geschichte der englischen Liberalen zu studieren, brach sein Stipendium jedoch im Januar 1990 ab und kehrte nach Ungarn zurück, um dort an den ersten freien Parlamentswahlen teilzunehmen. Orbán wurde für Fidesz ins Parlament gewählt und war dort drei Jahre lang Fraktionsvorsitzender.

1993 wurde Orbán Parteichef von Fidesz. Im Januar 1994 verkündete er das Parteiprogramm, das sowohl zum Ungarischen Demokratischen Forum (Magyar Demokrata Forum; MDF) als auch zur Ungarischen Sozialistischen Partei (MSZP) auf Distanz ging. Während des Wahlkampfes ging er eine Koalition mit dem Bund Freier Demokraten (Szabad Demokraták Szövetsége; SZDSZ) und zwei kleineren liberalen Parteien ein und errang mit einem Mandat des Komitats Fejér erneut ein Parlamentsmandat.

1995 änderte der Bund Junger Demokraten (Fidesz) seinen Namen in „Fidesz – Ungarische Bürgerpartei“ (Fidesz – Magyar Polgári Párt). Die Partei gab sich jetzt ein klar national-liberales Profil, mit dem sie 1998 die Parlamentswahlen gewann. Viktor Orbán wurde Ministerpräsident Ungarns. Als Fidesz 2000 den Beschluss fasste, die Ämter des Partei- und des Regierungschefs voneinander zu trennen, verzichtete Orbán auf den Parteivorsitz und war fortan nur noch einfaches Vorstandsmitglied. Ministerpräsident blieb er bis 2002, als seine Partei die Parlamentswahlen gegen die oppositionellen Sozialisten verlor. Neuer Regierungschef wurde bis 2004 Péter Medgyessy (MSZP).

Auf dem Parteitag 2003 wurden Name und Statut der Partei abermals geändert. Die Partei heißt seitdem „Fidesz – Ungarischer Bürgerbund“ (Fidesz – Magyar Polgári Szövetség). Orbán wurde erneut Parteivorsitzender, seit Oktober 2005 ist er auch Vizepräsident der Europäischen Volkspartei. In den Parlamentswahlen 2010 errang Fidesz einen klaren Sieg und Orbán wurde zum zweiten Mal ungarischer Ministerpräsident. Vor allem seine zweite Amtszeit brachte ihm wegen seiner rechtskonservativen Äußerungen, seines autoritären Regierungsstils und der Einschränkung von Menschen- und Bürgerrechten in Ungarn international massive Kritik ein.

Péter Hermann
Aus dem Polnischen von Gero Lietz
Letzte Aktualisierung: 06/15