Carlo Jordan wurde am 5. Februar 1951 als Sohn einer selbstständigen Bäckersfamilie in Berlin-Friedrichshain geboren. Sein Vater war 1948 aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft mit dem Credo heimgekehrt, nie wieder eine Waffe in die Hand zu nehmen. Diese pazifistische Einstellung vermittelte er auch seinem Sohn. Sonst spielte Politik im Elternhaus allerdings keine besondere Rolle.
Bis zum Mauerbau 1961 hielt sich Jordan häufig in West-Berlin auf. Er ging zudem in einen nichtstaatlichen evangelischen Kindergarten. Seine Eltern verboten ihm, in die Pionierorganisation einzutreten. Jordan legte auch keine Jugendweihe ab. Die Schule war für ihn insofern prägend, als er wegen westlicher Kleidung oder längerer Haare von Lehrern drangsaliert worden ist. Da er auf dem Bau arbeiten wollte, ging er nach der 8. Klasse von der Polytechnischen Schule ab und absolvierte 1965–68 die restlichen Schuljahre in Kombination mit einer Zimmermannslehre. Anschließend arbeitete er als Zimmermann, ehe er 1969–72 ein Bauingenieurstudium erfolgreich belegte.
Beeinflusst durch die antiautoritäre Studentenbewegung im Westen und den Prager Reformkommunismus schloss sich Jordan der Ost-Berliner Kulturopposition an, die sich Ende der 60er Jahre im Umkreis einschlägiger Cafés und Klubs traf und zunächst ein selbstbestimmtes, nonkonformistisches Leben unabhängig vom totalitären Staatsgebilde zu führen versuchte.
Jordan, der noch während seiner Oberschulzeit in die Freie Deutsche Jugend (FDJ) eingetreten war, trat 1972 aus Protest gegen das neue Absolventenlenkungsgesetz wieder aus. Dieses Gesetz verfügte, dass alle Hoch- und Fachschulabsolventen drei Jahre an eine bestimmte Arbeitsstelle zwangsverpflichtet werden. Von diesem Zeitpunkt an war für Jordan klar, dass er nicht in die offiziellen Strukturen hineingehen konnte. Bis 1979 war er noch bei staatlichen Baubetrieben angestellt, ehe er dann ab 1980 in kirchlichen Einrichtungen als Bauleiter bzw. Dozent für Philosophie und Literatur tätig war.
Ab Anfang der 70er Jahre organisierte Jordan kulturoppositionelle Veranstaltungen in Berlin mit. Dies geschah in staatlichen Jugendklubs, die zum einen genutzt wurden, um eigene Aktivitäten zu legalisieren, und die zum anderen als Ausgangspunkte dienten, um konspirative Lese- und Studienzirkel zu organisieren. Dazu gehörten der „Arbeiter-und Studenten-Klub“, die „Box“ und der „Kramladen“. Die Staatssicherheit beobachtete und verfolgte Carlo Jordan seit dieser Zeit kontinuierlich in verschiedenen Operativen Vorgängen (OV). Er war erfasst in den OV „Setzer“, „Kalender“, „Radler“, „Bibliothek“, „Arche“, „Fluß“ und „Bauknecht“. Als sich 1976 Pfarrer Oskar Brüsewitz aus Protest gegen das SED-Regime selbst verbrannte, unterzeichnete Jordan eine Protesteingabe an Erich Honecker; deswegen wurde er nach einer Hausdurchsuchung verhaftet, aber nach kurzer Zeit wieder freigelassen. Es ist zwar kein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, er verlor jedoch seine Arbeit als Bauleiter auf der Großbaustelle der Berliner Charité, da er wegen der unmittelbaren Nähe der Baustelle zur Mauer nun als vermeintliches „Sicherheitsrisiko“ galt. Im November 1976 forderte er in einer Eingabe zusammen mit Aljoscha Rompe, dass die DDR die Ausbürgerung Wolf Biermanns rückgängig machen und diesen in die DDR zurücklassen solle.
1978 begann Jordan ein Fernstudium der Philosophie an der Humboldt-Universität in Berlin, wobei er dieses Studium nicht aus Karrieregründen oder gar aus erkenntnistheoretischen Erwägungen heraus aufnahm, sondern eher aus einem „ethnologischen Interesse“. Ihn interessierte, wie parteinahe Kräfte dachten und wie deren Strukturen funktionierten. Vier Jahre später ist er allerdings mit der Begründung exmatrikuliert worden, er sei gesellschaftlich ungenügend eingebunden. Tatsächlich aber hatte er es abgelehnt, sich gegen die polnische Gewerkschaft Solidarność auszusprechen.
Nachdem sich Carlo Jordan ab 1978 zunehmend für die Entwicklungen im Ostblock, insbesondere im Baltikum, Mittelasien, den Kaukasusrepubliken und in Russland interessierte und mehrere Reisen dorthin unternommen hatte, begann er sich ab Anfang der 80er Jahre zunehmend in „Friedenskreisen“ zu engagieren. Innerhalb des Friedenskreises der Evangelischen Studentengemeinde (ESG) der Humboldt-Universität, der seit 1977 bestand und zu dessen Protagonisten Reinhard Schult zählte, arbeitete Jordan insbesondere in der Arbeitsgruppe (AG) Ökologie mit. Für ihn wurde zu dieser Zeit der ökologische Gedanke zur zentralen Angelegenheit. Die AG Ökologie geriet in Widerspruch zum Friedenskreis, weil sie immer eigenständiger und aktionsbetonter mit Raddemonstrationen, unabhängigen Ausstellungen und Ökologieseminaren in der gesamten DDR agierte. Ab 1983 ging sie eigene Wege. Gleichzeitig wurde der Friedenskreis der ESG von der Universität ausgeschlossen und fand ein neues Heim in einer Kirchengemeinde in Berlin-Friedrichsfelde.
1986 zählte Jordan gemeinsam mit Wolfgang Rüddenklau und Christian Halbrock zu den Mitbegründern der Berliner Umwelt-Bibliothek. Obwohl Jordan innere Differenzen zu den innerkirchlichen Oppositionsgruppen hatte, war auch diese Initiative an eine Ost-Berliner Kirche (Zionsgemeinde) angebunden, wofür pragmatische Gründe ausschlaggebend waren.
Die Idee einer unabhängigen Bibliothek verfolgte Jordan etwa seit 1980, als er mit mexikanischen Freunden in der DDR Bücher für deren freie Bibliotheken sammelte und zugleich von den „fliegenden Universitäten und Bibliotheken“ aus Polen erfuhr. Obwohl es auch aus der Opposition heraus Kritik am Projekt Umwelt-Bibliothek gab – es hieß, sie seien unprofessionell und für die Westmedien uninteressant –, wurde die Gründung zu einem der erfolgreichsten Projekte und zu einem Zentrum der Opposition in der DDR. Hier wurde verbotene Literatur gesammelt, unabhängige Veranstaltungen und Diskussionsforen fanden statt und nicht zuletzt erschienen die regelmäßig im Samisdat herausgegebenen „Umweltblätter“. Jordan war zudem auch Autor in weiteren Untergrundzeitschriften und schrieb zahlreiche Bücher und Zeitungsbeiträge, die bis 1989 in West-Berlin erschienen sind; er betreute auch die Dokumentationen über die oppositionellen Berliner Ökoseminare. Er hatte im Gegensatz zu einigen anderen Oppositionellen ein unverkrampftes, wenn auch kritisches Verhältnis zu Westmedien sowie zu Ausreisewilligen. Deren Ansinnen sah er als legitim an. Jordan selbst konnte1986 und 1989 West-Berlin privat besuchen. Dort nahm er Kontakte zu Personen und Einrichtungen auf, die die DDR-Opposition unterstützten. Seine Reisen erfolgten zu einer Zeit, als er paradoxerweise nicht in den Ostblock reisen durfte (1986–89).
Innerhalb der Umwelt-Bibliothek kam es zu Auseinandersetzungen darüber, inwiefern diese die oppositionelle Ökologiebewegung in der DDR vernetzen könne. Da sich darüber keine Einigung erzielen ließ, gründete Jordan gemeinsam mit anderen Aktivisten der Ökologiebewegung in seiner Wohnung (Fehrbelliner Straße 7, Berlin-Prenzlauer Berg, die er 1982 besetzt hatte) im Januar 1988 das „Grün-ökologische Netzwerk Arche“ und die Samisdat-Zeitschrift „Arche Nova“. Infolge dieser Gründung kam es de facto zur Spaltung der Umwelt-Bibliothek. Die „Arche“ dokumentierte auch die Umweltsituation und den Städtezerfall in der DDR. Einige ihrer Videos wurden in westlichen Fernsehsendern gezeigt, so die Sendung „Bitteres aus Bitterfeld“, in der erstmals die Umweltverseuchung einer ganzen Region in der DDR dargestellt wurde.
Jordan, der seit 1987 DDR-Koordinator im osteuropäischen Netzwerk Greenway war, zählte während der Revolution 1989 zu jenen Personen, die auf die ökologische Krisensituation in der DDR hinwiesen und zugleich davor warnten, die DDR in einem zu schnellen Prozess mit der Bundesrepublik zu vereinigen. Er befürwortete die deutsche Einheit auf dem Wege der Einberufung einer deutschen Nationalversammlung, die eine neue Verfassung für Gesamtdeutschland ausarbeiten sollte (nach Grundgesetz-Artikel 146). Gleichwohl war er kein Vereinigungsgegner. Im November 1989 gehörte er zu den Mitbegründern der Grünen Partei in der DDR. Am Zentralen Runden Tisch, der vom Dezember 1989 bis März 1990 tagte, trat er als Sprecher der Grünen auf. Bis zur Vereinigung der Berliner Parlamente war er auch Mitglied der im Mai 1990 gewählten Ostberliner Stadtverordnetenversammlung. 1994/95 war er schließlich Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses.
Schon in der DDR hatte Jordan sich bemüht, dem offiziell verordneten Geschichtsbild mit eigenen Veranstaltungen und Vorträgen entgegenzutreten. Diese Aktivität intensivierte sich nach der Revolution: Er war im Januar 1990 der Initiator der Gedenk- und Forschungsstätte Normannenstraße, die in der ehemaligen Zentrale des Ministeriums für Staatssicherheit in Berlin-Lichtenberg errichtet wurde. Außerdem publizierte er zur Geschichte der DDR-Opposition. 2000 reichte er an der Freien Universität Berlin eine Dissertation zur Geschichte der Militarisierung der Humboldt-Universität Berlin erfolgreich ein. 2019 wurde er für sein Engagement mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet.
Carlo Jordan starb am 13. Dezember 2023 in Berlin.