Geschichte der belarussischen Opposition
Der Kampf der belarussischen Dissidenten um demokratische Freiheiten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts unterschied sich wesentlich von den oppositionellen Aktivitäten in Polen, Russland, in Litauen, Lettland oder der Ukraine. Dies hat tiefe historische Ursachen. Die Tradition eines Bewusstseins für eine belarussische Eigenständigkeit reicht in die Zeit des Großfürstentums Litauen zurück. Hier stellten die Belarussen neben den Litauern eine der staatstragenden Volksgruppen dar, und Staatssprache war das Ruthenische. Aus jener Zeit stammt auch das historische Wappenmotiv des unabhängigen Belarus – die Pahonja. Unter dem Einfluss von Polonisierung (17.–18. Jahrhundert) und Russifizierung (19.–20. Jahrhundert) geriet der einstige belarussisch-litauische Staat im gesellschaftlichen Bewusstsein fast vollständig in Vergessenheit. Ansatzweise überdauerte die Erinnerung in volkstümlichen Überlieferungen und nationalbewussten Intellektuellenkreisen. Von ihnen gingen seit dem frühen 20. Jahrhundert, als sich die belarussische Nationalbewegung herauszubilden begann, immer wieder Versuche aus, die belarussische nationale Identität wiederzubeleben. (...)