Pawel Litwinow wurde am 6. Juli 1940 in Moskau geboren. Sein Großvater war der langjährige Kommunist und ehemalige sowjetische Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Maxim Litwinow. Der Enkelsohn verinnerlichte den Personenkult um Stalin tief und war schon in jungen Jahren begeistertes Mitglied der Kinder- und Jugendorganisationen der kommunistischen Partei. Seine Sicht auf den Diktator wandelte sich grundlegend, als er 1956 auf einer Komsomol-Versammlung von Nikita Chruschtschows Rede „Über den Personenkult und seine Folgen“ hörte, in der dieser die stalinistischen Repressionen angeprangert und scharfe Kritik an der Verherrlichung Stalins geübt hatte. Inspiriert von den Werken russischer Schriftsteller des 19. Jahrhunderts wie Alexander Puschkin, Fjodor Dostojewski und Anton Tschechow begann Litwinow mit demokratischen Ideen zu sympathisieren.
Die 60er Jahre waren die wohl prägendste Phase in Litwinows Leben.1966 schloss er sein Physikstudium an der Moskauer Lomonossow-Universität ab. Als Physikdozent am dortigen Institut für Chemische Technologie lernte er eine Gruppe regierungskritischer Intellektueller kennen. Sie verfolgten Gerichtsprozesse gegen Personen, die im Ausland verlegte, sogenannte Tamizdat-Schriften verbreiteten. 1967 erstellte Litwinow nach dem Vorbild von Alexander Ginsburgs „Weißbuch“ (Belaja Kniga) eine Dokumentation zu den Prozessen gegen die Initiatoren der Demonstration auf dem Puschkin-Platz Ilja Gabaj, Wadim Delone, Jewgeni Kuschew und Wiktor Chaustow. Ein ähnliches Dossier verfasste er 1968 zum Prozess der Vier gegen Alexander Ginsburg, Juri Galanskow, Alexei Dobrowolski und Wera Laschkowa. Am 11. Januar 1968, dem vorletzten Verhandlungstag, verteilten Litwinow und Larissa Bogoras vor dem Gericht einen selbstverfassten Aufruf mit dem Titel Appells an die Weltöffentlichkeit an ausländische Journalisten. Er rief zum Protest gegen das „schändliche“ Verfahren auf und erhob die Forderung nach einem neuen Prozess unter Einhaltung aller Rechtsnormen und unter Anwesenheit ausländischer Beobachter. Mit der Veröffentlichung des Appells wurde Litwinow zu einem der bekanntesten Vertreter der Menschenrechtsbewegung. In seiner Wohnung redigierte Natalja Gorbanewskaja die erste Nummer der „Chronik der laufenden Ereignisse“. Litwinow verlor seine Anstellung am Lomonossow-Institut und verdiente seinen Lebensunterhalt fortan als Privatlehrer. Offiziell galt er als arbeitslos und schwebte in der steten Gefahr, wegen „Parasitentum“ verhaftet zu werden.
Am 25. August 1968 demonstrierte Litwinow zusammen mit Larissa Bogoras, Natalja Gorbanjewskaja, Konstantin Babizki, Wadim Delone, Wladimir Dremljuga und Wiktor Fajnberg auf dem Roten Platz in Moskau gegen den Einmarsch von Truppen des Warschauer Pakts in die Tschechoslowakei. Wenige Minuten nach Beginn der Demonstration der Sieben wurden die Aktivisten von KGB-Beamten verhaftet und im Oktober des Jahres gemäß Artikel 190, Paragraf 1 Strafgesetzbuch der RSFSR und Artikel 190, Paragraf 3 Strafgesetzbuch der RSFSR vor Gericht gestellt. Litwinow wurde vom Moskauer Stadtgericht zu fünf Jahren Verbannung im sibirischen Burjatien verurteilt. Dort arbeitete er als Elektriker in Bergwerken und überlebte eine schwere Lungenentzündung.
Sein Engagement für Menschenrechte setzte Litwinow auch nach seiner Rückkehr nach Moskau im November 1972 fort. So gehörte er unter anderem zu den Unterzeichnern des Moskauer Appells vom 13. Februar 1974, in dem der Schutz des Schriftstellers Alexander Solschenizyn vor Verfolgung und die Veröffentlichung seines verbotenen Werks „Archipel Gulag“ in der Sowjetunion gefordert wurde. Nach Hausdurchsuchungen und auf massiven Druck seitens der Behörden emigrierte Litwinow mit seiner Familie im März 1974 in die USA. Er ließ sich in Tarrytown im Bundesstaat New York nieder und arbeitete dort von 1976 bis zu seiner Pensionierung 2006 als Physik- und Mathematiklehrer an einer Schule.
Litwinows Interesse am politischen Geschehen und der Menschenrechtslage in der Sowjetunion sowie im gesamten Ostblock blieb ungebrochen. Schon im Jahr seiner Emigration begann er als Redakteur bei der von Waleri Tschalidse herausgegeben Zeitschrift „A Chronicle of Human Rights in the USSR“, einer Schwesterpublikation der „Chronik der laufenden Ereignisse“ mitzuarbeiten. Ebenfalls 1974 wurde er offizieller Vertreter der „Chronik“ im Ausland. Im Februar 1982 gehörte Litwinow zu den Unterzeichnern des von Wassili Aksjonow, Efim Etkind, Lew Kopelew, Pjotr Grigorenko und Sinaida Grigorenko verfassten öffentlichen Protestbriefs „Help the Poles“ gegen die Ausrufung des Kriegsrechts in Polen. Ab 1987 wirkte Litwinow in der Unterstützergruppe der Pariser Literatur-und Politikzeitschrift „Sintaksis“ (Paris) mit. 1989 bis 1996 engagierte er sich im Vorstand der russisch-amerikanischen Projektgruppe für Menschenrechte. Er ist Vorstandsmitglied der Andrei-Sacharow-Stiftung (USA). Bis heute wendet er sich gegen Menschenrechtsverletzungen weltweit.
Anlässlich des 50. Jahrestages der Demonstration der Sieben auf dem Roten Platz in Moskau erklärte Litwinow im August 2018 in einem Interview gegenüber dem tschechischen Rundfunk, er empfinde Stolz für das Zeichen, das er zusammen mit seinen Freunden gesetzt hat, und stellte die Sehnsucht nach Freiheit als das vereinende Element der gesamten osteuropäischen Dissidentenbewegung im Kalten Krieg heraus: „Wir spürten irgendwie, dass es eine Bruderschaft von Menschen gibt, sowohl innerhalb der Sowjetunion als auch anderswo in Osteuropa, die genauso denken. (…) Wir spürten die Schulter des Anderen.“