Walerij Martschenko wurde 1947 in Kiew geboren. Er war Enkel des bekannten Historikers Mychajlo Martschenko, der Anfang der 40er Jahre als Häftling die stalinistischen Straflager erlebte und ab 1962 als Professor an der Universität Kiew tätig war. Martschenkos Mutter war Ukrainischlehrerin.
Nach abgeschlossenem Philologiestudium an der Universität Kiew arbeitete Martschenko für die Redaktion der Zeitung „Literaturna Ukrajina“. Zugleich absolvierte er ein Fernstudium an der Universität Baku. Sein literarisches Schaffen begann er als Übersetzer aserbaidschanischer und polnischer Literatur. Er schrieb auch über die Literaturbeziehungen zwischen der Ukraine und Aserbaidschan. Bis 1973 hatte er bereits über 100 Publikationen veröffentlicht, darunter drei Bände mit Übersetzungen aus dem Aserbaidschanischen.
Anwerbungsversuche des KGB lehnte Martschenko ab und wurde daraufhin seinerseits von der Geheimpolizei überwacht. Seine Artikel „Unter dem Vorwand der Ideologie“ (Za paravanom idejnosti), „So eine schwere Last“ (Strašnyj jakys‘ tjagar) und „Kiewer Dialog“ (Kyjivs’kyj dialoh) wurden als antisowjetisch und nationalistisch eingestuft. Bei dem letztgenannten, nach Meinung des Autors einem seiner besten Texte, handelt es sich um ein Gespräch mit einem russifizierten Kiewer Technokraten über moderne Formen nationaler Unterdrückung wie die Sprachpolitik oder den Holodomor von 1932 und 1933. Am 25. Juni 1973 wurde Martschenko verhaftet. Neben seinen Texten wurden ihm mündliche und schriftliche Agitation sowie die Weiterverbreitung der Studie „Internationalismus oder Russifizierung?“ von Iwan Dsjuba zur Last gelegt. Am 29. Dezember 1973 verurteilte ihn das Bezirksgericht Kiew nach Artikel 62, Paragraf 1 Strafgesetzbuch der Ukrainischen SSR (entspricht Artikel 70, Paragraf 1 Strafgesetzbuch der RSFSR) zu sechs Jahren Lagerhaft und zwei Jahren Verbannung.
Die Strafe verbüßte Martschenko in den Permer Lagern und übernahm hier die Rolle eines Lagerchronisten. Er sammelte Informationen zur Situation der Gefangenen, formulierte eigene Erklärungen und kollektive Petitionen, verfasste Essays, Skizzen, Interviews. Er war auch an der Erarbeitung des Berichts „Zur Situation der Gefangenen in den Lagern der UdSSR“ (O položenii zaklučonnych w lagerach SSSR) beteiligt, das von der Moskauer Helsinki-Gruppe als Dokument Nr. 87 am 25. April 1979 veröffentlicht wurde. Beim Hinausschleusen der Texte aus dem Lager und bei deren Weiterleitung ins Ausland spielte Martschenkos Mutter, Nina Martschenko (Smuschanyzja), eine wichtige Rolle.
Die bei seiner Festnahme konfiszierten Texte lagerten bis November 1993 in den KGB-Archiven der Ukrainischen SSR. Martschenko selbst hatte nie daran geglaubt, dass sie erhalten bleiben und an die Öffentlichkeit gelangen würden, deshalb verfasste er während seiner Lagerhaft die literarische Skizze „Was ich nicht zu sagen geschafft habe“ (Te, čoho ja ne vstyh skazaty), mit der er sein verloren geglaubtes Schaffen zumindest teilweise kompensieren wollte. Während seiner Lagerhaft und auch in der Verbannung in dem Ort Saralschin im Westen Kasachstans (Juli 1979 bis Mai 1981) betätigte sich Martschenko zudem als Übersetzer aus dem Englischen und übertrug unter anderem die amerikanische Unabhängigkeitserklärung von Thomas Jefferson, Gedichte von Edgar Lee Masters, Robert Burns und William Butler Yeats sowie Prosawerke von William Somerset Maugham und Edgar Allan Poe.
Im Mai 1981 kehrte Martschenko aus der Verbannung nach Kiew zurück. Er fand eine schlecht bezahlte Arbeit als Nachtwächter. In Erklärungen an die Staatsmacht protestierte er gegen Rechtlosigkeit und Willkür die im Land. Er schrieb auch über die Behandlung der Gefangenen und über drakonische Urteile. Martschenko hatte ein schweres Nierenleiden, und sein Arzt warnte ihn, dass ein weiterer Gefängnisaufenthalt seinen Tod bedeuten könnte. 1982 bemühte er sich vergeblich um eine Ausreisegenehmigung zur ärztlichen Behandlung im Ausland.
Im selben Jahr verfasste er eine Skizze über Mykola Hulak, einen Revolutionär aus dem 19. Jahrhundert, der auch Mitglied der antizaristischen Bruderschaft der Heiligen Kyrill und Method war. Das Schicksal von Intellektuellen unter totalitären Bedingungen war für ihn ein Thema, dass ihn fortwährend begleitete. Persönliche Erfahrungen führten ihn zu tiefem Glauben. Fast alle von ihm verfassten Texte fanden im Ausland Verbreitung. Für seinen Mut und seine Integrität als Journalist wurde er in den europäischen PEN-Club aufgenommen.
Im Oktober 1983 wurde Martschenko erneut verhaftet. Am 13. März 1984 verurteilte ihn das Stadtgericht Kiew als „besonders gefährlichen Rückfalltäter“ nach Artikel 62, Paragraf 2 Strafgesetzbuch der Ukrainischen SSR, nach Artikel 56, Paragraf 2 Strafgesetzbuch der Kasachischen SSR sowie nach Artikel 70, Paragraf 2 Strafgesetzbuch der RSFSR wegen „antisowjetischer Agitation“ in drei Sowjetrepubliken zu zehn Jahren Lager mit besonderem Vollzug und zu fünf Jahren Verbannung. Das bedeutete für den gesundheitlich angeschlagenen Martschenko das Todesurteil. 55 Tage hatte der Transport gedauert, mit dem er am 27. Mai 1984 im Lager Kutschin (Permer Lager) eintraf. Dort blieb er bis zum 20. August 1984, bevor man ihn in das Gefängniskrankenhaus in Perm und von dort nach Leningrad brachte.
Walerij Martschenko starb wahrscheinlich am 7. Oktober 1984. Die Herausgabe der Leiche an die Mutter wurde tagelang verweigert. Beerdigt wurde er in dem Dorf Hatne, unweit von Kiew. 2006 wurde er anlässlich des 30. Jahrestages der Gründung der Ukrainischen Helsinki-Gruppe posthum mit dem ukrainischen Tapferkeitsorden Erster Klasse ausgezeichnet.