Jenő Nagy wurde 1952 in Budapest geboren. 1972–76 studierte er an der Loránd-Eötvös-Universität Budapest Soziologie und ungarische Philologie. Nach dem Studium war er als Assistent am Lehrstuhl für Philosophie beschäftigt. Er war außerdem als Dokumentalist in dem landesweiten Forschungsprojekt „Sozialistisches Bewusstsein“ tätig, kümmerte sich um die Einwerbung von Beiträgen mit den dazugehörigen Übersetzungen. Er beschäftigte bei der Gelegenheit auch Menschen, über die ein Publikationsverbot verhängt worden war oder die als Bürgerrechtler arbeitslos waren.
1980 wurde sein Arbeitsvertrag nicht verlängert, ab Herbst 1981 arbeitete er für den von Gábor Demszky geleiteten, unabhängigen Verlag AB. Er nahm verschiedene Redaktions-, Druck und Vertriebsaufgaben wahr und stellte der Redaktion seine Wohnung zur Verfügung. Bei einer 1982 von der Polizei durchgeführten Wohnungsdurchsuchung wurde eine große Anzahl von Büchern beschlagnahmt. Nagy wurde mit aufs Polizeirevier genommen, wo ihm eine Verwarnung ausgesprochen wurde. Im Herbst 1982 gründete er seinen eigenen Verlag „Hítel“ (Glaube). Er gab Bücher, aber auch das Protokoll der Hauptversammlung des Ungarischen Schriftstellerverbandes heraus.
1983 gründete er den Unabhängigen Verlag ABC (ABC Független Kiadó) als zu jener Zeit zweiten maßgebenden Samisdat-Verlag in Ungarn. Im Mai desselben Jahres erhielt er nach einer weiteren Wohnungsdurchsuchung die nächste Verwarnung von der Polizei. 1985 gab er die Zeitschrift für Politik und Kultur „Vakond“ (Blind seiend) heraus, es blieb allerdings bei einer einzigen Nummer. In den Jahren 1986–92 war er Redakteur und Herausgeber der etwas radikaleren Zeitschrift „Demokrata“. Da er jedoch die dem Samisdat-Geschäft innewohnenden Regeln nicht befolgte und auch mit der konspirativen Praxis der oppositionellen Verleger nicht einverstanden war, waren Wohnungsdurchsuchungen bei ihm immer häufiger an der Tagesordnung. Insgesamt gab er in den 80er Jahren über 20 Bücher heraus. 1986/87 wurden gegen ihn mehrfach Geldstrafen wegen Verstößen gegen das Presserecht verhängt. Am 23. Oktober 1986 fand in seiner Wohnung eine Gedenkveranstaltung zum 30. Jahrestag der Ungarischen Revolution von 1956 statt. Im Dezember 1986, im Januar, Juni und August 1987 wurde seine Wohnung erneut von der Polizei durchsucht.
Die von Nagy publizierten Schriften warben für einen radikalen, kompromisslosen Wechsel des politischen Systems in Ungarn. Oft kamen darin auch tabuisierte Themen der ungarischen Außenpolitik zur Sprache. 1987 riefen die Autoren des „Demokrata“ den „Klub der Demokraten“ ins Leben. Bis 1988 traf man sich jeden Donnerstag in Nagys Wohnung und diskutierte verschiedene Themen. Im April 1988 folgte der „Kreis der Republikaner“ mit einem eindeutig antikommunistisch und national ausgerichteten Programm. Am 15. März 1988 wurden Nagy und weitere acht Oppositionelle für 24 Stunden von der Polizei festgenommen; dabei handelte es sich um eine präventive Maßnahme der Polizei im Vorfeld einer geplanten unabhängigen Demonstration.
Im November 1988 sprach sich der Kreis um Nagy klar gegen die Umgestaltung des Netzes Freier Initiativen in den Bund Freier Demokraten (Szabad Demokraták Szövetsége; SZDSZ) aus. Im November 1989 nahmen Nagy und József Talata an einem Sitzstreik vor dem Innenministerium teil. Gefordert wurden eine vollständige Rehabilitierung der oppositionellen Verlage und eine Rückgabe der beschlagnahmten Materialien.
Nach dem Systemwechsel schloss er sich 1989/90 der von György Krassó gegründeten Partei „Magyar Október“ (Ungarischer Oktober) an, die er jedoch – von der Politik desillusioniert – bald wieder verließ. Er blieb weiterhin gesellschaftlich aktiv und engagierte sich unter anderem für christliche Glaubensgemeinschaften. 1993 erhielt er den Imre-Nagy-Orden.