Erinnerungskultur in Ungarn
Die Transformation in Ungarn nach 1989 verlief auf dem Weg von Reformen und nicht als revolutionärer Prozess. Dieser sanfte Übergang zur Demokratie bedeutete aber auch, dass Fragen der Vergangenheitsaufarbeitung nur zögerlich angegangen wurden. Zwar verabschiedete man bereits 1990 erste Regelungen zur Aufhebung von Unrechtsurteilen („Nichtigkeitsgesetz“) sowie zur Entschädigung der Betroffenen. Eine Strafverfolgung von Personen, die während der kommunistischen Diktatur für Verfolgung und Verbrechen verantwortlich waren, blieb jedoch aus. Bis 2005 wurden mehrere Tausend Mitarbeiter in hohen Regierungsämtern hinsichtlich der Ausübung von Parteiämtern oder einer Tätigkeit für den Geheimdienst überprüft; Konsequenzen hatte dies jedoch für die wenigsten. Lediglich ein Prozent der überprüften Personen wurde aufgefordert, ihr Mandat niederzulegen oder ihre Stelle aufzugeben. Enteignetes und beschlagnahmtes Eigentum wurde in den meisten Fällen – mit Ausnahme der Kirchen – nicht restituiert, allerdings oftmals entschädigt.
Unterlagen des ungarischen Staatssicherheitsdienstes waren 1989 in großer Zahl vernichtet worden. Somit erhielt das 1997 zur Verwaltung der Akten der Geheimpolizei gegründete Historische Amt, aus dem 2003 das Historische Archiv der Staatssicherheit hervorging, nur unvollständige Dokumente. Die Akten stehen für die individuelle Einsicht sowie für wissenschaftliche Recherchen und Forschungen zur Verfügung.
Zahlreiche Denkmäler im öffentlichen Raum würdigen vor allem die Freiheitskämpfer der Revolution von 1956 und halten sie in Erinnerung. Seit 1989 ist der 23. Oktober, an dem die revolutionären Ereignisse von 1956 mit einer Großdemonstration in Budapest ihren Ausgang nahmen, Nationalfeiertag.
Vgl.: Museen und Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer der kommunistischen Diktaturen, hrsg. v. Anna Kaminsky, erarbeitet v. Anna Kaminsky, Ruth Gleinig und Lena Ens, Dresden 2018,, S. 383.