Glossar

NOWA

Als eine Gruppe von Studierenden der Katholischen Universität Lublin im Mai 1977 auf einem in Frankreich besorgten Spiritusdrucker im sogenannten Ormigverfahren die erste Ausgabe der literarischen Quartalszeitschrift „Zapis“ hergestellt hatte, erfanden sie die Bezeichnung Unzensiertes Verlagshaus (Nieocenzurowana Oficyna Wydawnicza). Das Vervielfältigungsgerät wurde dann an das Komitee zur Verteidigung der Arbeiter (KOR) weitergegeben, das in seiner Anfangsphase darauf seine Erklärungen und das „Biuletyn Informacyjny“ herstellte. Als man sich im Sommer 1977 auch an den Druck von Büchern machte, erhielt die Initiative auf Anregung von Mirosław Chojecki den Namen „Unabhängiges Verlagshaus NOWA“ (Niezależna Oficyna Wydawnicza NOWA), dessen informeller Leiter Mirosław Chojecki wurde. Bis 1981 brachte NOWA über 100 von der Zensur verbotene, für die polnische Kultur jedoch sehr bedeutsame Bücher heraus (unter anderem von Czesław Miłosz, Tadeusz Konwicki, Jerzy Andrzejewski, Witold Gombrowicz, Kazimierz Wierzyński, Günter Grass, Jan Nowak-Jeziorański, Bohumil Hrabal und Ossip Mandelstam). Auch Zeitschriften wurden herausgegeben, so zum Beispiel „Zapis“, „Krytyka“ sowie Publikationen der Gesellschaft für Wissenschaftliche Kurse.

Bei NOWA erschien in den 70er Jahren auch das „Schwarzbuch der Zensur in der Volksrepublik Polen“ (Czarna księga cenzury PRL), eine entlarvende Darstellung der geltenden Zensurbestimmungen. In den 70er Jahren war NOWA der größte unabhängige Verlag, in dem 1979 auch das Buch „Mała Apokalipsa“ (Deutsch: „Die polnische Apokalypse“, 1982) von Tadeusz Konwicki erschien, der erste Roman, der bereits bei seiner Entstehung so konzipiert war, dass er nur außerhalb der Zensur erscheinen konnte. Der Verlag verfügte über ein eingespieltes konspiratives Team von Druckern und ein breites Vertriebsnetz. Mit der Zeit entwickelte sich NOWA zu einem selbstständigen Verlagsunternehmen: Die Autoren und Übersetzer erhielten Honorare, auch die Drucker wurden bezahlt. Einige Druckaufträge wurden sogar „unter der Hand“ in staatlichen Druckereien realisiert.

Das Leitungsgremium von NOWA hieß „Kollegium“, zu dem Konrad Bieliński, Grzegorz Boguta, Marek Borowik, Marek Chimiak, Mirosław Chojecki, Adam Michnik, Jan Narożniak, Ewa Milewicz und Ryszard Knauff gehörten. Nach Ausrufung des Kriegsrechts am 13. Dezember 1981 wurden die Verlagsleiter, die nicht gerade im Ausland weilten, interniert. Für eine kurze Zeit war Paweł Bąkowski neuer NOWA-Leiter, bevor dann der Historiker Adam Kersten den Verlag unter dem Namen „NOWA 2“ neu gründete. Ab 1983 lag die Verlagsleitung bei Grzegorz Boguta. NOWA gehörte weiter zu den erfolgreichsten Verlagen in Polen und brachte nun auch Tonband- und Videokassetten heraus. Bis 1989 erschienen bei NOWA über 300 Bücher.

Piotr Śmiłowicz

Na Paddašku

Zwischen 1966 und 1986 war das Minsker Atelier des Künstlers Jauhen Kulik Treffpunkt der Opposition, später wurden die Teilnehmer der Zusammenkünfte als Gruppe Na Paddašku (Unterm Dach) bezeichnet. Für das Milieu oppositioneller Künstler und Intellektueller in Belarus waren sie repräsentativ und zugleich seine einflussreichsten Vertreter. Die Mitglieder der Gruppe sammelten Material zur belarussichen Geschichte und Volkskunst, veranstalteten (teilweise inoffizielle) Ausstellungen über historische und kulturelle Ereignisse und Persönlichkeiten des Landes, verbreiteten Untergrundliteratur und organisierten Veranstaltungen zu den wichtigsten nationalen Feiertagen. Na Paddašku unterhielt Kontakte zu in ähnlicher Weise agierenden Gruppen im Inland (Akademisches Zentrum), zur belarussischen Emigration und zu belarussischen Intellektuellenkreisen in Litauen und in Russland.

„Napló“

Eine Aktion, die Ende der 70er Jahre von dem Schriftsteller Mihály Kornis in Ungarn initiiert wurde. Die Autoren des „Napló“ (Tageblatt) verfassten Texte vor allem zu politischen Themen und schickten sich diese gegenseitig zu. Die Aktion von Kornis dauerte bis 1982. Diese Initiative bereitete der ungarischen Samisdat-Literatur den Weg.

National-Demokratische Partei

Die 1981 in Tiflis von Georgi Tschanturia, Mamuka Giorgadse, Irakli Kadagischwili und anderen gegründete National-Demokratische Partei (Erovnul Demokratiuli Partia) betrachtete sich als politische Erbin einer Partei mit dem gleichen Namen, die 1917 während der Kämpfe um die Wiedererlangung der Unabhängigkeit Georgiens entstanden und 1921 nach der Etablierung des kommunistischen Regimes zerschlagen worden war. Zwischen 1981 und 1988 war die Gruppe illegal aktiv, verfasste und verbreitete politische Aufrufe und politische Schriften und veranstaltete behördlich nicht genehmigte Kundgebungen und Demonstrationen. Mitglieder der Gruppe unterstützten darüber hinaus die Gründung der Ilia-Tschawtschawadse-Gesellschaft. Am 30. August 1988 gab die National-Demokratische Partei ihre Existenz öffentlich bekannt. Ihre erklärten Ziele waren die Stärkung der Unabhängigkeit Georgiens, die Entwicklung einer freien Marktwirtschaft, die Verteidigung christlicher Werte und nationaler Traditionen sowie die Etablierung einer Theodemokratie, als einer Synthese aus westlicher Demokratie und orthodoxem Christentum. 1990 und 1991 stand die Partei in Opposition zum Regime von Swiad Gamsachurdia. Ihr Vorsitzender war bis zu seinem Tod im Dezember 1994 Georgi Tschanturia. Die National-Demokratische Partei beteiligte sich im Folgenden im Rahmen verschiedener Allianzen an den Parlamentswahlen, verlor jedoch zunehmend an Bedeutung.

Nationalbewegung der Krimtataren

Als sogenannte Ferghanagruppe wurde die Nationalbewegung der Krimtataren (Nacional’noe dviženie krymskich tatar, NDKT) 1989 von Bekir Osmanow und seinem Sohn Juri Osmanow in Opposition zur Organisation der Nationalbewegung der Krimtataren gegründet. Sie setzte sich für die Rückkehr der Krimtataren auf die in ihre historische Heimat ein und gab die Zeitschrift „Areket“ (Bewegung) heraus. Nach dem Tod von Juri Osmanow wurde sie von Waswi Abduraimow geleitet, der 2006 die in Opposition zum Medschlis stehende Organisation „Milli Firka“ mitbegründete und bis heute deren Vorsitzender ist.

Nationale Rettungsfront

Provisorisches rumänisches Regierungsorgan, das sich nach der Entmachtung von Nicolae und Elena Ceaușescu am 22. Dezember 1989 konstituierte. Die Nationale Rettungsfront (Frontul Salvării Naționale) setzte sich aus Oppositionellen und parteiinternen Reformern zusammen, in der Praxis wurde die Macht jedoch von einer Gruppe ehemaliger Apparatschiks ausgeübt, an deren Spitze Ion Iliescu stand. Am 26. Dezember 1989, einen Tag nach der Hinrichtung von Nicolae und Elena Ceaușescu, setzte die Rettungsfront eine Regierung ein, deren Chef Petre Roman wurde (Sohn Walter Romans, eines bekannten kommunistischen Funktionärs). Die neue Regierung bestand in ihrer Mehrheit aus ehemaligen Kommunisten sowie aus Armee- und Geheimdienstoffizieren.

Am 23. Januar 1990 gestaltete sich die Rettungsfront – entgegen früheren Ankündigungen – in eine politische Partei um. Zum Zeichen des Protests verließen ehemalige Aktivisten der demokratischen Opposition, darunter Doina Maria Cornea und die Dichterin und Dissisentin Ana Blandiana die Organisation. Aus der Nationalen Rettungsfront ging de facto die sozialdemokratische Nachfolgepartei der Rumänischen Kommunistischen Partei hervor.

 

Nationale Vereinigte Partei Armeniens

1966 gründeten Hajkasn Chatschatrjan, Stepan Satikjan und Schahen Harutjunjan in Jerewan die oppositionelle „Nationale Vereinigte Partei Armeniens“ (Hajastani Azgajin Miazjal Kussakzutjun). Ziel der NVPA war die politische Souveränität Armeniens. Ihre Mitglieder verbreiteten Flugblätter, organisierten Protestaktionen und gaben die Untergrundzeitschrift „Paros“ heraus. 1967 schlossen sich ihr die Gruppe Shant sowie 1968 und Anfang der siebziger Jahre einige Gruppen des Bundes der armenischen Jugend an. 1968 wurden die führenden Köpfe der Partei verhaftet, eine Unterbrechung aller Parteiaktivitäten war die Folge. Die Reaktivierung der Partei erfolgte 1973, Parujr Hajrikjan wurde ihr Vorsitzender. Er änderte das Statut und das Programm der Partei, dem er ein Kapitel über Menschenrechte hinzufügte und das Ziel, ein Referendum über die Unabhängigkeit Armeniens abzuhalten, um so auf demokratischem Weg die Souveränität des Landes zu erreichen. Nach seiner erneuten Verhaftung und Verurteilung 1974 verbreitete Hajrikjan während der Verbüßung seiner Haftstrafe in den mordwinischen Lagern und Permer Lagern die Ideen der NVPA unter seinen politischen Mithäftlingen und konnte so auch russische und ukrainische Dissidenten für die Partei gewinnen.

Nationaler Appell an das Präsidium des ZK der KPdSU

Im Juni 1956 wandten sich die Krimtataren erstmals nach ihrer Deportation 1944 mit einem Massenappell (mit rund 18.000 Unterschriften) an den sowjetischen Staat. Darin wurden die gegen die Volksgruppe verübten Verbrechen benannt und die Möglichkeit einer Rückkehr auf die Krim gefordert. Der Appell wurde dem Zentralkomitee der KPdSU von den Vertretern des Volkes übergeben.

Neuer Wirtschaftsmechanismus

Von der kommunistischen Regierung Ungarns im Jahre 1968 eingeführter Mechanismus, der sich auf den sogenannten Faktor R gründete. Danach waren, wenn auch in sehr begrenztem Ausmaß, bestimmte marktwirtschaftliche Elemente sowie ein Wettbewerb zwischen Unternehmen zulässig, die diesen eine gewisse wirtschaftliche Unabhängigkeit verliehen, wenn sie auch weiterhin der Planwirtschaft untergeordnet blieben.

„Normalisierung“

Bezeichnung für die Politik der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei (KSČ) zur Wiedereinführung eines moskautreuen Staatssozialismus nach dem Einmarsch von Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei. Der Ausgangspunkt der sogenannten „Normalisierung“ lag im Moskauer Protokoll, das von der tschechoslowakischen Regierung unter sowjetischem Druck am 26. August 1968 unterschrieben wurde und die künftigen Richtlinien für die kommunistische Staatsführung vorgab. Das Protokoll genehmigte die Stationierung sowjetischen Militärs auf tschechoslowakischem Staatsgebiet und sprach von einer „Normalisierung“ der Verhältnisse im Einklang mit den marxistisch-leninistischen Grundsätzen. Die tschechoslowakische Regierung nahm daraufhin moskautreue Parteifunktionäre in ihre Reihen auf und machte die seit Januar 1968 eingeführten Reformen sukzessive wieder rückgängig. So wurde etwa die Zensur wieder eingeführt. Reformanhänger wurden aus der Partei ausgeschlossen und verloren ihre Arbeit. Im Dezember 1970 machte die Kommunistische Partei den Text „Die Lehren aus der krisenhaften Entwicklung“ zu ihrem neuen Grundsatzdokument.

Mit „Normalisierung“ werden auch die Jahre von 1969 bis 1989 insgesamt bezeichnet, in denen die Kommunistische Partei alle Bereiche des öffentlichen Lebens kontrollierte und auch das kulturelle und geistige Leben der Bürger sehr viel stärker einschränkte, als dies noch in der 60er Jahren der Fall gewesen war. In diese Phase fällt auch eine starke Ausweitung privater Konsummöglichkeiten sowie gleichzeitige gewaltige, zuweilen überflüssige staatliche Investitionen, die die tatsächlichen ökonomischen Möglichkeiten der Tschechoslowakei überstiegen und den technologischen Rückschritt des Landes eher noch verstärkten. Diese veränderten politischen und gesellschaftlichen Bedingungen trieben viele Menschen in die Emigration. Unmittelbar nach 1968 verließen rund 80.000 Bürger die Tschechoslowakei. Die bekannteste Beschreibung der Zeit der „Normalisierung“ ist „Die Wiederherstellung der Ordnung“ (Obnovení pořádku) von Milan Šimečka.

„Nova revija“

Die „Nova revija“ war eine slowenische Zeitschrift mit soziokulturellem Profil. In der Nummer 57 des Jahrgangs 1987 erschien eine ganze Serie von Artikeln unter dem Leitthema „Elemente des slowenischen Nationalprogramms“. Wissenschaftler, Schriftsteller und Publizisten (darunter Dimitrij Rupel, Veljko Rus und Jože Pučnik) thematisierten die Lage des slowenischen Volkes, das sie als nationale Minderheit marginalisiert und durch die vereinheitlichende Kraft des jugoslawischen Föderalismus bedroht sahen. Abgewendet werden könne dieses Schicksal, so die Verfasser, wenn Slowenien zu einem eigenständigen und souveränen Staat des demokratischen Sozialismus, vergleichbar mit westlichen Ländern würde. Die Probleme der anderen Völker Jugoslawiens seien nicht die Probleme der Slowenen, und die Slowenen sollten sich damit nicht beschäftigen. Gleichwohl betrachteten sie Jugoslawien weiterhin als eine der Optionen für Slowenien, jedoch ausschließlich in Form einer losen Konföderation. Die Veröffentlichung der „Elemente des slowenischen Nationalprogramms“ war Ankündigung und Auftakt eines Prozesses der Wiedergeburt der slowenischen Zivilgesellschaft 1987/88, der auch als „Slowenischer Frühling“ bezeichnet wurde.