Sergei Soldatow wurde 1933 im estnischen Narva (Narwa) in einer russischen Familie geboren. Nach dem Abschluss der Höheren Schule in Jõgeva 1952 arbeitete er zunächst in den Gaswerken in Kohtla-Järve. Zwei Jahre später begann er an der Technischen Hochschule in Leningrad ein Maschinenbaustudium. 1956 richtete er ein Schreiben an das ZK der KPdSU mit der Forderung nach demokratischen Reformen, woraufhin er aus dem Komsomol ausgeschlossen wurde. Nach Abschluss seines Studiums, das er mit Auszeichnung bestand, kehrte er 1960 nach Estland zurück. Er arbeitete in den Fabriken „Volta“ und „Kalev“ und war Dozent und Übersetzer an Hochschulen in Tallinn (Reval).
Mitte der 60er Jahre umgab er sich mit Vertretern der Tallinner Intelligenz. Es entstand ein Diskussionsklub, den Soldatow in Tagebüchern als „Demokratische Gruppe“ bezeichnete. Mit der Zeit entwickelte sich daraus eine Untergrundorganisation. Den entscheidenden Anstoß dafür hatte die Aufdeckung und Liquidierung des Allrussischen Sozial-Christlichen Verbandes zur Befreiung des Volkes (Vserossijskij social-christianskij sojuz osvoboždenija naroda; WSChSON) gegeben. Nachdem man sich für konspiratives Vorgehen entschlossen hatte, stand die Sicherheit der Mitglieder der Gruppe im Vordergrund der Arbeit.
Als Anfang 1968 ein westlicher Rundfunksender die Adresse des russischen Historikers Pjotr Jakir verbreitete, fuhr Soldatow nach Moskau, um die dortigen Dissidenten kennenzulernen. Er überredete sie dazu, den offenen Kampf um die Demokratisierung aufzugeben und konspirativ zu arbeiten, auch initiierte er den Austausch von Untergrund-Publikationen zwischen Tallinn und Moskau. Die Broschüre „Memorandum. Gedanken über Fortschritt, friedliche Koexistenz und geistige Freiheit“ von Andrei Sacharow ließ er ins Estnische übersetzen und in Estland verbreiten. Im September 1968 verfasste er zusammen mit Artem Juskevitš den Artikel „Hoffen oder handeln?“ (Nadejat‘sja ili dejstvovat‘?), eine kritische Erwiderung auf Sacharows Memorandum.
Nach der Verhaftung der führenden Köpfe der oppositionellen Organisation „Verband der Kämpfer für politische Rechte“ durch den KGB wurde auch Soldatows Wohnung durchsucht. Er wurde mehrmals verhört und mithilfe eines psychiatrischen Gutachtens für psychisch krank erklärt.
1969–70 formulierte er zusammen mit Artem Juskevitš zwei Grundsatzdokumente: im Oktober 1969 das Programm der Demokratischen Bewegung der Sowjetunion (Demokratičeskie Dviženie Sovetskogo Sojuza), unterzeichnet mit „Demokraten Russlands, der Ukraine und der baltischen Länder“, und 1970 die Schrift „Taktische Grundsätze der Demokratischen Bewegung der Sowjetunion“ (Taktičeskie osnowy DDSS). In beiden Dokumenten wurde das Prinzip, unabhängige Ansichten offen zum Ausdruck zu bringen, kritisiert. Stattdessen sprach man sich für ein konspiratives Vorgehen aus. Die Texte riefen im russischen und ukrainischen Samisdat eine lebhafte Diskussion hervor.
1969 gründete Soldatow die Untergrundzeitschrift „Demokrat“, von der bis 1972 sieben Nummern erschienen. Dort veröffentlichte er hauptsächlich eigene Texte unter verschiedenen Pseudonymen (Dimitrij Donskoj, Wolnij, W. Siewieryj, Pieczalnik und andere), so auch Teile der Abhandlung „Welt, Mensch, Zeit“ (Мir, čelovek, vrem‘ja). Soldatows Taktik schloss sich unter anderen die Moskauer Gruppe von Aleksander Bolonkin an, die Dokumente und Schriften der Demokratischen Bewegung der Sowjetunion verbreiteten.
Ab August 1970 arbeitete er mit der Estnischen Volksfront zusammen und schrieb Artikel in estnischer Sprache für ihr Organ „Eesti Rahvuslik Hääl“ (Estnische Nationale Stimme). 1972 beteiligte er sich an der Ausarbeitung des Programms der „Estnischen Demokratischen Bewegung“, die sich von der Demokratischen Bewegung der Sowjetunion unterschied, und gründete zusammen mit anderen deren Zeitschrift „Eesti Demokrat“ (Estnischer Demokrat). Im Herbst 1972 war er an der Ausarbeitung des Memorandums der Estnischen Demokratischen Bewegung und der Estnischen Volksfront beteiligt. Er hielt Philosophie- und Ethikseminare und versuchte, mit der „Moralisch-Politischen Wiedergeburt“ einen neuen Verband zu gründen, der die geistige Strömung innerhalb der Demokratischen Bewegung der Sowjetunion repräsentieren sollte. 1971 folgte die Gründung der Untergrundzeitschrift „Strahl der Freiheit“ (Луч свободы), die – wie er in seinen Erinnerungen schreibt – das Organ dieser Gruppe war. Bis 1974 erschienen acht Nummern.
Nach den Verhaftungen von Artem Juskevitš, Mati Kiirend, Kalju Mätik und Arv Varat im Dezember 1974, hielt er sich fast einen Monat lang verborgen. Als er in seine Wohnung zurückkehrte, wurde er am 4. Januar 1975 verhaftet. Während der Ermittlungen verweigerte er die Aussage, im Prozess verzichtete er auf einen Anwalt und forderte den Austausch der Richter wegen ihrer Zugehörigkeit zur KPdSU. In seiner Verteidigungsrede wies er den Vorwurf des verbrecherischen Charakters seines Handelns zurück. Der Prozess gegen Soldatow und seine Anhänger fand vom 21. bis 31. Oktober 1975 statt. Das Oberste Gericht der Estnischen SSR verurteilte ihn nach Artikel 68, Paragraf 1 Strafgesetzbuch der ESSR (siehe Artikel 70 Strafgesetzbuch der RSFSR) zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren.
Die Strafe musste er in den mordwinischen Lagern verbüßen. Er beteiligte sich dort an Aktionen der politischen Häftlinge und unterzeichnete Protestbriefe. 1978 erschien in der Pariser Wochenschrift „Russkaja Mysl“ (Russisches Denken) ein Artikel von ihm über das Recht der Unionsrepubliken, aus der Sowjetunion auszutreten und selbstständig zu werden. Diese Idee wurde im In- und Ausland ambivalent aufgenommen, was in einer lang andauernden Polemik in der Presse seinen Ausdruck fand.
1979/80 bereitete er zwei Sammelbände mit eigenen Artikeln vor, „Zehn Jahre Demokratische Bewegung“ (Десять лет Демократического Движения) und „Gedanke im Feuer“ (Мысль в огне). Er übermittelte sie in den Westen, wo sie jedoch nicht veröffentlicht wurden.
Nach seiner Freilassung wohnte er wieder in Tallinn. Im Mai 1981 emigrierte er unter dem Druck der Behörden in die Bundesrepublik Deutschland. 1983–93 arbeitete er in der estnischen Sektion von Radio Freies Europa. Ab 1989 publizierte er überwiegend in der national-patriotisch orientierten russischen Presse. Ab 1993 arbeitete er als freier Journalist. 2000 kehrte Sergei Soldatow nach Tallinn zurück, wo er 2003 starb.