Jelena Bonner wurde 1923 in Merw, dem heutigen Mary in Turkmenistan geboren. Ihr Stiefvater Gework Alichanow war ein bekannter Revolutionsführer im Kaukasus und ab 1921 Erster Sekretär der Kommunistischen Partei Armeniens. Später übte er zahlreiche Parteifunktionen in Leningrad aus, war in den 30er Jahren Leiter der Kaderabteilung und Mitglied des Exekutivkomitees der Komintern. Während des stalinistischen Großen Terrors wurde er 1937 verhaftet und 1938 hingerichtet. Als ihre Mutter Ruth Bonner, die auch Parteifunktionärin war, ebenfalls verhaftet wurde, fuhr Jelena Bonner zu ihrer Großmutter nach Leningrad. Dort beendete sie die Schule und nahm 1940 ein Studium an der Fakultät für russische Sprache und Literatur am Leningrader Institut für Pädagogik auf. Im Zweiten Weltkrieg meldete sie sich 1941 als Freiwillige an die Front und wurde als Krankenschwester in Sanitätszügen eingesetzt. Nach zwei Verwundungen wurde sie im August 1945 als Invalidin demobilisiert.
1947 begann sie, am Ersten Leningrader Medizinischen Institut zu studieren. Im März 1953 weigerte sie sich, auf einer Versammlung des sowjetischen Jugendverbandes Komsomol angebliche „Mörder-Ärzte“ zu verdammen, die angeklagt waren, an einer Verschwörung gegen Stalin beteiligt zu sein. Vor einem Verweis von der Hochschule schützte sie Stalins Tod und die Einstellung der „Ärzte-Affäre“. Nach Abschluss ihres Studiums arbeitete sie als Bezirksärztin und Kinderärztin auf einer Entbindungsstation und unterrichtete an einer Medizinschule.
Ihre medizinische Arbeit verband sie mit literarischen Tätigkeiten. Ihre Skizzen wurden in den Zeitschriften „Neva” (Newa), „Junost‘” (Jugend) und „Literaturnaja gazeta” (Literaturzeitung) gedruckt. Sie arbeitete als Redakteurin in der Leningrader Außenstelle des Staatlichen Medizinverlages, aber auch als freie literarische Beraterin des Schriftstellerverbands. Sie beteiligte sich an der Redaktion des Sammelbandes „An den Fronten des Großen Vaterländischen Krieges gefallene Schauspieler“ (Aktëry, pogibšie na frontach Velikoj Otečestvennoj Vojny) und redigierte die 1964 erschienenen „Tagebücher, Briefe, Gedichte“ (Dnevniki, pis‘ma, stichi) des Dichters Wsewolod Bagritzki mit. Dieser war seit Jugendtagen ein Freund Bonners und fiel an der Front.
In der zweiten Hälfte der 60er Jahre führte Felix Krasawin seinen Freund Eduard Kusnezow, den er als politischer Häftling in den mordwinischen Lagern kennen gelernt hatte, in den Freundeskreis von Jelena Bonner ein. Ihm folgten Waleri Tschalidse und andere Dissidenten, die in ihr Haus kamen. Als vorgebliche „Verwandte“ von Kusnezow, der 1970 verhaftet wurde, nahm sie am Flugzeug-Prozess teil, protokollierte den Prozessverlauf und bemühte sich im Untersuchungsgefängnis und später auch während seiner Lagerhaft um Besuchstermine bei Eduard Kusnezow. Als der KGB 1973 die Umstände aufdeckte, unter denen die Tagebücher von Eduard Kusnezow in den Westen geschmuggelt worden waren, gab sie eine Erklärung ab, in der sie die Verantwortung für die Weitergabe übernahm.
Andrei Sacharow lernte sie bei Waleri Tschalidse kennen. Beide trafen sich erneut im Oktober 1970 in Kaluga 190 Kilometer südwestlich von Moskau beim Prozess gegen Rewolt Pimenow und Boris Wail und heirateten 1971.
1972 trat Bonner aus der KPdSU aus, der sie sieben Jahre angehört hatte. In den folgenden Jahren nahm sie bis 1976 aktiv an Kampagnen zur Verteidigung der Menschenrechte teil. Ihre Unterschrift stand nicht nur unter zahlreichen Petitionen zur Verteidigung einzelner Verfolgter, sie unterzeichnete auch allgemeinpolitische Aufrufe, so zum Beispiel Appelle für politische Amnestie, für die Abschaffung der Todesstrafe (1973) und den Moskauer Appell von 1974. Ihren Ehemann begleitete sie auf Reisen nach Omsk, wo sie zusammen 1976 versuchten, an der Gerichtsverhandlung gegen Mustafa Dschemiljew teilzunehmen.
Das Ehepaar Sacharow organisierte den geheimen Versand zahlreicher Werke von Alexander Galitsch und Wladimir Maximow sowie des Manuskripts der Erzählung „Leben und Schicksal“ (Žizn‘ i sud’ba) von Wassili Grossman ins Ausland, das vom KGB Anfang 1961 konfisziert worden war. In ihrem Haus beriefen sie zahlreiche Konferenzen für ausländische Journalisten ein. Auf einer dieser Versammlungen wurde am 30. Oktober 1974 verkündet, dass Häftlinge der Permer Lager und der mordwinischen Lager einen Tag des politischen Häftlings in der UdSSR ausgerufen hätten.
Im September 1974 rief sie einen Hilfsfonds für Kinder politischer Häftlinge ins Leben, der später mit dem Hilfsfonds für politische Häftlinge und ihre Familien zusammengelegt wurde. Andrei Sacharow spendete das Geld des Cino-Del-Duca-Preises, der ihm in Frankreich für sein humanitäres Engagement verliehen worden war, für diesen Hilfsfonds.
1975 wurde Jelena Bonner erlaubt, zu einer medizinischen Behandlung ins Ausland zu reisen. Als im Oktober bekannt gegeben wurde, dass Andrei Sacharow der Friedensnobelpreis verliehen werde, hielt sie sich grade in Italien auf. Im Auftrag ihres Mannes vertrat sie diesen in Oslo bei der Zeremonie zur Preisverleihung.
Der Moskauer Helsinki-Gruppe schloss sie sich im Mai 1976 an. Sie beteiligte sich aktiv daran, deren Arbeit zu organisieren und Dokumente zu redigieren. Sie war die einzige der Gründungsmitglieder, die sich zum Zeitpunkt der Selbstauflösung der Gruppe am 6. September 1982 in Freiheit und nicht im Exil befand.
Im Januar 1980 folgte sie ihrem Ehemann in die Verbannung nach Gorki, dem heutigen Nischni Nowgorod. Während der kommenden vier Jahre war sie fast die einzige Verbindung ihres Mannes mit der Außenwelt. Sie brachte seine Artikel, Briefe und Erklärungen nach Moskau und leitete sie ins Ausland weiter.
Am 2. Mai 1984 wurde auch Bonner auf dem Flughafen von Gorki verhaftet. Ihr wurden Vergehen nach Artikel 190, Paragraf 1 Strafgesetzbuch der RSFSR vorgeworfen, allerdings wurde sie nach Hausdurchsuchung und Verhör freigelassen. Sie musste aber eine Verpflichtung unterschreiben, dass sie das Land nicht verlassen werde. Ihr wurden Interviews und öffentliche Auftritte im Ausland sowie zwei der von ihr unterzeichneten Appelle der Moskauer Helsinki-Gruppe zur Last gelegt. Am 10. August 1984 verurteilte sie das Bezirksgericht Gorki zu fünf Jahren Verbannung, als Verbannungsort wurde – wie bei ihrem Mann – Gorki festgelegt. Damit war praktisch jegliche Verbindung des Ehepaars Sacharow zur Außenwelt gekappt.