Wjatscheslaw Tschornowil kam am 24. Dezember 1937 in dem Dorf Jerki im Gebiet Tscherkask als Kind von Dorflehrern zur Welt. 1960 beendete er mit Auszeichnung ein Journalismus-Studium an der Universität Kiew. Schon als Student erregte er mit seinen unabhängigen Ansichten Missfallen und musste sein Studium 1958 für ein Jahr unterbrechen. Drei Jahre arbeitete er als Redakteur von Jugendfernsehsendungen in Lwiw. Im Mai 1963 zog er nach Kiew und legte 1964 die Prüfung für ein Promotionsstudium der ukrainischen Literaturgeschichte am Pädagogischen Institut in Kiew ab, das ihm jedoch aus politischen Gründen versagt wurde. Einige Zeit arbeitete er auf der Baustelle des Kiewer Wasserkraftwerks, später leitete er eine Abteilung der Zeitschrift „Moloda hvardija“.
Zusammen mit Iwan Switlytschny, Iwan Dsjuba, Jewhen Swjerstjuk und Alla Horska beteiligte sich Tschornowil seit 1963 an Initiativen der Generation der Sechziger. Selbst Autor von Texten, die nur im Untergrund erscheinen konnten, engagierte er sich auch im Vertrieb von Samisdat-Publikationen. Im Dezember 1964 veranstaltete er einen Gedenkabend für Wassyl Symonenko und engagierte sich außerdem im Kiewer Klub der schöpferischen Jugend. Am 4. August 1965 beteiligte sich Tschornowil an der Protestaktion bei der Vorführung des Films „Feuerpferde“ von Sergei Paradschanow. Daraufhin verlor er seine Arbeitsstelle, und es begannen Hausdurchsuchungen und Verhöre. Im April 1966 verweigerte Tschornowil die Aussage in dem nicht öffentlichen Verfahren gegen die Brüder Bohdan und Mychajlo Horyn in Lwiw, wofür das Gericht ihn nach Artikel 179 Strafgesetzbuch der Ukrainischen SSR zu drei Monaten Zwangsarbeit verurteilte. Eine Anstellung als Journalist blieb ihm fortan versagt, er fand jedoch Arbeit bei der Gesellschaft für Umweltschutz in Lwiw.
Tschornowil sammelte Informationen über Menschenrechtsverletzungen durch Gerichte und Ermittlungsbehörden. Im Mai 1966 veröffentlichte er im Samisdat sein dokumentarisches Buch „Rechtsstaatlichkeit oder Rückfall in den Terror?“ („Prawosudia čy recydyvy teroru?“). 1967 arbeitete er an der Dokumentation „Verstand schafft Leiden. Porträts von zwanzig ‚Kriminellen‘“, mit der er an die von der ersten Verhaftungswelle betroffenen Vertreter der Generation der Sechziger erinnerte. Das Buch wurde im westlichen Ausland auf Englisch und Französisch publiziert und in Großbritannien mit einem internationalen Journalistenpreis geehrt.
Am 3. August 1967 wurde Tschornowil verhaftet, und am 15. November 1967 verurteilte ihn das Gebietsgericht in Lwiw nach Artikel 187, Paragraf 1 Strafgesetzbuch der Ukrainischen SSR (entspricht Artikel 190, Paragraf 1 Strafgesetzbuch der RSFSR) zu drei Jahren Lagerhaft. Sein Schlussplädoyer im Prozess wurde im Samisdat verbreitet. Die Haftstrafe verbüßte Tschornowil in der Siedlung Trudowe im Gebiet Winnyzja. Im Sommer 1968 trat er aus Protest gegen die Beschlagnahmung von Lagertexten in einen 48-tägigen Hungerstreik. Im Februar 1969 kam er aufgrund einer Amnestie vorzeitig frei.
Im Mai 1969 unterzeichnete Tschornowil den ersten Brief der Initiativgruppe zur Verteidigung der Menschenrechte in der UdSSR. Im gleichen Jahr verfasste er in Reaktion auf eine staatlicherseits beauftragte Broschüre, die auf die Diskreditierung von Iwan Dsjuba abzielte, den Text „Wie und was verteidigt B. Stentschuk, oder 66 Antworten an einen ‚Internationalisten‘“ (Jak i ščo obstojue B. Stenčuk, abo 66 vipovidej ‚internacjonalistovi‘). Darin legte er die ideologischen und propagandistischen Methoden von Partei und KGB offen. Der Artikel wurde in der von Tschornowil ab 1970 herausgegebenen Zeitschrift „Ukrajins‘kyj visnyk“ (6/1972) veröffentlicht. Bis zu seiner Verhaftung konnten insgesamt fünf Ausgaben erscheinen. Die von ihm vorbereitete sechste Ausgabe wurde in Lwiw von Mychajlo Kossiw und Atena Paschko herausgebracht. Der „Ukrajins‘kyj visnyk“ wurde zur wichtigsten Zeitschrift des ukrainischen Samisdat.
Im Sommer 1971 wandte sich Tschornowil an die UN-Menschenrechtskommission und warnte vor drohenden Verhaftungen von Angehörigen der ukrainischen Intelligenz. Im August 1971 drückte er in einem Brief an das ZK der Kommunistischen Partei der Ukraine seine Unterstützung für Walentyn Moros aus und verweigerte die Aussage in dem nicht öffentlich verhandelten Prozess gegen ihn. Im Dezember 1971 initiierte er die Gründung des Gesellschaftlichen Komitees zur Verteidigung von Nina Strokata.
Am 12. Januar 1972 wurde Tschornowil erneut verhaftet. Nachdem er aus Zeitungen über seine angebliche Beteiligung am Dobosch-Fall erfahren hatte, verweigerte er seine Beteiligung am Untersuchungsverfahren, das sich über 14 Monate erstreckte. Da es nicht gelang, ihm die Herausgabe des „Ukrajins‘kyj visnyk“ nachzuweisen, erpresste man ihn mit der Verhaftung seiner Frau Atena Paschko und seiner Schwester Walentyna Tschornowil. Als Zeichen des Protests trat er in einen achttägigen Hungerstreik. Am 12. April 1973 verurteilte ihn das Gebietsgericht in Lwiw nach Artikel 63, Paragraf 1 Strafgesetzbuch der Ukrainischen SSR (entspricht Artikel 70, Paragraf 1 Strafgesetzbuch der RSFSR) zu sechs Jahren Lagerhaft und drei Jahren Verbannung.
Seine Strafe verbüßte Tschornowil in den mordwinischen Lagern. Hier war er Initiator und Teilnehmer zahlreicher Protestaktionen und Hungerstreiks und kämpfte für die Einführung des Status „politischer Gefangener“. Er verfasste zahlreiche Briefe und Appelle, die im Samisdat veröffentlicht wurden und in der „Chronik der laufenden Ereignisse“ Erwähnung fanden. Am 17. Januar 1977 ging beim Präsidium des Obersten Sowjets der UdSSR ein von Tschornowil, Parujr Hajrikjan und Wladimir Ossipow verfasster Entwurf zur Regelung des Status „politischer Gefangener“ ein. Fast die Hälfte seiner Haftzeit verbrachte Tschornowil in der Arrestzelle und im Gefängnis des Lagers. Vom Lagerkommandanten wurde er als „Häftlingsgeneral“ bezeichnet. Ebenso betitelte ihn in einer literarischen Darstellung der Schriftsteller Michail Chejfez. Gemeinsam mit seinem Mithäftling Borys Penson schrieb Tschornowil eine „Chronik des Lageralltags“ (Chronika taborovych budniv). Der Text erschien 1976 in der Zeitschrift „Sučasnist‘“ und wurde in viele Sprache übersetzt.
Anfang 1978 erreichte Tschornowil seinen Verbannungsort, die Siedlung Tschapanda in Jakutien. In einer Broschüre beschrieb er den Kampf um die Anerkennung des Status „politischer Gefangener“ in den Lagern. Im selben Jahr wurde er in den internationalen PEN-Club aufgenommen und trat am 22. Mai 1979 der Ukrainischen Helsinki-Gruppe bei.
Im April 1980 wurde Tschornowil aufgrund fingierter „Beweise“ unter dem Vorwurf der „versuchten Vergewaltigung“ verhaftet. Aus Protest trat er für 120 Tage in den Hungerstreik. In seinem Schlussplädoyer während des folgenden Prozesses beschuldigte er KGB und Polizei der Fälschung von Dokumenten. Sein Appell an das Gericht, sich nicht an dieser Verschwörung zu beteiligten, blieb ungehört: Am 6. Juni 1980 verurteilte ihn das Stadtgericht in Mirny nach Artikel 177 Strafgesetzbuch der RSFSR zu fünf Jahren Freiheitsentzug. Die Strafe verbüßte er in einem Lager in der Siedlung Tabaga in der Jakutischen ASSR. Dank einer Intervention des Staatsanwalts von Jakutien wurde Tschornowil 1983 vorzeitig entlassen. Fortan arbeitete er als Heizer, zunächst im nahe gelegenen Pokrowsk und ab Mai 1985, nach seiner Rückkehr in die Ukraine, in Lwiw.
Im Herbst 1987 gab Tschornowil zusammen mit Mychajlo Horyn einer ausländischen Korrespondentin ein von den Behörden als „abweichlerisch“ bezeichnetes Interview. Als in der darauffolgenden Kampagne Tschornowils und Horyns Ausweisung aus der UdSSR gefordert wurde, appellierten sie an alle Staaten, ihnen die Aufnahme zu verweigern. Im Sommer 1987 gab Tschornowil erneut den „Ukrajins‘kyj visnyk“ heraus, der zum Sprachrohr der Ukrainischen Helsinki-Gruppe wurde. Er wurde Mitglied der Ukrainischen Initiativgruppe für die Befreiung der Gewissensgefangenen. Am 11. März 1988 unterschrieb er gemeinsam mit Mychajlo Horyn und Senowij Krassiwskyj den „Aufruf der Ukrainischen Helsinki-Gruppe an die ukrainische und die Weltöffentlichkeit“ (Zvernennja Ukrajins‘koji Hel‘sins’koji Hrupy do ukrajins‘koji ta svitovoji hromads‘kosti) über die Reaktivierung der Ukrainischen Helsinki-Gruppe, gedacht als Grundlage für die Gründung einer politischen Partei. Tschornowil war Mitverfasser (zusammen mit den Brüdern Bohdan und Mychajlo Horyn) der am 7. Juli 1988 auf einer Kundgebung in Lwiw präsentierten „Deklaration der Prinzipien der Ukrainischen Helsinki-Union“ (Deklaracija pryncypiv Ukrajins‘koj Hel‘sins’koji Spilky). Die aus der Ukrainischen Helsinki-Gruppe hervorgegangene Ukrainische Helsinki-Union war die erste öffentliche, parteiähnliche Organisation in Opposition zur KPdSU in der Ukraine. Ihr erklärtes Ziel war die Unabhängigkeit der Ukraine durch eine evolutionäre und gewaltfreie Ausweitung demokratischer Freiheiten, denn ohne die Freiheit des Volkes sei ein wirklicher Schutz der Freiheiten des Individuums nicht zu gewährleisten. Tschornowil war zunächst einer der drei für die operative Arbeit zuständigen Sekretäre und leitete danach als Mitglied des Exekutivkomitees der Union deren Informationsdienst. Er nahm an den Beratungen der Vertreter der Nationalbewegungen der UdSSR teil. 1988 wurde er Vorsitzender der Gebietsorganisation von Memorial und auf dem Gründungskongress der Volksbewegung der Ukraine vom 8. bis 10. September 1989 wurde er in den sogenannten Großen Rat der Bewegung gewählt.
Im März 1990 wurde Tschornowil für die Volksbewegung der Ukraine Abgeordneter des Obersten Sowjet des Landes sowie Vorsitzender des Gebietssowjets in Lwiw. Er kandidierte bei den Präsidentschaftswahlen 1991 und belegte mit 23,7 Prozent den zweiten Platz. 1992 wurde er zum Vizevorsitzenden der Volksbewegung der Ukraine und 1993 zu deren Vorsitzenden gewählt. Auch 1994 und 1998 wurde Tschornowil als Abgeordneter in das ukrainische Parlament gewählt. Er war Fraktionsvorsitzender der Volksbewegung der Ukraine, Mitglied der parlamentarischen Versammlung des Europarats und Chefredakteur der Zeitung „Čas–Time“. 1996 erhielt Tschornowil die Staatliche Taras-Schewtschenko-Auszeichnung im Bereich Publizistik und anlässlich seines 60. Geburtstags wurde er mit dem Orden des Fürsten Jaroslaw des Weisen geehrt.
Wjatscheslaw Tschornowil kam am 25. März 1999 bei einem Autounfall in der Nähe von Kiew ums Leben. Gedenktafeln und Denkmäler erinnern in zahlreichen ukrainischen Städten, aber auch in den USA, in Kanada und in Australien an ihn. In der Ukraine sind Straßen und Schulen nach ihm benannt. Posthum wurde ihm 2000 der Titel Held der Ukraine verliehen.