István Bibó wurde 1911 in Budapest als Sohn eines hochrangigen Staatsbeamten geboren. Nach seinem Jura-Studium nahm er eine Arbeit in der staatlichen Verwaltung auf. Über seinen engen Freund Ferenc Erdei bekam er Kontakt zur Märzfront, einer Bewegung, die von Schriftstellern ins Leben gerufen worden war, denen die Bauernfrage am Herzen lag.
Während des Zweiten Weltkriegs und in der Nachkriegszeit (bis zur Machtübernahme durch die Kommunisten) lehrte er Politikwissenschaft an den Universitäten in Klausenburg (ungarisch Kolozsvár, heute rumänisch Cluj-Napoca) und Szeged. Er war zudem Autor von Aufsätzen zu rechts- und politikwissenschaftlichen Themen. 1942–43 begann er mit der Arbeit an seinem Buch „Über das europäische Gleichgewicht und den Frieden“ (Az europai egyensúlyról és békéről), das er zwar nicht vollendete, das aber für ihn dennoch eine Inspiration für spätere Werke bildete. In einem umfangreichen Manuskript, bekannt unter dem Titel „Friedensstifter“ (Békecsinálók) erklärte er die deutsche Machtbesessenheit mit den Niederlagen in den Napoleonischen Kriegen.
Zwei Tage nach der Machtübernahme durch die ungarischen Faschisten, die sogenannten Pfeilkreuzler, wurde Bibó am 16. Oktober 1944 festgenommen. Der Vorwurf lautete, er habe Juden ohne Genehmigung des Ministers des Innern (Bibó war damals Mitarbeiter des Innenministeriums) falsche Papiere ausgestellt. Obwohl er nach zwei Tagen unter Auflagen freigelassen wurde, musste er sich bis Kriegsende verstecken. Im Februar 1945 brachte er sich auf Bitten seines engen Freundes Ferenc Erdei in die Arbeit der am 22. Dezember 1944 in Debrecen gebildeten, nur scheinbar unabhängigen Provisorischen Regierung ein. Er wurde Abteilungsleiter für Öffentliche Verwaltung im Ministerium des Innern, dann Leiter der Abteilung Gesetzgebung. Zeitgleich war er weiterhin als Hochschullehrer tätig. 1945–47 erweckte er einiges Aufsehen mit seinen in der literarischen Zeitschrift „Válasz“ (Antwort) veröffentlichten politischen Analysen. Darin wandte er sich gegen die Gewalt und die diktatorischen Anmaßungen der kommunistischen Partei, kritisierte jedoch zugleich den rechtslastigen Kurs der Partei der Kleinlandwirte und die Bestrebungen zu einer Restaurierung des Horthy-Regimes. Zu seiner auch in dem Werk „Die Krise der ungarischen Demokratie“ (A magyar demokrácia válsága) geübten Kritik an der kommunistischen Partei gab es Widerspruch von führenden kommunistischen Intellektuellen, unter ihnen Georg Lukács und József Révai.
Nach der Machtübernahme durch die Kommunisten verlor er seine Stellung als Hochschullehrer. Man wollte ihn zwingen, in den Ruhestand zu gehen, er erhielt schließlich aber eine Stelle als Bibliothekar in der Universitätsbibliothek. Dort erreichten ihn die Nachrichten vom Ausbruch der Ungarischen Revolution 1956. Am 2. November 1956 entsandte ihn die Bauernpartei (die aus der Petőfi-Partei hervorgegangen war) gemeinsam mit Ferenc Farkas in die neu gebildete Koalitionsregierung von Imre Nagy. Im Morgengrauen des 4. November 1956 begab er sich angesichts der Nachrichten über die sowjetischen Aggressionen ins Parlament, wo er jedoch nur einige Politiker der Partei der Kleinlandwirte und Primas Jozséf Mindszenty antraf. Die sich im Parlamentsgebäude aufhaltenden Politiker mussten zusammen mit dem Primas vor den anrückenden sowjetischen Truppen fliehen. Nur István Bibó blieb vor Ort. Dort verfasste er seinen Aufruf (Kiáltvány) und einen Entwurf für eine Kompromisslösung der ungarischen Frage (Tervezet a magyar kérdés kompromisszumos megoldására). Diese Texte wurden an vielen Orten in der Stadt ausgehängt, für den Zentralen Arbeiterrat von Groß-Budapest (Nagy Budapesti Központi Munkástanács) stellte der Text ein politisches Manifest und zugleich eine Grundlage für die Verhandlungen mit János Kádár, dem Leiter der prosowjetischen Gegenregierung, dar. Im Dezember 1956 verfasste Bibó weitere Lösungsvorschläge (Kibontakozási javaslat), die – vermittelt über den Schriftsteller Árpád Göncz – dem indischen Botschafter in Moskau, Kumar P. S. Menon, übermittelt wurden, der sich zur Zeit der Revolution in Budapest aufhielt. Im Frühjahr beschrieb Bibó in seinen Erinnerungen (Emlékiratok) die Erfahrungen der Revolution von 1956. Diese Erinnerungen wurden am 8. September von der „Presse“ in Österreich publiziert.
Nach der blutigen Niederschlagung des Aufstandes wurde Bibó am 23. Mai 1957 verhaftet und nach 15-monatigen Ermittlungen am 2. August 1958 zu einer lebenslangen Gefängnisstrafe verurteilt – er habe sich einer „verschwörerischen Tätigkeit“ schuldig gemacht, die „den Sturz der volksdemokratischen Staatsordnung“ zum Ziel gehabt habe. Im Rahmen einer allgemeinen Amnestie kam er 1963 wieder auf freien Fuß. Er fand Arbeit in der Bibliothek des Amtes für Statistik, wo er bis 1971 tätig war. 1967 wandte er sich in einem Brief an Jean-Paul Sartre sowie 1969 und 1970 an Parteichef János Kádár, um die Freilassung von Revolutionsteilnehmern zu erreichen. Letztere saßen ungeachtet der Amnestie von 1963 weiterhin als gewöhnliche Verbrecher in den Gefängnissen, da ihnen „eine unbestimmte Anzahl von Mordversuchen“ zur Last gelegt wurde. Seine Schreiben blieben unbeantwortet.
Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis war Bibó im Gegensatz zu den meisten Intellektuellen der 1956er-Generation nicht dazu bereit, Kompromisse mit den Machthabern einzugehen. Der Preis für diese Haltung war ein Publikationsverbot, der Name Bibó war bis in die 80er Jahre hinein ausschließlich in Oppositionskreisen bekannt. Jedoch fand sein intellektuelles Lebenswerk bei den meisten gesellschaftlichen Kräften Ungarns Anerkennung. Das betraf sowohl national als auch liberal gesinnte Kräfte sowie literarische Kreise, die zwar dem Marxismus fernstanden, sich aber trotzdem von der Opposition distanzierten. Beredtes Zeugnis dieser breiten Anerkennung war die Bibó-Festschrift (Bibó Emlékkönyv), in der anderthalb Jahre nach Bibós Tod Beiträge von 70 Autoren erschienen.
István Bibó starb am 10. Mai 1979 in Budapest.
Nach 1981 konnten viele Werke Bibós, die offiziell nicht erscheinen durften, die Leser über oppositionelle Zeitschriften erreichen, unter anderen „Beszélő“ (Sprecher), „Magyar Október“ (Ungarischer Oktober), „Magyar Figyelő“ (Ungarischer Beobachter), „ABC“ (ABC Független Kiadó/Unabhängiger Verlag ABC). Seine Universitätsvorlesung „Vom Sinn der gesellschaftlichen Entwicklung (A társadalomfejlődés értelméről) wurde zur Jahreswende 1981/82 den Teilnehmern der Freien Montagsuniversität als Tonbandaufnahme präsentiert. Die Redaktion der Jugendzeitschrift „Mozgó Világ“ (Bewegte Welt) wurde entlassen, weil sie die Vorlesung in ihrer Dezemberausgabe abgedruckt hatte. Die gesamte Nummer der Zeitschrift wurde von den Machthabern beschlagnahmt. Im Jahre 1985 gab jedoch der Verlag ABC einen Reprint der Zeitschrift heraus.