Name des Begriffes: Verfassung von 1974
Beschreibungen des Begriffes:

Verfassung von 1974

Die Verfassung von 1974 war das letzte und mit 406 Artikeln auch längste Grundgesetz Jugoslawiens. Lange Zeit war sie die umfangreichste Verfassung weltweit. Sie bildete den Abschluss des Dezentralisierungsprozesses des Landes und die Grundlage des weiteren Zusammenlebens der Völker Jugoslawiens. Tatsächlich war sie zugleich der Anfang vom Ende der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (SFRJ). In den grundlegenden Bestimmungen zur föderativen Gestalt des Landes waren bereits 1971 beschlossene Änderungen der Vorgängerverfassung enthalten, die drei Jahre später bestätigt wurden. Die einzelnen Teilrepubliken (und faktisch auch die ihnen gleichgestellten autonomen Provinzen Kosovo und Vojvodina) wurden in der Verfassung als „Staaten“ definiert – mit dem dazugehörigen Prinzip der Souveränität und den daraus abgeleiteten Kompetenzen. Eingeführt wurde auch ein breitverstandenes Konsensprinzip als grundlegende Verfahrensweise bei der Entscheidungsfindung auf Föderationsebene. Sämtliche Föderationsorgane wurden gemäß der Verfassung von 1974 mittels Delegierung (und nicht per Wahl) besetzt, die über die Machtorgane auf lokaler und teilrepublikanischer Ebene erfolgte. Ein weiteres Prinzip war die paritätische Vertretung der Teilrepubliken in den jugoslawischen Föderationsorganen. Letztendlich blieb die kommunistische Partei die einzige landesweite Struktur, die die eigenständigen politischen Systeme der Teilrepubliken formal zusammenhielt. Als Mitte der 80er Jahre die Koordinierungsmechanismen der Parteiebene nicht mehr funktionierten, da in den Parteiführungen der einzelnen Teilrepubliken nationale Interessen in den Vordergrund rückten, erwies sich die Verfassung als ungeeignetes Instrument, die Zusammenarbeit zwischen den zerstrittenen Akteuren zu garantieren und trug auf diese Weise zum Zerfall des Staates bei.

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