Geschichte der Opposition in Bosnien und Herzogowina
Fast fünf Jahrhunderte lang gehörte Bosnien zum Vielvölkergemisch des Osmanischen Reiches. 1908 kam es zur Habsburgermonarchie, ehe es nach der Niederlage der Mittelmächte im Ersten Weltkrieg Bestandteil des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen (SHS-Königreich) wurde, das dann 1929 in Königreich Jugoslawien umbenannt wurde. 1945 wurde aus dem Königreich Jugoslawien die Föderative Volksrepublik Jugoslawien. Von 1963 bis 1991 gehörte Bosnien zur Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien.
Innerhalb des Föderationsstaates war für Bosnien insbesondere seine ethnische Zusammensetzung spezifisch, denn auf seinem Territorium lebten drei Völker: Kroaten, Serben und muslimische Bosniaken. Letztere waren Slawen muslimischen Glaubens, die von der kommunistischen Staatsführung 1968 als gesonderte Nationalität anerkannt wurden.
Ein besonders tragischer Zeitraum in der bosnischen Geschichte war der Zweite Weltkrieg. Nahezu das gesamte Territorium Bosniens wurde damals an den sogenannten Unabhängigen Staat Kroatien angegliedert, der von Ante Pavelić, einem Verbündeten des Deutschen Reiches, regiert wurde. Der kroatische Diktator sah in den muslimischen Bosniaken die „Blüte des kroatischen Volkes“ – den ethnisch reinsten und wertvollsten Teil der Gesellschaft. Die von der Ustascha in jener Zeit vollzogenen ethnischen Säuberungen betrafen nicht nur die jüdische Bevölkerung, sondern auch die bosnischen Serben. Die Reste der Königlichen Armee führten hingegen unter General Draža Mihajlović einen Kampf gegen die Muslime, in dem die sogenannte Tschetnik-Bewegung eine wesentliche Rolle spielte. Die ethnischen Konflikte in Bosnien und die immer wieder stattfindenden Völkermordverbrechen an Teilen der Zivilbevölkerung führten dazu, dass die von Josip Broz Tito angeführte kommunistische Partisanenbewegung verstärkten Zulauf bekam. Sie war die einzige ethnisch gemischte bewaffnete Formation, in der die Serben so breit vertreten waren.
Unmittelbar nach dem Ende der Kampfhandlungen vollzogen die kommunistischen Machthaber eine brutale Abrechnung mit den faschistischen Kollaborateuren und Funktionären des Unabhängigen Staates Kroatien; die Repressalien betrafen auch die katholische Kirche. Die Partisanen töteten in Bosnien und in der Herzegowina – ohne Gerichtsverhandlung und Urteil – etwa 300 Priester und Ordensbrüder. Im Kontext des Kampfes um einen weltlichen Staat hatte auch die muslimische Bevölkerung unter Repressionen zu leiden.
Das kommunistische System zwischen 1956 und 1989 war in Bosnien weniger liberal als in den anderen Teilrepubliken Jugoslawiens. Hauptgrund für die strikte Kontrolle der bosnischen Gesellschaft war die Furcht der Regierung vor ethnischen Spannungen, wobei die Erfahrungen des blutigen Konfliktes während des Zweiten Weltkriegs eine große Rolle spielten. Von Unterdrückungsmaßnahmen betroffen waren vor allem die Kroaten (Intellektuelle und ehemalige Mitglieder der Kroatischen Bauernpartei), aber auch die muslimische Bevölkerung, der bis Ende der 60er Jahre der Status einer eigenen Nationalität verweigert wurde. Zugleich fand in Bosnien die von den kommunistischen Machthabern lancierte gesamtjugoslawische Idee immer mehr Anhänger. Sie erschien besonders attraktiv, denn sie erforderte keinen Verzicht auf die eigene Identität. Unter der neuen Ordnung mussten sich die Bürger Bosniens nicht mehr als Serben, Kroaten oder Muslime definieren, sie konnten ganz einfach Jugoslawen sein. Gerade in Bosnien hatte dieses Modell deshalb eine große Anziehungskraft und funktionierte 45 Jahre lang relativ gut.
Dass die bosnische Dissidentenbewegung nur schwach ausgeprägt war, lag unter anderem an den zahlreichen bosnischen Arbeitsmigranten, die ihre Heimat verließen, um entweder im Westen oder in Kroatien und Serbien Geld zu verdienen. Von großer Bedeutung war auch der Wegzug vieler Studenten zum Studium in einer benachbarten Teilrepublik, wo sie sich oppositionell engagierten. Zum Studium verließen in erster Linie Kroaten und Serben Bosnien, seltener dagegen die muslimischen Bosniaken. Aus diesem Grund entwickelte sich die Dissidentenbewegung in Bosnien noch am dynamischsten innerhalb der muslimischen Gemeinschaft, für die Sarajevo das politische und kulturelle Zentrum war.