Georgi Markow

Georgi Markow, 1929–78

Georgi Ivanov Markov

Георги Иванов Марков

Markows Exilarbeit bestand hauptsächlich in einer aufklärerischen Enthüllungspublizistik, aber nicht nur. So gewann sein Theaterstück „Erzengel Michael“ 1974 den ersten Preis des Theaterfestivals in Edinburgh. Er schrieb auch weiter Erzählungen, einige Werke verfasste er gemeinsam mit David Phillips. Zugleich hatte er ein sehr kritisches Verhältnis zur Moral der osteuropäischen Exilanten, die sich in einer gewissen destruktiven Missgunst, in Rivalität und Intrigantentum äußerte. Gut zu erkennen ist dies an seiner Korrespondenz mit dem im westdeutschen Exil lebenden Schriftsteller Dimitar Botschew. In den Rundfunksendungen an seine Landsleute bemühte er sich wiederum, den Westen nicht zu idealisieren, unterstrich aber sehr wohl dessen Vorzüge, insbesondere die herrschende Freiheit. Die Reportagen Markows gewannen im Laufe der Zeit zunehmend an Schärfe und waren den bulgarischen Machthabern ein immer größerer Dorn im Auge.

Die Entscheidung zu Markows Ermordung wird in Bulgarien auf oberster Entscheidungsebene gefallen sein. Der Tag des Attentats am 7. September 1978 stand im Zusammenhang mit anderen Anlässen: Am 7. September hatte Diktator Schiwkow Geburtstag, und auch der Jahrestag der sozialistischen Revolution (Umsturz vom 9. September 1944) befand sich in zeitlicher Nähe. Als Markow auf einem Spaziergang auf der Londoner Waterloo Bridge war, wurde er mit einer präparierten Regenschirmspitze verletzt, durch die ihm eine kleine Kugel mit einer hochtoxischen Substanz injiziert wurde. Die Folge war ein qualvoller Tod in einem Londoner Krankenhaus, wo Markow am 11. September 1978 verstarb. Der mündliche Befehl zu seiner Ermordung kam wahrscheinlich von Schiwkow selbst. In den Memoiren von General Oleg Kalugin ist zu lesen: Die KPdSU habe sich mit einem Anliegen der bulgarischen Staatsführung beschäftigt, die den sowjetischen KGB um Unterstützung bei der Ausschaltung von Markow gebeten habe.

Markows Tod brachte das Interesse an ihm keinesfalls zum Erliegen, ganz im Gegenteil: Der Dichter und sein Werk wurden nun zur Legende, und das nicht nur in Bulgarien. Radio Freies Europa strahlte weiterhin Lesungen seiner Texte aus, seine „Fernreportagen aus Bulgarien“ erschienen 1980 und 1981 in Zürich in Buchform. Viele Exemplare wurden bis nach Bulgarien geschmuggelt, wo sie von Hand zu Hand gingen. Eine Auswahl der Reportagen erschien auch in Frankreich, Großbritannien und den USA.

Nach dem demokratischen Wandel 1989 erklärte der nun weitgehend entmachtete Staatssicherheitsdienst plötzlich, Markow sei einer ihrer Agenten gewesen, sein Exil eine Dienstreise und seine Ermordung eine interne Angelegenheit der Geheimdienste. Ähnliches behauptete auch der ehemalige Parteichef Schiwkow in einem Interview für den bulgarischen Rundfunk wenige Monate vor seinem Tod 1998. Archivrecherchen in den überlieferten Dokumenten gaben jedoch keinerlei Grund zu der Annahme, dass eine solche Zusammenarbeit bestanden hatte. (16 Aktenordner der Geheimpolizei über Markow wurden allerdings Anfang 1990 vernichtet.) 1999 wurden die Ermittlungen zu diesem Fall eingestellt.

Das Wirken und Schaffen Georgi Markows ist seit dem Ende des Kommunismus in Bulgarien vollständig rehabilitiert. 2000 wurde er posthum mit der höchsten bulgarischen Auszeichnung, dem Orden „Stara Planina“, geehrt.

Michail Nedeltschew
Aus dem Polnischen von Gero Lietz
Letzte Aktualisierung: 08/17