Radoj Ralin

Radoj Ralin, 1923-2004

Radoj Ralin

Радой Ралин

Die Herrschenden brachen gegen Ralin eine Propagandakampagne vom Zaun. Zunächst wurden seine Werke mit „gerade gelegten Eiern“, die „nicht mehr ganz frisch“ waren, verglichen – so 1968 von Bogomil Rajnow in der Zeitschrift „Literaturen front“. Der Schriftsteller verlor erneut seine Arbeit und sah sich mit dem Vorwurf konfrontiert, „parteifeindlichen Tendenzen“ aufzusitzen. 1968–76 war er ohne feste Einkommensquelle und lebte in fast völliger Isolation. Das Regime ergriff jedoch keine härteren Maßnahmen gegen ihn, dazu war der Name Ralin auch im Ausland zu bekannt. In zahlreichen Ländern erschienen Übersetzungen seiner Epigrammsammlung „Luti čuški“. Seine 1975 herausgegebene Gedichtsammlung „Baladi za săprotiwata“ (Balladen über die Widerstandsbewegung) bewertete die offizielle Kritik als Verspottung führender Parteifunktionäre.

In den 80er Jahren war Ralin trotz aller Hindernisse, die ihm in den Weg gelegt wurden, weiterhin ein sehr aktiver Künstler. Er machte sich über gesellschaftliche Missstände und die regierende Staatspartei lustig, sprach sich offen gegen den sogenannten Prozess der Wiedergeburt aus und verfasste in dieser Angelegenheit Protestschreiben an Radio Freies Europa und an den bulgarischen Ministerrat. 1985 wurde er genau wie #Schelju Schelew Mitglied der illegalen Organisation Patriotische Allianz (Patriotičen obchwat), die sich zum Ziel gesetzt hatte, alle Gegner des Totalitarismus und des Personenkultes zu vereinen. Ralin unterstützte die Gründung der Unabhängigen Gesellschaft zum Schutz der Menschenrechte, des Klubs für Glasnost und Perestroika, der Föderation der Klubs der Demokratie und anderer demokratischer Organisationen. Am 19. Januar 1989 gehörte er zu einer Gruppe führender bulgarischer Intellektueller und Dissidenten, die vom französischen Staatspräsidenten François Mitterand zu einem Frühstück in die französische Botschaft in Sofia eingeladen wurden.

Nach dem Ende des Kommunismus war Radoj Ralin weiterhin schriftstellerisch tätig und veröffentlichte zahlreiche Gedichte und Romane. Er starb 2004 in Sofia.

Iwan Spassow
Aus dem Polnischen von Gero Lietz
Letzte Aktualisierung: 06/17