Erinnerungskultur in der Slowakei
Die Aufarbeitung der kommunistischen Herrschaft in der Slowakei setzte unmittelbar nach der Samtenen Revolution in der Tschechoslowakei ein. 1990 wurde ein erstes Rehabilitierungsgesetz verabschiedet und politisch Verfolgten Entschädigungsleistungen zuerkannt. Dazu gehörte nicht nur die Entschädigung für erlittene Haftzeiten, sondern auch die Rückerstattung bzw. der Ausgleich für enteignete Vermögenswerte. Bereits im Mai 1991 verurteilte das tschechoslowakische Parlament das unrechtmäßige Handeln der kommunistischen Regierung vor 1989. Diese Einschätzung wurde 1993 und 1996 von der nun unabhängigen Slowakei bestätigt und die kommunistische Herrschaft in verschiedenen Gesetzen für illegal erklärt. Gleichzeitig wurde der Widerstand gegen die früheren Machthaber als legitim und ehrenhaft klassifiziert. Eine kollektive Verurteilung der kommunistischen Führung wurde verworfen, stattdessen fokussierte man sich auf die Ermittlung persönlicher und individueller Schuld. 2011 wurde die Rechtfertigung oder Verharmlosung kommunistischer Verbrechen unter Strafe gestellt.
Bereits 1991 war ein erstes Lustrationsgesetz verabschiedet worden, das eine Überprüfung für bestimmte Positionen in öffentlichen Einrichtungen und Ministerien vorsieht. Nach der Auflösung der Tschechoslowakei und der Gründung der Slowakei als eigenständiger Staat lief das Gesetz 1996 aus und wurde nicht mehr erneuert. Auf diese Weise konnten viele Richter und Staatsanwälte, die bereits vor 1989 juristische Ämter bekleideten, ihre Tätigkeit fortsetzen. Wegen der ausgesetzten Überprüfungen verlief die Strafverfolgung gegen Täter und Verantwortliche der kommunistischen Herrschaft bisher unbefriedigend, Verbrechen wurden kaum geahndet. Zwar wurden der ehemalige Vorsitzende der Kommunistischen Partei und der Chef der Geheimpolizei angeklagt, die Verfahren verliefen allerdings im Sande. Beklagt wurde zudem, dass Angeklagte zwar das Anrecht auf einen bezahlten Verteidiger haben, die damaligen politischen Verfolgten für ihre juristische Vertretung jedoch selbst aufkommen müssen. Prozesse gegen einstige Verantwortliche werden verschleppt, und oftmals sterben die ehemaligen politisch Verfolgten, bevor es zu einem Verfahren kommt. Auch Versuche, Prozesse gegen einstige Grenzsoldaten wegen der Tötung von Flüchtlingen an der Grenze anzustrengen, wurden jedoch unter Verweis auf die Rechtmäßigkeit der Handlungen nach damals geltendem Gesetz abgewiesen.
2002 wurde das Institut für das Nationale Gedächtnis gegründet, dessen Aufgabe es ist, Verbrechen des Machtapparats vor 1989 zu dokumentieren und zu untersuchen und ggf. Anklage zu erheben. In diesem Institut befinden sich auch die Akten der Geheimpolizei, die grundsätzlich zur öffentlichen Einsichtnahme zur Verfügung stehen.
Vgl.: Museen und Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer der kommunistischen Diktaturen, hrsg. v. Anna Kaminsky, erarbeitet v. Anna Kaminsky, Ruth Gleinig und Lena Ens, Dresden 2018, S. 336–337.