Geschichte der slowakischen Opposition
Die Slowakei war bis Ende 1992 ein Teilstaat der Tschechoslowakei. Im slowakischen Landesteil gab es starke Bestrebungen zur größtmöglichen Autonomie innerhalb des gemeinsamen Staatswesens, da die eigenständigen slowakischen Institutionen unter anderem auf ein slowakisches Föderalparlament als gesetzgebendes Organ begrenzt waren.
Die in den beiden Landesteilen jeweils anders gelagerte politische, wirtschaftliche und soziale Entwicklung rief verschiedene Konfliktlagen hervor, durch welche sich Tschechien und die Slowakei in ihrer politischen Landschaft unterschieden. Beide Gesellschaften machten vor allem in der Zeit ab 1969 jeweils eigene Erfahrungen mit dem totalitären kommunistischen Regime. Auch nach der Samtenen Revolution 1989 waren die Unterschiede zwischen beiden Landesteilen unübersehbar wie beispielsweise darin, dass nach 1989 keine gesamtstaatliche politische Partei entstand.
Eine antikommunistische Opposition entstand in der Slowakei schon vor dem Prager Frühling 1968. Allerdings war der Einmarsch von Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei im August der entscheidende Wendepunkt hin zur offenen oppositionellen Aktivität und zur Entstehung von Oppositionsgruppen.
Die Opposition in der Slowakei kann nach verschiedenen Gesichtspunkten eingeteilt werden. Petr Pithart schlägt eine Unterscheidung in eine „Opposition der Reflexion“ und eine „Opposition des Protestes“ vor. Eine andere Unterscheidung wäre die Unterteilung der Dissidenten nach ihrer Zugehörigkeit zu einer politischen Gruppe oder Generation.
Die Jahre 1969–72 werden als „Normalisierung“ bezeichnet, in der die reformunwilligen Kräfte in der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei (KSČ) mit Gustáv Husák an der Spitze es schafften, das gesamte öffentliche Leben erneut unter ihre Kontrolle zu bringen. Sie entfernten Reformanhänger aus den Regierungsorganen, beriefen einen XIV. Parteikongress ein und ließen Neuwahlen des Zentralkomitees durchführen. So erhoffte sich die neue Führung, rechtlich Legitimation zu erhalten. Das Parteiplenum der Kommunistischen Partei kündigte im Januar 1970 eine umfassende „Säuberung“ der eigenen Reihen an. Alle, die sich in den 60er Jahren für den Reformprozess eingesetzt hatten, wurden aus der Partei ausgeschlossen: Im tschechischen Landesteil betraf das 23 % und im slowakischen Landesteil 17 % der Parteikader. Insgesamt wurden mehr als 300.000 Personen ihrer Ämter enthoben und aus der Partei entfernt, viele gaben aus freien Stücken ihre Mitgliedschaft auf. Von 1,6 Millionen Parteimitgliedern blieben am Ende 1,1 Millionen übrig.
In der Slowakei erfasste die Säuberung auch Vertreter der Intelligenz: Mitarbeiter der Akademie der Wissenschaften, der Hochschulen, Verlage, Medien und zentralstaatlicher Behörden. Ein Dutzend Schriftsteller und Wissenschaftler wie etwa Dominik Tatarka, Milan Šimečka, Miroslav Kusý, Ladislav Ťažky, Juraj Špitzer, Ivan Kadlečik und Pavol Hrúz erhielten Publikationsverbot.
Im Gegensatz zu den 60er Jahren war fortan jedwede oppositionelle Aktivität in staatlichen Institutionen undenkbar. Anders als im tschechischen Teil bewirkte die „Normalisierung“ in der Slowakei zudem bei mehr Menschen ein Verhalten, welches durch das Arrangieren mit dem Regime und der Anpassung an die Verhältnisse charakterisiert war. Gründe hierfür waren eine schwächer ausgeprägte Bürgergesellschaft und die Tatsache, dass die Slowakei in der Zeit des Prager Frühlings insgesamt weniger reformorientiert – oder, wie die staatlichen Medien es ausgedrückt hätten – weniger „konterrevolutionär“ war. Beim tschechischen Nachbarn erreichte die Repressionswelle ihren Höhepunkt im Juli und August 1972. In Prag und Brünn (Brno) wurden 46 Personen in politischen Prozessen vor Gericht gestellt, in der Slowakei gab es dagegen nur sehr wenige Verhaftungen und Anklagen. Lediglich die Prozesse gegen den Satiriker Ladislav Kalina und den Übersetzer und Publizisten Pavel Lička, der bereits ein Jahr zuvor für den Kontakt mit ausländischen Journalisten zu 18 Monaten Haft verurteilt worden war, erregten größeres Aufsehen.
Reformkommunistische Bestrebungen verschwanden in der ersten Hälfte der 70er Jahre faktisch vollständig. Die bürgerliche Opposition hingegen, die in gewissem Umfang an die Programme der Reformkommunisten anknüpfte, sah ihre größte Herausforderung in ihrer Neuorganisation und im Versuch, in irgendeiner Form an die 60er Jahre anzuknüpfen. Im tschechischen Landesteil kam diese Phase im Januar 1977 mit der Petition der Charta 77 an ihr Ende. In der Slowakei hingegen nahmen oppositionelle Aktivitäten erst wieder mit der Wiederbelebung des Samisdats in den Jahren 1978 und 1979 zu.
In einer ganz anderen Situation befanden sich dagegen kirchliche Oppositionsgruppen. Deren mehrheitlich bereits in den 60er Jahren aus den Gefängnissen entlassene Aktivisten hatten nie innerhalb offizieller Strukturen gewirkt und standen demzufolge nun nicht vor dem Problem, sich mit den veränderten politischen Realitäten der „Normalisierung“ arrangieren zu müssen. Auch die Bewegung der ungarischen Minderheit musste andere als offiziell zugelassene Betätigungsmöglichkeiten suchen, woraufhin die Entstehung einer künstlerischen Underground-Szene als neues Phänomen zu beobachten war.