Schriftsteller, Menschenrechtsaktivist und politischer Gefangener, der insgesamt 17 Jahre in albanischen Gefängnissen und Arbeitslagern eingesperrt wurde.

Fatos Lubonja wurde 1951 in Tirana in der Familie eines hochrangigen Parteifunktionärs geboren. Sein Vater Todi Lubonja bekleidete unter anderem folgende Ämter: Verkehrsminister, ZK-Sekretär für Jugendfragen, Chefredakteur der Zeitung „Zëri i Poppulit“, Generaldirektor der Radio- und Fernsehanstalt Albaniens. 1973 verurteilte ihn ein Gericht unter dem Vorwurf der „Verbreitung von Liberalismus in der Kunst“ und wegen angeblichen illegalen Waffenbesitzes zu 15 Jahren Haft. 1987 kam der Vater aus dem Gefängnis frei. Fatos Lubonjas Mutter Liri war ebenfalls hochrangige Parteifunktionärin. 17 Jahre lang war sie in einem Dorf interniert, wo sie als Arbeiterin tätig war.

Fatos Lubonja hatte sein literarisches Debüt bereits als Teenager in der Zeitschrift „Zëri i Rinisë“. Er publizierte einige Propagandaerzählungen über den Partisanenkampf, über Arbeiter und Bauern. Zu einer Bewusstseinsänderung führten Arbeitseinsätze, bei denen er die tatsächlichen Zustände auf dem Lande persönlich kennenlernte. Lubonja begann, die Realitäten des albanischen Alltags ungeschönt darzustellen. Dabei war ihm bewusst, dass seine Werke keine Chance hatten, je veröffentlicht zu werden, denn sie wurden als Kritik am Regime von Enver Hoxhas interpretiert.

1969–74 studierte Lubonja Physik an der Universität Tirana. Nach der Verhaftung seines Vaters wurde er angewiesen, als Physiklehrer in der mittelalbanischen Kleinstadt Burrel zu arbeiten. Dazu kam es jedoch nicht, da er am 25. Juli 1974 selbst verhaftet wurde. Der Grund für seine Verhaftung waren private Tagebuchaufzeichnungen. Dadurch konnte er auch seine Magisterarbeit nicht verteidigen.

Wegen angeblicher „Agitation und Propaganda gegen die Volksmacht“ wurde Lubonja zu sieben Jahren Straflager verurteilt. Im Lager Spaç arbeitete er bis zum 21. Februar 1979 in einer Pyritgrube, wo er – in Haft – abermals verhaftet wurde. Die Anklage erfolgte zunächst erneut nach dem berüchtigten Paragrafen 55 des Strafgesetzbuches („Feindliche Agitation und Propaganda“), wurde dann jedoch um den Vorwurf der „Teilnahme an konterrevolutionärer, antisozialistischer Tätigkeit mit dem Ziel des Sturzes der Volksmacht“ erweitert. Im Mai 1979 verurteilte man Lubonja zu weiteren 16 Jahren Haft. Zunächst kam er wieder ins Arbeitslager Spaç, wo er viermal die Arbeit in der Pyritgrube verweigerte. Jede Arbeitsverweigerung brachte ihm einen Monat Karzerhaft ein. Am 2. Dezember wurde er in das Lager Ballsh im Südwesten des Landes verlegt. Von dort ging es weiter nach Qafë Bari, wieder nach Spaç und Burrel. Das letzte Jahr seiner Haftstrafe verbrachte er im Gefängnis von Kosovë e Madhe.

Lubonja wurde erst am 17. März 1991 zusammen mit den letzten politischen Gefangenen eine Woche vor den ersten demokratischen Wahlen freigelassen. Er begann sofort, sich für den demokratischen Wandel in Albanien zu engagieren. Von April 1991 bis Oktober 1992 war er Sekretär des Albanischen Helsinki-Komitees. Von dieser Funktion trat er jedoch zurück, als er erkannte, dass das Komitee im Begriff war, zu einem Werkzeug in den Händen von Präsident Sali Berisha zu werden, der für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich war. Seit dieser Zeit bekleidet Lubonja keinerlei Ämter mehr, sondern konzentriert sich auf seine Tätigkeit als Journalist und Schriftsteller. Es gab nur eine Ausnahme: Anfang 1997, als er sich gemeinsam mit zwei Weggefährten an die Spitze des Forums für Demokratie wählen ließ. Dieses Forum, ein Zusammenschluss von neun Organisationen und politischen Parteien, rief zu einem friedlichen Dialog auf, als der Zusammenbruch von Finanzpyramiden die albanische Gesellschaft an den Rand eines Bürgerkrieges brachte.

Lubonja schrieb für die Zeitungen „Koha Jonë“, „Gazeta Shqiptare“, „Shekulli“ und „Korrieri“. 1994 gründete er die bis heute existierende kulturelle Vierteljahrsschrift „Përpjekja“ (Bemühung). In seinem Editorial beschrieb er als Anliegen der Zeitschrift, „in den Herzen und Gedanken der Albaner den Sinn für das Denken, die Liebe und das Mitgefühl freizusetzen, die Sorge um die Kultur als Ganzes und auch ein wenig mehr Mut zur Verbreitung von Idealen zu fördern“. Als Herausgeber und Redakteur gelang es Lubonja innerhalb kurzer Zeit, einen Kreis herausragender Intellektueller aus Albanien und dem Kosovo um sich zu scharen. „Përpjekja“ galt schon bald als das wichtigste gesellschaftlich-kulturelle Periodikum des Landes.

1994 veröffentlichte Fatos Lubonja sein Tagebuch unter dem Titel „Në vitin e shtatëmbëdhetë“ (Im siebzehnten Jahr) als Beschreibung seines letzten Haftjahres im kommunistischen Gefängnis. Zudem erschien sein Roman „Ploja e Mbrame“ (Das letzte Gemetzel). Seine zweite Verhaftung und Verurteilung beschrieb er 1996 in dem Roman „Ridënimi“ (Das zweite Urteil). Das Buch ist ein erschütterndes Zeugnis des Schicksals eines Intellektuellen im totalitären Staat.

Lubonjas Engagement prägte in großem Maße das Bewusstsein der Albaner während der Transformation. Er gab den Anstoß zu etlichen landesweiten Debatten, von denen insbesondere zwei ein breites Echo fanden. Die erste betraf 1995 das gegenseitige Verhältnis zwischen Inlands- und Kosovo-Albanern. In der zweiten Debatte, die 1995 und 2002 geführt wurde, ging es um die Rolle der kommunistischen Kulturschaffenden bei der Herausbildung der nationalkommunistischen Ideologie. Im Mittelpunkt der Diskussionen stand Ismail Kadare, der bekannteste albanische Gegenwartsautor und Kandidat für den Literaturnobelpreis.

Lubonja wurde mit einer Reihe von Preisen geehrt, darunter 1997 mit dem Human Rights Monitor von Human Rights Watch für sein Engagement für die Menschenrechte sowie 2004 mit dem Herder-Preis. Bis heute prägt Fatos Lubonja mit seinen kritischen Artikeln, Aufsätzen und Büchern die gesellschaftlichen und politischen Debatten Albaniens mit.

Dorota Horodyska
Aus dem Polnischen von Gero Lietz
Letzte Aktualisierung: 05/17