Geschichte der albanischen Opposition
Die kommunistische Diktatur dauerte in Albanien von 1944 bis 1990. Der Begriff „kommunistische Diktatur“ wird in Bezug auf Albanien oft gleichbedeutend mit „Enver-Hoxha-Diktatur“ verwendet. Das unterstreicht die außerordentliche Rolle, die der kommunistische Führer Enver Hoxha (deutsche Schreibweise auch Hodscha) nicht nur in der Geschichte Albaniens, sondern auch ganz Europas gespielt hat. Kein anderer Diktator des sozialistischen Lagers konnte sich 40 Jahre lang an der Macht halten. Die 1941 in Tirana gegründete kommunistische Partei war neben einer von den Italienern geführten faschistischen Organisation die einzige politische Partei Albaniens und agierte im Untergrund. Ihre Gründung gelang nur mit Hilfe jugoslawischer Unterstützung. Die Partei vereinte bis dahin verfeindete kommunistische Splittergruppen. Sie rekrutierte ihre Mitglieder zum einen aus Intellektuellenkreisen, zum anderen aus den unteren sozialen Schichten, für die Losungen eines gesellschaftlichen Wandels äußerst attraktiv waren. Die meisten Parteimitglieder assoziierten den Marxismus nämlich ausschließlich mit der Idee der sozialen Gerechtigkeit.
Die Losung vom bewaffneten Kampf zur Befreiung des Landes von der Fremdherrschaft zog Tausende in ihren Bann, darunter nicht nur Anhänger der radikalen Linken. Die kommunistische Machtübernahme 1944 trug geradezu Merkmale einer Eroberung. Die für albanische Verhältnisse zahlenmäßig sehr starke Partisanenarmee mit etwa 70.000 Kämpfern, die schon ab 1943 politisch von den Kommunisten kontrolliert wurde, führte ihren Kampf nicht nur gegen die Deutschen, sondern auch gegen andere Widerstandsgruppen, die sie oftmals der Kollaboration mit dem deutschen Feind bezichtigte. Begünstigt wurde das dadurch, dass insbesondere kleinere Gruppierungen angesichts der Bedrohungslage versuchten, mit den Besatzern eine Art „Nichtangriffspakt“ zu schließen, um sich mit deren Hilfe der immer stärker werdenden kommunistischen Konkurrenz zu entledigen.
In albanischen Forschungsbeiträgen wird immer wieder der außerordentlich repressive Charakter des kommunistischen Regimes in Albanien hervorgehoben. Oft wird festgestellt, dass die Brutalität hierzulande ihre extremste Ausprägungsform gefunden habe. Festzuhalten bleibt jedoch auch, dass sich das kommunistische System zwischen 1944 und 1990 ganz offensichtlich auch auf Erfahrungen und politische Wirkungsbedingungen der Zwischenkriegszeit stützte. Hervorzuheben ist, dass in Albanien – abgesehen von einem kurzen Zeitraum zwischen 1920 und 1924 – politische Parteien im Grunde unbekannt waren. Es hatten sich keine politischen Kräfte herausgebildet, die im Sinne der Demokratie miteinander in einen Wettbewerb treten konnten. Die in der Zwischenkriegszeit agierenden politischen Kräfte beriefen sich in der Regel auf Clanstrukturen oder Territorialgemeinschaften und waren deshalb nicht imstande, moderne Programme zu formulieren, um die sich Politiker aus verschiedenen Teilen des Landes hätten gruppieren können.
Zu den Schwachpunkten der vorkommunistischen albanischen Gesellschaft (die übrigens zu 90 Prozent aus Analphabeten bestand) gehörte auch der sehr verbreitete Widerwille gegen wie auch immer geartete staatliche Institutionen sowie gegen gesetztes Recht. Dieses galt als Relikt der Türkenherrschaft und trat im Alltag hinter das seinem Wesen nach anarchische und antistaatliche Gewohnheitsrecht zurück. Das Land wurde von einer kleinen Gruppe von Grundbesitzern beherrscht, die zugleich die finanzielle Elite darstellten. Diese sich an ihre Privilegien und an ihre gesellschaftliche Sonderstellung klammernden sogenannten Beys strebten eine Monopolisierung zentraler staatlicher Stellen und der Verwaltung vor Ort an. Ein Zugang zu diesen Ämtern wurde nur sehr wenigen Vertretern der Mittelschicht oder der Intelligenz gewährt, die ihre Bildung an europäischen Universitäten erhalten hatte. Wer meinte, eine gute Bildung sei ein Garant für die Karriere, wurde in den meisten Fällen jedoch enttäuscht, ging ins Exil oder flüchtete sich in den Radikalismus.
Wenn von den albanischen Erfahrungen aus der Zwischenkriegszeit die Rede ist, muss auch erwähnt werden, dass es seit dem Umsturz von 1924 keinerlei Raum für eine organisierte Opposition gegeben hatte. Wenn jemand die gerade herrschenden Machthaber bekämpfen wollte, ging er für gewöhnlich ins Exil und wartete dort auf eine Destabilisierung des Landes oder auf eine Einmischung von außen, die es ihm dann ermöglichen würde, die Macht zu übernehmen. Die Erfahrungen der Besatzungszeit im Zweiten Weltkrieg verstärkten die allgemeine Überzeugung, dass es für den Machterhalt von zentraler Bedeutung sei, über Verbündeten im Ausland zu verfügen und die politischen Rivalen im Inland auszuschalten. Für die Geschichte der ersten 20 Jahre albanischer Staatlichkeit war prägend, dass immer wieder versucht wurde, im Ausland agierende politische Gegner auszuschalten.