Bulgarien

Ilija Minew

Ilija Minew, 1917–2000

Ilija Stojanov Minev

Илия Стоянов Минев

Vordenker der bulgarischen Menschenrechtsbewegung, Gründer der Unabhängigen Gesellschaft zum Schutz der Menschenrechte.

Ilija Minew wurde 1917 in Septemwri im Bezirk Plowdiw in eine wohlhabende Bauernfamilie geboren. Nach dem Abitur in Plowdiw ging er nach Frankreich, wo er 1941 an der Universität Toulouse sein Studium der Industriechemie abschloss. Nach seiner Rückkehr nach Bulgarien diente er in der Reserveoffiziersschule. Er gehörte den Bulgarischen Nationalen Legionen an, einer in den 30er Jahren gegründeten, extrem nationalistischen Organisation mit faschistischer Ausrichtung. Sein Vorbild war Wassil Lewski (1837–73), ein Vordenker der nationalen Befreiungsbewegung, die sich gegen das Osmanische Reich (dessen Teil Bulgarien zu seinen Lebzeiten war) richtete. Sich selbst sah Minew als Nationalist. In diesem Sinne agitierte er unablässig Offiziere und Soldaten an der Reserveschule. Insbesondere war ihm daran gelegen, den antihumanitären und repressiven Charakter der kommunistischen Ideologie darzustellen, die sich damals auch im Militär den Weg bahnte. Wegen dieser Aktivitäten wurde er einen Tag nach dem Umsturz vom 9. September 1944 verhaftet. Nach kurzen Ermittlungen entließ man ihn aus der Haft und schickte ihn an die Front.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der schrittweisen Festigung der kommunistischen Macht wurde Minew 1946 erneut vom Staatssicherheitsdienst verhaftet. Die Vorwürfe gegen ihn im Strafprozess lauteten Widerstand gegen die kommunistische Partei und „Bildung einer staatsfeindlichen Organisation zum Sturz der Volksmacht“. Trotz fehlender Beweise verurteilte ihn das Gericht auf Druck der Staatssicherheitsbehörden zum Tode; das Todesurteil wurde jedoch später in 20 Jahre Haft umgewandelt.

Die folgenden 18 Jahre verbrachte Minew in Gefängnissen in Schumen und Stara Sagora. Er trat mehrfach in den Hungerstreik und wurde mit Karzerhaft bestraft. In seinen Erinnerungen schrieb Minew später: „Im Gefängnis planten meine Leidensgenossen und ich, nach unserer Entlassung eine unabhängige Vereinigung zum Schutz der Menschenrechte zu gründen. Es war uns klar, dass der Marxismus-Leninismus sowohl in seiner Theorie als auch in der Praxis des Sozialismus unabwendbar danach streben würde, diese Rechte mit Füßen zu treten.“

Am 24. April 1964 wurde Minew aus der Haft entlassen. Aufgrund seiner unverändert strikt antikommunistischen Ansichten war er den Herrschenden jedoch weiterhin ein Dorn im Auge. Ganze neun Jahre verbrachte er nach seiner Haftentlassung in der Verbannung in entlegenen Gegenden der bulgarischen Provinz. 1975 verurteilte man ihn wegen sogenannter antisowjetischer Propaganda erneut – Minew hatte gesagt, dass der „leninsche Kommunismus der Unterdrückung der Völker der UdSSR“ diene. Diesmal erhielt er fünf Jahre Haft.

Ab 1981 stand Minew in seiner Wohnung in Septemwri unter Hausarrest. Er musste sich dreimal täglich bei der viereinhalb Kilometer entfernten Dienststelle der Miliz melden. Vor seinem Haus war rund um die Uhr ein Streifenwagen postiert. 1984 beschlagnahmte die Staatssicherheit bei einer der zahlreichen Durchsuchungen von Minews Wohnung ein Manuskript, in der er sich zur Politik der kommunistischen Regierung gegenüber den demokratischen Ländern des Westens äußerte. Aus Protest gegen diese Beschlagnahmung trat Minew in einen 20-tägigen Hungerstreik. Im Mai 1985 beschrieb er in einem Brief an den US-amerikanischen Außenminister George Shultz zahlreiche Fälle von Menschenrechtsverletzungen in Bulgarien. Nachdem der Brief von den Behörden konfisziert worden war, trat Minew erneut in den Hungerstreik, diesmal für 15 Tage.

Im Dezember 1986 verfasste Minew gemeinsam mit seinen Freunden Grigor Boschilow, #Eduard Genow und anderen einen „Offenen Brief – Appell“, der an die KSZE-Folgekonferenz in Wien gerichtet war und Fälle von Gewalt und Menschenrechtsverletzungen in Bulgarien dokumentierte. Die Unterzeichner regten die Schaffung einer ständigen europäischen Regierungskommission an, deren Aufgabe es sein sollte, „die Regierungen zu überwachen und zur Rechenschaft zu ziehen, die es in den elf seit Helsinki vergangenen Jahren noch immer nicht geschafft haben, ihren Völkern auch nur ein einziges Menschenrecht zu gewähren“. Am 19. Dezember 1986 gelang es Grigor Boschilow, den Brief in die US-amerikanische Botschaft in Sofia zu schleusen. Er wurde so Bestandteil der Dokumente für das Wiener KSZE-Treffen.

Silwija Radewa
Aus dem Polnischen von Gero Lietz
Letzte Aktualisierung: 06/17