Auch Glaubensgemeinschaften und nationale Minderheiten versuchten fortan, ihre abweichenden Meinungen öffentlich zum Ausdruck zu bringen. 1974 traten die in Estland lebenden Deutschen für das Recht auf Emigration aus der Sowjetunion ein. Sie demonstrierten vor dem Gebäude des ZK der KPdSU in Moskau, unterstützt von Andrei Sacharow, der einen Brief an Bundeskanzler Helmut Schmidt richtete. Esten beteiligten sich an der Massenkampagne von Pfingstkirchlern für das Recht, aus der Sowjetunion zu emigrieren.
Die Unterzeichnung der Schlussakte der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa in Helsinki am 1. August 1975 hatte großen Einfluss auf die oppositionellen Bewegungen in der Sowjetunion und in den anderen Staaten des Warschauer Pakts. Menschenrechtsaktivisten bildeten Gruppen, die die Umsetzung der Abkommen von Helsinki unterstützen sollten. Sie entstanden in Moskau, in der Ukraine, in Litauen, Georgien und Armenien (siehe Moskauer Helsinki-Gruppe). Der Versuch der ehemaligen politischen Häftlinge Erik Udam und Enn Tarto, eine solche Organisation in Estland zu gründen, misslang. Die Vertreter diskriminierter Religionsgemeinschaften wie der Lutheraner, Baptisten sowie der jüdischen und deutschen Minderheiten zeigten kein Interesse, eine Gruppe zu bilden.
In den 70er Jahren verstärkten sich die früher in Straflagern geknüpften Kontakte zwischen Angehörigen der Widerstandsbewegungen aus Estland, Litauen und Lettland. Man beschloss, eine Organisation zu gründen, die das gemeinsame Vorgehen koordinieren sollte. Die Entstehung des Allgemeinen Komitees der nationalen Bewegungen in Litauen, Lettland und Estland (Eesti-Läti-Leedu Rahvusliikumiste Peakomitee) sollte auf einer Pressekonferenz in Moskau am 25. August 1977, an der auch ausländische Journalisten teilnahmen, bekannt gegeben werden. Dieser Versuch wurde jedoch vom KGB vereitelt. Der Initiator des Komitees, Viktoras Petkus, wurde verhaftet.
Die Mitglieder der Oppositionsbewegung unternahmen keine Versuche, ihrer Tätigkeit organisatorische Strukturen zu geben. Sie konzentrierten sich ganz auf Aufklärung, Dokumentation und Veröffentlichung von Menschenrechtsverletzungen und Verstößen gegen die internationalen Verpflichtungen der Sowjetunion. Außerdem übermittelten sie Informationen an vor Ort akkreditierte ausländische Journalisten, an estnische Emigrantenorganisationen und an die estnische Redaktion von Radio Freies Europa. Das erste länderübergreifende Dokument, das von estnischen Dissidenten mitunterschrieben wurde, war der Baltische Appell (1979). Die Unterzeichnung durch Dutzende Bürger der drei baltischen Länder rief ein breites Echo der internationalen Gemeinschaft hervor. Eine unmittelbare Folge des Appells war eine Resolution des Europäischen Parlaments am 13. Januar 1983. Darin heißt es, dass die freie Welt die Länder Litauen, Lettland und Estland als unabhängige Staaten betrachte, die von der Sowjetunion besetzt werden. Die sowjetische Okkupation wurde verurteilt, und man forderte von der Regierung der UdSSR, die Souveränität der baltischen Staaten wiederherzustellen.
Nach dem Baltischen Appell erschienen zahlreiche offene Briefe, von denen die wichtigsten von estnischen Dissidenten gemeinsam mit Litauern und Letten verfasst wurden. Diese kollektiven Aufrufe trugen mit dazu bei, dass sich die estnische Bevölkerung nicht mit der Okkupation abfand und die Hoffnung auf die Erlangung der Unabhängigkeit keineswegs aufgab.
Von 1978 an erschien acht Jahre lang an der Zensur vorbei die Zeitschrift „Lisandusi mõtete ja uudiste vabale levikule Eestis“ (Beitrag zum freien Ideen- und Informationsaustausch in Estland). Dort wurden die wichtigeren Dokumente des estnischen Samisdat publiziert: Petitionen von Menschenrechtsaktivisten, Berichte über politische Prozesse, Informationen über Verstöße gegen Menschenrechte und nationale Rechte in Sowjetestland. Im Unterschied zur Moskauer „Chronik der laufenden Ereignisse“ enthielt die Zeitschrift außer Fakten und aktuellen Meldungen auch Artikel zu Geschichte, Politik und Kultur Estlands und seiner Nachbarländer Litauen, Lettland und Polen. In den Jahren 1978 und 1979 erschien in Tartu die Zweiwochenschrift „Poolpäevaleht“ (Samstagszeitung).
Ende der 70er/Anfang der 80er Jahre fand die Unzufriedenheit mit dem herrschenden Regime ein Ventil in spontanen Jugenddemonstrationen. 1979 formierte sich in Tartu ein Trauermarsch zu Ehren der Helden des estnischen Unabhängigkeitskampfes 1918–20. 1981 forderte eine Studentendemonstration, vor dem Gebäude der Hochschule eine Büste ihres Gründers, des schwedischen Königs Gustav Adolf aufzustellen. Besonderes Ausmaß nahmen die Jugendunruhen im September und Oktober 1980 zuerst in Tallinn, dann in anderen estnischen Städten an, die durch Auftrittsverbote für die populäre Rockgruppe „Propeller“ wegen angeblicher „nationalistischer Motive in den Liedtexten“ ausgelöst worden waren. In der Folge kam es zu Strafverfahren gegen Personen, die an den Unruhen beteiligt waren. Die aktivsten von ihnen wurden wegen „Rowdytums“ angeklagt. Auf diese Weise verschleierten die Justizbehörden den politischen Hintergrund der Prozesse. Die übrigen Beteiligten unterlagen außergerichtlichen Repressionen. 1981–85 fanden vor dem Obersten Gericht der Estnischen SSR sechs Prozesse statt, in denen den Angeklagten politische Vergehen vorgeworfen wurden. Neun Personen wurden zu Freiheitsstrafen und Verbannung verurteilt.
Die verstärkte Unterdrückung Anfang der 80er Jahre erstickte jegliche Form offenen Widerstands. Oppositionelle Betätigung fand nur noch unter strikter Geheimhaltung statt. Informationen über Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen nationale Rechte wurden dem Hilfszentrum für Estnische Politische Häftlinge in Stockholm übermittelt.
Aus den demokratischen Ideen und Grundsätzen, die seit Anfang der 70er Jahre von Oppositionellen formuliert und mit Leben gefüllt wurden, ging in Estland die 1987 beginnende gesamtnationale Unabhängigkeitsbewegung hervor, die in der „Singenden Revolution“ mündete und zur Unabhängigkeit der Republik Estland führte.