Ukraine (Krimtataren)

Eldar Schabanow

Eldar Schabanow, 1940–2020

Ėl’dar Šabanov

Эльдар Шабанов

Kraftfahrer, Aktivist der krimtatarischen Nationalbewegung, Organisator und Teilnehmer öffentlichkeitswirksamer Veranstaltungen im Zuge der Aktionskampagne der Krimtataren.

Eldar Schabanow wurde 1940 in dem Dorf Mischor (Mishor) unweit von Jalta auf der Krim geboren. Sein Vater starb während des Zweiten Weltkriegs. 1944 wurde die Familie nach Bekabad (Bekobod) in Usbekistan deportiert. 1959–63 diente Schabanow in der Baltischen Flotte. Nach seiner Entlassung aus dem Militär arbeitete er als Busfahrer.

Schabanows Engagement für die krimtatarische Nationalbewegung begann Mitte der 60er Jahre. Anfang 1966 nahm er zum ersten Mal an einer Beratung von Vertretern verschiedener Initiativgruppen in Ferghana teil. Zurück in Bekabad plante er mit einigen Jugendlichen eine Aktion zum 22. Jahrestag der Deportation von 1944: Am 17. Mai 1966 brachte er gemeinsam mit Nureddin Dschepparow an der Wand des städtischen Kulturhauses ein Transparent an, auf dem Dach des Gebäudes befestigte er eine Trauerflagge. Nach dieser Aktion wurden die Anführer der krimtatarischen Bewegung verhaftet und die im städtischen Kulturhaus beschäftigten Tataren entlassen. Am 21. Oktober 1966 organisierte die lokale Initiativgruppe auf dem zentralen Platz in Bekabad eine Kundgebung anlässlich des 45. Jahrestags der Proklamierung der Autonomen Republik Krim. An der Gedenkveranstaltung, auf der Schabanow zur Eröffnung und zum Abschluss eine Rede hielt, nahmen rund 5.000 Personen teil. Noch in der Nacht nahm der KGB 43 Personen fest, Schabanow selbst wurde zwei Tage später verhaftet. Gegen die Festnahmen gab es Massenproteste. Schabanow verbrachte insgesamt 15 Tage wegen „minderschweren Rowdytums“ im Arrest.

Im April 1968 nahm Schabanow als Mitglied der Delegation der Initiativgruppe Bekabad an den Feiern zum Nationalfeiertag der Krimtataren in Chirchiq teil, bei dem es zu zahlreichen Festnahmen kam. Er gehörte auch der Abordnung an, die dem Generalstaatsanwalt der UdSSR Roman Rudenko in Moskau einen Protestbrief gegen diese Verhaftungen bei den Ereignissen in Chirchiq überreichte. Am Vorabend einer für den 17. Mai 1968 geplanten Gedenkkundgebung in Moskau zum 24. Jahrestag der Deportation von 1944 wurden insgesamt 800 angereiste Krimtataren gewaltsam der Stadt verwiesen. Im Zug sammelte Schabanow unter den Ausgewiesenen rund 200 Unterschriften gegen die das Vorgehen der Behörden. Zusammen mit Schewket Sejtablajew gelang es ihm, den Transport zu entwischen und nach Moskau zurückzukehren. Hier übergaben sie Pjotr Grigorenko, Pjotr Jakir und Sergei Pissarew ein Exemplar der Nummer 69 der „Informationen“, wo die jüngsten Repressalien gegen die Krimtataren beschrieben wurden. Im Sommer 1968 unterzeichnete Schabanow einen Appell der Vertreter des krimtatarischen Volkes an die internationale Gemeinschaft.

Im Februar 1969 zog Schabanow gemeinsam mit seiner Familie auf die Krim, wo er ein Haus in Bilohirsk/Belogorsk (Qarasuvbazar) erwarb. Die Behörden stellten ihm jedoch keine Meldebescheinigung aus und wollten ihn ausweisen. Um eine zwangsweise Abschiebung zu verhindern, verbarrikadierte Schabanow sich in seinem Haus, wurde am 25. April 1969 aber dennoch verhaftet. Am 2. Juli 1969 verfügte das Rajongericht in Bilohirsk nach Artikel 169 Strafgesetzbuch der Ukrainischen SSR (Verstoß gegen Meldevorschriften) seine Ausweisung von der Krim für zwei Jahre. Nachdem seine Frau einige Monate später einen gleichlautenden Urteilsspruch erhielt, siedelten sie sich in der südlich des Ural gelegenen Stadt Nowotruizk an. Schabanow verfasste ein Protestschreiben an den UNO-Generalsekretär, in dem er detailliert die Repressionen gegen ihn sowie weitere Beispiele der Missachtung der Rechte der Krimtataren schilderte. 1972 kehrte er auf die Krim zurück, konnte sich in Bilohirsk anmelden und arbeitete dort als Kraftfahrer.

Am 7. und 8. Mai nahm er an einem landesweiten Treffen der Vertreter Krimtataren im usbekischen Margilan (Marg’ilon) teil und unterzeichnete die hier verabschiedete Nummer 25 der „Informationen“. Im Januar 1976 schloss er sich einer Petition für Sergei Kowaljow an.

Schabanow war immer wieder Repressionen ausgesetzt und wurde wiederholt durch KBG und Staatsanwaltschaft verhört. Am 14. März 1979 fand bei ihm eine Hausdurchsuchung statt und am 27. März des Jahres unter dem Vorwurf „notorischen Rowdytums“ verhaftet (als Vorwand diente eine Konfrontation mit dem Fahrgast eines Busses, der sich beleidigend über die Krimtataren geäußert hatte). Am 4. Mai 1979 verurteilte ihn das Rajongericht Bilohirsk nach Artikel 206, Paragraf 2 Strafgesetzbuch der Ukrainischen SSR zu drei Jahren Arbeitslager. Er kam in ein Straflager in der Oblast Wolhynien in der Ukraine, das er nach der Verkürzung der Strafe auf ein Jahr im März 1980 wieder verlassen konnte. Kurz nach seiner Rückkehr nach Bilohirsk wurde sein Haus erneut durchsucht und er selbst im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen Alexander Lawut verhört.

Am 11. und 12. April 1987 nahm Schabanow in Taschkent an einer landesweiten Beratung der Vertreter des krimtatarischen Volkes teil. Er war Mitunterzeichner eines Appells an Michail Gorbatschow, den Krimtataren schnellstmöglich eine Rückkehr auf die Krim zu ermöglichen. Im Anschluss an eine Demonstration von Krimtataren in Moskau nahm er im Sommer 1987 an der Audienz im Kreml teil. Der US-amerikanischen Vertreterin bei den Vereinten Nationen, Jean Fitzpatrick, übergab er eine Reihe von Dokumenten der krimtatarischen Nationalbewegung und stand daraufhin sechs Monate lang unter ständiger Beobachtung des KGB. Gemeinsam mit Abdureschit Dschepparow gelang es ihm dennoch, westlichen Journalisten ein Interview zu geben und ihnen verschiedene Unterlagen auszuhändigen. Im November 1988 nahm er in dem Krimdorf Utschkos (Üç Köz; seit 1948 Nowokljonowo/Nowoklenowe) an einem landesweiten Treffen von Vertretern der krimtatarischen Bewegung teil. 1991 war er Delegierter des Zweiten Kurultais des krimtatarischen Volkes und arbeitete 1991–93 in der Revisionskommission des Kurultais.

Eldar Schabanow starb am 17. Januar 2020 in Bilohirsk auf der Krim an einem Herzinfarkt. Bis zuletzt äußerte er sich zu den Belangen der Krimtararen.

Elwedin Schabarow
Aus dem Polnischen von Gero Lietz
Letzte Aktualisierung: 10/20