Der 1920 in Odessa geborene Swjatoslaw Karawanskyj stammte aus einer Ingenieursfamilie. 1938 beendete er die Schule und begann ein Studium am Industrie-Institut Odessa. 1939 nahm er außerdem ein Fernstudium am Institut für Fremdsprachen auf. Schon zu Schulzeiten hatte er Gedichte und Erzählungen verfasst, während des Studiums fertigte er erste Übersetzungen an.
1940 brach Karawanskyj sein Studium ab und meldete sich als Freiwilliger zur Armee. Im Juni 1941 wurde seine Einheit in Westbelarus von deutschen Truppen eingeschlossen. Er konnte der Kriegsgefangenschaft entgehen und kehrte Anfang 1942 in das von deutschen und rumänischen Truppen besetzte Odessa zurück, wo er ein Studium an der Fakultät für Literatur begann. Karawanskyj knüpfte Kontakt zu einer Gruppe junger Menschen mit Verbindungen zur Organisation Ukrainischer Nationalisten. Mit Hilfe des Gewinns, die die von ihm ins Leben gerufene Buchhandlung für ukrainische Literatur „Osnova“ abwarf, ließ er der Gruppe, wie auch einem ukrainischen Theater, finanzielle Unterstützung zukommen. 1944 reiste Karawanskyj nach Rumänien, von wo aus er im Juli desselben Jahres illegal in das von der Besatzung befreite Odessa zurückkehrte. Am 1. August des Jahres wurde er bei dem Versuch, Kontakt mit ehemaligen Gruppenmitgliedern aufzunehmen, vom NKWD verhaftet. Im Zuge der Ermittlungen gegen ihn wurde ihm die Freilassung in Aussicht gestellt, wenn er bereit wäre, über die herrschende Stimmung in der Studentenschaft zu berichten. Er ging nicht auf dieses Angebot ein.
Am 7. Februar 1945 verurteilte das Militärgericht des Wehrbezirks Odessa Karawanskyj nach Artikel 54, Paragraf 1b („Vaterlandsverrat durch einen Wehrdienstleistenden“) und Artikel 54, Paragraf 11 Strafgesetzbuch der Ukrainischen SSR (entspricht Artikel 58, Paragraf 11 Strafgesetzbuch der RSFSR) zu 25 Jahren Freiheitsentzug. Die Strafe verbüßte er in verschiedenen Lagern, wo er am Bau der Eisenbahnlinie am Fluss Petschora und des Abschnitts Tajschet-Lena der Bajkal-Amur-Magistrale beteiligt war, als Holzfäller bei Magadan arbeitete und Kleidung in den mordwinischen Lagern nähte. Als sich nach Stalins Tod die Bedingungen in den Lagern verbesserten, konnte Karawanskyj auch wieder literarisch arbeiten: Er schrieb Gedichte, poetische Fabeln, Theaterstücke und betätigte sich als Übersetzer. Einige seiner Arbeiten wurden in der Wochenzeitschrift „Literaturna Ukraijina“ veröffentlicht. 1954 begann er mit der Arbeit an einem Wörterbuch des ukrainischen Reimes.
Am 19. Dezember 1960 kam Karawanskyj nach 16 Jahren und fünf Monaten Haft überraschend frei, nachdem in Anwendung des Rehabilitierungs-Dekrets vom 17. August 1955 seine Haftstrafe halbiert worden war.
Zurück in Odessa schloss Karawanskyj eine Berufsausbildung als Mechaniker für Rechenmaschinen ab und arbeitete als Schlosser. Darüber hinaus war er als Übersetzer und Korrespondent für mehrere Zeitschriften tätig. Er siedelte in die Republik Komi über. Grund für die häufigen Arbeitsplatzwechsel war vor allem seine Vergangenheit: Sobald ein neuer Arbeitgeber von seiner Lagerhaft erfuhr wurde er entlassen. 1961 heiratete Karawanskyj die Mikrobiologin und spätere Dissidentin Nina Strokata. Er übersetzte (unter anderem den Roman „Jane Eyre“ von Charlotte Brontë für die Zeitschrift „Dnipro“), verfasste das Buch „Biografie der Worte“ (Biohrafia sliv), veröffentlichte seine Notizen über Sprache und bereitete die Herausgabe eines Bandes mit Humoresken und feuilletonistischen Texten vor. Darüber hinaus schloss er die Arbeit an dem im Lager begonnenen umfangreichen Wörterbuch des ukrainischen Reimes (rund 1.000 Druckseiten) ab.
1962 begann Karawanskyj ein Fernstudium an der Philologischen Fakultät der Universität Odessa und war gesellschaftlich aktiv: Er sammelte ukrainische Bücher für Landsleute aus dem Kuban-Gebiet, wandte sich an verschiedene Stellen mit dem Vorschlag, einen nationalen Feiertag zum Jubiläum des ukrainischen Komponisten Mykola Lysenka zu organisieren und setzte sich für die ukrainische Untertitelung von Filmen ein. 1964 wandte er sich in einem Brief an den Staatsanwalt der Ukrainischen SSR mit der Forderung, den Bildungsminister der Ukraine Jurij Dadankow, dem er eine fortschreitende Russifizierung des Schul- und Hochschulwesens vorwarf, strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen. Dadankow hatte veranlasst, Zugangsprüfungen zu Hochschulen ausschließlich in russischer Sprache durchzuführen, was einen weiteren Schritt der Verdrängung der ukrainischen Sprache aus dem öffentlichen und gesellschaftlichen Leben und die Ausbildung weniger nationaler Führungskräfte bedeutete. Karawanskyj sah die Rechte des ukrainischen Volkes verletzt, denn diese Entscheidung stand seiner Meinung nach im Widerspruch zu Artikel 66 Strafgesetzbuch der Ukrainischen SSR über die Gleichberechtigung der Völker.
1965 meldete sich Karawanskyj mit dem Artikel „Über einen politischen Fehler“ (Pro odnu polityčnomy pomylku) zu Wort. Er kritisierte darin den fehlenden verpflichtenden nationalsprachlichen Schulunterricht in den Sowjetrepubliken, was in der Ukraine zu einer drastischen Abnahme der Anzahl ukrainischer Schulen führte, und sprach in diesem Zusammenhang von einer Abweichung von den Leninschen Prinzipien der Nationalitätenpolitik. Karawanskyj begann systematisch, seine von offiziellen Verlagen und Redaktionen abgelehnten Texte im Samisdat zu publizieren, und erreichte auf diese Weise die Verbreitung seiner Briefe und Schriften.
Während der ersten Verhaftungswelle von Mitgliedern der ukrainischen Intelligenz wurde bei ihm am 4. August 1965 eine Hausdurchsuchung durchgeführt, jedoch kein belastendes Material gefunden. Am folgenden Tag verfasste Karawanskyj ein Protestschreiben gegen die willkürliche Durchsuchung. In Briefen an den polnischen und den tschechoslowakischen Konsul beanstandete er die Verletzung der Leninschen Normen der Nationalitätenpolitik, kritisierte die Verhaftungen von Intellektuellen und schlug vor, die Nationalitätenfrage auf einer internationalen Konferenz der kommunistischen Parteien zu thematisieren.
Am 13. November 1965 wurde Karawanskyj verhaftet. Weil kein formaler Grund für eine Anklage gefunden wurde, stellte der Generalstaatsanwalt der UdSSR Roman Rudenko auf Antrag des KGB die frühere Strafminderung infrage. Die folgenden acht Jahre und sieben Monate, bis zur Abbüßung der ursprünglichen Strafe von 25 Jahren, verbrachte Karawanskyj in Lagerhaft. Hier verfasste er zahlreiche an Behörden und Öffentlichkeit gerichtete Appelle und begründete damit den ukrainischen Lager-Samisdat. Fünf Mal trat er in den Hungerstreik, der jedes Mal durch Zwangsernährung unterbrochen wurde. Im Sommer 1967 wurde Karawanskyj ins Wladimir-Gefängnis verlegt. Hier lernte er Zeugen des Mords an polnischen Offizieren in Katyn kennen. Gestützt auf ihre Aussagen verfasste er einen Artikel zu diesem Thema, den seine Frau nach außen schleuste.
Am 23. April 1970 wurde Karawanskyj während seiner Haft in einer „offenen“ Verhandlung als „besonders gefährlicher Verbrecher“ zu zusätzlichen fünf Jahren Gefängnis und drei Jahren Lager mit besonderem Vollzug verurteilt. Vorgeworfen wurde ihm der wiederholte Versuch, verschlüsselte Informationen über Katyn sowie eigene Gedichte, die er mit Natriumsalicylat in Briefe, Bücher und Zeitschriften geschrieben hatte, aus dem Gefängnis zu schmuggeln. Am Vortag der Verhandlung erreichte das Präsidium des Obersten Sowjets der Ukrainischen SSR und der Staatsanwaltschaft der UdSSR zu seiner Verteidigung ein von 16 ehemaligen politischen Häftlingen unterzeichneter Brief mit dem Titel „Wieder geschlossene Verfahren?“ (Znovu „kamerni“ spravy?), der auch in der ersten Nummer der unabhängigen Zeitschrift *„Ukrajins’kyj visnyk“ erschien.
1972 wurde Karawanskyj aus dem Wladimir-Gefängnis in die mordwinischen Lager verlegt, wo inzwischen auch seine Frau eine Haftstrafe verbüßte. Er beteiligte sich an Aktionen des Lagerwiderstands und trat für Häftlinge ukrainischer und anderer nationaler Herkunft ein. 1976 verfassten die russischen Oppositionsaktivistinnen Tatjana Chodorowitsch und Malwa Landa den Bericht „Über Besuchstermine. Fragment einer Untersuchung des Falles Swjatoslaw Karawanskyj“ (O svidanijach. Fragment issledovanija dela Svjatoslava Karavanski). Im Februar 1979 wurde Karawanskyj Mitglied der Ukrainischen Helsinki-Gruppe. Am 15. September 1979 wurde er aus der Haft entlassen und emigrierte noch im selben Jahr mit seiner Frau in die USA, wo sich beide weiterhin gesellschaftlich und wissenschaftlich betätigten.
In der zweiten Hälfte der 90er Jahre erlebte Karawanskyj die Veröffentlichung seiner wichtigsten literaturwissenschaftlichen Arbeiten. Im November 2006 wurde ihm für sein oppositionelles Engagement vom Präsidenten der Ukraine der Tapferkeitsorden erster Klasse verliehen.
Swjatoslaw Karawanskyj starb am 17. Dezember 2016 in Baltimore, USA.