János Kis wurde 1943 in Budapest geboren. Er besuchte bis Oktober 1956 die Gorki-Schule, eine Bildungseinrichtung für Kinder von Parteifunktionären, auf der der Unterricht in russischer Sprache stattfand. 1962 begann er, an der Loránd-Eötvös-Universität Budapest ungarische Philologie und Philosophie zu studieren. Während des Studiums fand er Kontakt zu György Bence und anderen Schülern von György Márkus (der selbst aus der Schule des Philosophen Georg Lukács kam), und schloss sich ihnen an. Nach dem Abschluss des Studiums wurde Kis Mitarbeiter des Instituts für Philosophie der Ungarischen Akademie der Wissenschaften.
Unter dem Eindruck der Ereignisse des Prager Frühlings begann er gemeinsam mit György Bence und György Márkus die Arbeit an dem theoretisch-philosophischen Werk „Wie ist eine kritische Wirtschaftslehre möglich?“ (Hogyan lehetséges kritikai gazdaságtan?; Manuskript 1970–72) und legte darin die sozialen und ökonomischen Widersprüche der Marxʼschen Theorie offen. Es folgte ein weiteres Buch, das er zusammen mit György Bence verfasste: „Die Gesellschaft sowjetischen Typus mit marxistischen Augen betrachtet“ (A szovjet típusú társadalom marxista szemmel). Die Autoren verglichen darin die grundlegenden Prämissen des Marxismus mit der sozialen und politischen Praxis des „real existierenden Sozialismus“. Das Manuskript entstand zwischen 1973 und 1975, das Buch erschien auf Ungarisch in Paris, ein Reprint wurde 1985 vom Verlag Áramlat Független Kiadó in Ungarn herausgebracht.
1971 vollzogen Kis und György Bence eine Abkehr von den anderen in ihrem Umfeld, die sich in der Tradition des Lukács-Denkens befanden. 1971 schließlich wurden beide von der Staatsmacht als antimarxistische Vertreter der Lukács-Schule eingestuft, verloren ihre Anstellungen und erhielten Publikationsverbot. Unmittelbarer Anlass für diese Repressionen war die Teilnahme beider an einer Protestveranstaltung auf der kroatischen Insel Korčula. Dort demonstrierten im August 1968 Vertreter der Lukács-Schule (unter anderen György Márkus, Ágnes Heller) gemeinsam mit weiteren Teilnehmern eines philosophischen Sommerseminars gegen den Einmarsch von Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei, den sie als Gefahr für den Sozialismus und den Aufbau der Demokratie ansahen.
Aktiv begann sich Kis in der Opposition dank seiner Kontakte zu János Kenedi zu betätigen, der ihn unter anderem mit Wirken und Werk von István Bibó bekannt machte. Prägend für seine Haltung war auch die Entstehung des „Komitees zur Verteidigung der Arbeiter“ (Komitet Obrony Robotników, KOR) in Polen.
1976 ergriffen Kis, János Kenedi und György Bence die Initiative, eine Untergrundzeitschrift herauszugeben, und setzten sich damit von der Haltung der ungarischen Intelligenz ab, die sich mit dem herrschenden Status quo abgefunden hatte. Im Januar 1977 folgte eine Protestaktion gegen die Verhaftung von Anhängern der Charta 77 in der Tschechoslowakei. In den Jahren 1979/80 waren sie an der Entstehung der Bibó-Festschrift (Bibó Emlékkönyv) beteiligt. 1980/81 war Kis bereits eine in Oppositionskreisen bekannte Persönlichkeit. Er gehörte zu den Gründern der Untergrundzeitschrift „Beszélő“ (Sprecher), für die er eine Reihe politischer Analysen verfasste.
Kis initiierte auch eine Diskussion zum möglichen Handlungsradius der ungarischen Opposition angesichts der politischen Situation, wie sie sich in den Ländern des Sowjetblocks nach der Einführung des Kriegsrechts in Polen darstellte. In den Jahren 1980–82 hielt er im Rahmen der Freien Montagsuniversität eine Vorlesungsreihe zum Thema Sowjetologie, die einen wichtigen Beitrag zur Herausbildung der politischen Kultur in Ungarn leistete. Eine vergleichbare Rolle spielte sein Buch „Haben wir Menschenrechte?“ (Vannak-e emberi jogaink?), das 1986 von dem unabhängigen Verlag AB (AB Független Kiadó) herausgegeben wurde.
Kis war außerdem gemeinsam mit Ferenc Kőszeg und Ottilia Solt Autor der Programmschrift der ungarischen demokratischen Opposition Gesellschaftsvertrag (Társadalmi Szerződés), die im Juni 1987 in einem Sonderheft der Zeitschrift „Beszélő“ erschien. Er galt als eine der hervorragendsten Persönlichkeiten der demokratischen Opposition und verfügte über ausgeprägte Führungsqualitäten. 1988 wurde er Sprecher des Netzes Freier Initiativen, 1990/91 war er Vorsitzender des daraus hervorgegangenen Bundes Freier Demokraten (Szabad Demokraták Szövetsége; SZDSZ). 1991 verzichtete er auf die Funktion des Vorsitzenden, war aber bis 1999 Mitglied des SZDSZ-Landesrates. 2002 trat er aus der Partei aus. Bis heute ist er Professor an der Central European University in Budapest.