Glossar

IPN

Das Institut für Nationales Gedenken (Instytut Pamięci Narodowej; IPN) ist eine der wichtigsten Institutionen, die mit der neuesten Geschichte Polens befasst sind. Unter anderem ist es für die Akten des Staatssicherheitsdienstes der Volksrepublik Polen zuständig. Der erste Leiter des seit dem Jahr 2000 existierenden IPN war Leon Kieres. Ihm folgte 2005–10 Janusz Kurtyka, der beim Absturz der polnischen Präsidentenmaschine am 10. April 2010 im westrussischen Smolensk ums Leben kam. Nach dem Interimsleiter Franciszek Gryciuk (2010/11) wurde im Juni 2011 Łukasz Kamiński zum IPN-Leiter berufen. Nach dem Ende von dessen Amtszeit folgte ihm im Juli 2016 Jarosław Szarek im Amt. Organisatorisch gliedern sich die Aufgaben des IPN in drei Hauptbereiche: 1. Archiv (Büro für die Freigabe und die Archivierung von Dokumenten), 2. Forschung (Büro für öffentliche Bildung), 3. Strafverfolgung (Hauptkommission zur Strafverfolgung von Verbrechen gegen das polnische Volk).

Eine der gesetzlich festgeschriebenen Aufgaben des IPN ist die politische Bildung über Polen und die polnische Gesellschaft nach dem Jahr 1939. Die Historiker des IPN erforschen die Besatzungspolitik während des Zweiten Weltkriegs, den polnischen Untergrundstaat, die Politik der Partei- und Staatsführung der Volksrepublik Polen sowie verschiedene Formen des gesellschaftlichen Widerstands und der Opposition. Ergebnis dieser Arbeit sind zahlreiche wissenschaftliche und populärwissenschaftliche Publikationen. Das IPN ist Herausgeber von Quelleneditionen, Monografien, Berichten, Erinnerungen, Biografien, Wörterbüchern, Materialien zur politischen Bildung und von Zeitschriften zur polnischen Zeitgeschichte. (Homepage des IPN: http://ipn.gov.pl)

Bogusław Kopka

Ilia-Tschawtschawadse-Gesellschaft

Die Ilia-Tschawtschawadse-Gesellschaft (Ilia Ch’avch’avadzis Sazogadoeba) wurde am 31. Oktober 1987 unter dem Einfluss von Perestroika und Glasnost gegründet. Namenspatron der politischen Vereinigung war der berühmte Schriftsteller und Unterstützer der georgischen Nationalbewegung Ilia Tschawtschawadse (1837–1907). Der Gesellschaft gehörten viele Dissidenten an, unter anderem Georgi Tschanturia, Merab Kostawa, Swiad Gamsachurdia, Tejmuras Dschanlidse, Awtandil Imnadse, Gela Nikolaischwili, Wachtang Dsabiradse, Saur Kobalia und Tariel Gwiniaschwili. 1988 kam es zu einer Spaltung: Die radikalsten Mitglieder Gamsachurdia und Kostawa gründeten die Ilia-der-Gerechte-Gesellschaft und betonten mit der Namenswahl die religiös-nationale Dimension des Lebenswerks von Ilia Tschawtschawadse, der 1987 von der Georgischen Orthodoxen Kirche heiliggesprochen worden war. Andere Mitglieder der Gesellschaft gründeten weitere politische Gruppierungen (siehe National-Demokratische Partei). Im Mai 1988 erklärte sich die Ilia-Tschawtschawadse-Gesellschaft zur „vierten Partei“ und knüpfte damit an die Tradition dreier früherer Parteien an, deren erklärtes Ziel die Unabhängigkeit Georgien gewesen war (die „erste Partei“ war in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts von Tschawtschawadse gegründet worden). Ziel der Gesellschaft war die Befreiung des georgischen Volkes von sowjetischen Herrschaftsstrukturen, die Gründung eines unabhängigen demokratischen georgischen Staats sowie der Schutz der Menschenrechte und der Rechte der nationalen Minderheiten in Georgien. Bezüglich einer staatlichen Unabhängigkeit des Landes nahm die Gesellschaft eine gemäßigte Position ein. 1990/1991 stand sie in deutlicher Opposition zur Regierung von Swiad Gamsachurdia, und unterstützte 1992 teilweise die Politik des neuen Präsidenten Eduard Schewardnadse. Damals zählte die Ilia-Tschawtschawadse-Gesellschaft 2000 Mitglieder. Heutige Vorsitzende der Gesellschaft ist Tamar Tschcheidse.

„Impulse von Katholiken zur Verbesserung der Situation gläubiger Bürger in der ČSSR“

31-Punkte-Petition, die die Möglichkeit für ein religiöses Leben und Religionsfreiheit in der Tschechoslowakei forderte. Ungefähr 600.000 Menschen unterschrieben die Petition „Impulse von Katholiken zur Verbesserung der Situation gläubiger Bürger in der ČSSR“ (Podněty katolíků k řešení situace věřících občanů v ČSSR), darunter auch viele Nichtgläubige. Die Hälfte der Unterzeichner kam aus der Slowakei. Die Petition wurde im Namen des Katholischen Laienverbands „Friede auf Erden“ (Mír na Zemi), der von Augustin Navrátil im Oktober 1988 gegründet worden war, veröffentlicht.

„Informationen“

Die „Informationen“ dokumentierten die Aktivitäten der krimtatarischen Nationalbewegung, die sich für eine legale Rückkehrmöglichkeit der Krimtataren auf die Krim einsetzte, und beschrieben wichtige Vorkommnisse aus der Arbeit der Initiativgruppen. Die ersten „Informationen“ erschienen 1965, bis Anfang der 80er Jahre kamen sie mehr als 100 Mal heraus. Sie wurden innerhalb der krimtatarischen Community verbreitet und an die wichtigsten Staatsorgane, Institutionen und Organisationen verschickt.

„Informationen über die Charta 77“

Bedeutendste, ab Januar 1978 erscheinende tschechoslowakische Samisdatzeitschrift. Die „Informationen über die Charta 77“ (Informace o Chartě 77; INFOCH) veröffentlichten Dokumente der Bürgerrechtsbewegung Charta 77, die regelmäßigen Berichte des Komitees zur Verteidigung der zu Unrecht Verfolgten (Výbor na obranu nespravedlivě stíhaných; VONS), Petitionen, Erklärungen, Briefe und eine Reihe weiterer Materialien wie Polemiken, Gespräche, feuilletonistische Artikel und Hinweise auf andere Samisdatveröffentlichungen. Die Zeitschrift wurde maßgeblich auf Initiative von Petr Uhl gegründet. Sie erschien unabhängig von der Bürgerrechtsbewegung Charta 77, da ihre Sprecher und aktiven Mitglieder es ablehnten, sie im Namen der Bürgerrechtsbewegung herauszugeben. Mit der Erstellung und der Verteilung dieser zunächst monatlich, später zweiwöchentlich erscheinenden Publikation waren etliche Personen beschäftigt. Die „Informationen über die Charta 77“ wurden entweder mit der Schreibmaschine abgetippt oder auf Kopierern vervielfältigt. Von Beginn an gehörten neben Petr Uhl auch Václav Benda und Otka Bednářová der Redaktion an. Alle drei repräsentierten unterschiedliche politische Strömungen.

Ab April 1979 gaben die Herausgeber ihre Namen und Adressen öffentlich im Impressum an. Nach der Verhaftung der Mitglieder des Komitees zur Verteidigung der zu Unrecht Verfolgten, zu denen auch die drei Redakteure gehörten, erschien der Name Anna Šabatovás im Impressum. Nach der Freilassung Petr Uhls und seiner Rückkehr zur Redaktionsarbeit kam es zwischen ihm und Václav Benda zum Streit. Václav Benda verließ daraufhin die Redaktion. An seine Stelle in der Redaktion traten Petr Krejčí, Jiří Ruml und Jan Ruml. In den letzten Jahren gehörten auch Heřman Chromý und Pavla Paloušová zur Redaktion. Mitte der 80er Jahre stieg die Auflage dank verbesserter technischer Möglichkeiten auf über tausend Exemplare an.

Mehrere Personen wurden wegen ihrer Beteiligung am Druck und der Verteilung der Zeitschrift zu Freiheitsstrafen verurteilt: Jiřína Bedeiová, Petr Cibulka, Pavel Dudr, Jaromír Němec, Petr Pospíchal, Dušan Skála, andere Mitarbeiter aus anderen fingierten Gründen verhaftet. Die im Ausland tätige Stiftung „Charta 77“ finanzierte die „Informace“, die auch eine wichtige Informationsquelle für ausländische Presseagenturen war. Die Zeitschrift wurde von den im westeuropäischen Exil lebenden Oppositionellen als Faksimile herausgegeben und in mehrere Sprachen übersetzt.

Initiativgruppen

In den Hauptsiedlungsgebieten der Krimtataren nach ihrer Deportation 1944 entstanden ab Mitte der 50er Jahre, hauptsächlich in Usbekistan, informelle Organisationen, die sogenannten Initiativgruppen. Sie bildeten die Grundstruktur der Bewegung der Krimtataren für ihre Rückkehr auf die Krim. Ende der 50er Jahre und Anfang der 60er Jahre sammelten sie vor allem Unterschriften für Petitionen. In der zweiten Hälfte der 60er Jahre leisteten sie außerdem Informationsarbeit innerhalb der krimtatarischen Community. Sie verbreiteten Nachrichten der Bewegung, bereiteten Delegationen nach Moskau vor und unterstützten die Angehörigen der wegen ihres politischen Engagements Inhaftierten.

Initiativgruppe zur Verteidigung der Menschenrechte in Georgien

Als erste öffentlich agierende Menschenrechtsorganisation in Georgien wurde die Initiativgruppe zur Verteidigung der Menschenrechte in Georgien (Sakartvelos adamianis uflebata dacvis sainiciativo jgufi) 1974 in Tiflis von Merab Kostawa, Swiad Gamsachurdia, Walentina Pailodse und Wiktor Rzchiladse gegründet. Eine vollständige Liste der Mitglieder existiert nicht. Die Vereinigung richtete gemeinsam mit der Georgischen Helsinki-Gruppe mehrere Appelle zur Verteidigung politisch Verfolgter an die Öffentlichkeit. Nach der Verhaftung von Kostawa und Gamsachurdia stellte sie ihre Aktivitäten 1977 ein.

Initiativgruppe zur Verteidigung der Menschenrechte in der UdSSR

Erste öffentlich aktive Oppositionsgruppe der UdSSR. Sie entstand im Mai 1969 auf Initiative von Pjotr Jakir und Wiktor Krassin. Zu ihr gehörten die Moskauer Tatjana Welikanowa, Natalja Gorbanewskaja, Sergei Kowaljow, Alexander Lawut, Anatoli Lewitin-Krasnow, Juri Malzew, Grigori Podjapolski, Tatjana Chodorowitsch und Anatoli Jakobson, aus Leningrad Wladimir Borissow, aus der Ukraine Henrich Altunjan und Leonid Pljuschtsch sowie der Vertreter der Krimtataren Mustafa Dschemilew.

Die „Initiativgruppe zur Verteidigung der Menschenrechte in der UdSSR“ (Iniciativnaja gruppa po zaščite prav čeloveka w SSSR) schrieb offene Briefe an internationale Organisationen – vor allem an die Vereinten Nationen – mit Informationen über politisch Verfolgte in der UdSSR. Sie bestand bis 1976, als ihre gesellschaftliche Rolle von der Moskauer Helsinki-Gruppe übernommen wurde. Praktisch alle ihrer Mitglieder waren von Repressionen betroffen, elf von 15 Personen wurden verhaftet und verurteilt, sieben wurden zur Emigration gezwungen.

Internationales gesellschaftliches Seminar

Auf Initiative der ehemaligen politischen Häftlinge Lew Timofejew, Sergei Grigorjanz und Sergei Kowaljow fand im Zuge von Perestroika und Glasnost jedoch ohne offizielle Genehmigung der Behörden vom 10. bis 15. Dezember 1987 und vom 12. bis 13. März 1988 in Moskau das Internationale gesellschaftliche Seminar (Meždunarodnyj obščestvennyj seminar) zum Thema Menschenrechte statt. An den in privaten Wohnungen organisierten Treffen nahmen rund 400 Personen aus mehreren Sowjetrepubliken und aus dem Ausland teil. Es wurde in zehn Arbeitsgruppen getagt: Internationale Vertrauensbildung und Abrüstung, gesellschaftliche und ökonomische Bürgerrechte, Glaubensfreiheit (Koordination: Gleb Jakunin), Redefreiheit (Koordination: Sergei Grigorjanz), zwischenmenschliche Kontakte, humanitäre Aspekte von Umweltverschmutzung, Rechte von Kriegsinvaliden und anderen benachteiligten sozialen Gruppen (Koordination: Juri Kiseljow), juristische Absicherung der Menschenrechte (Koordination: Sergei Kowaljow) und Verteidigung individueller Rechte durch die Gesellschaft (Koordination: Larissa Bogoras-Bruchman).

„Internationalismus oder Russifizierung?“

Sein Buch „Internationalismus oder Russifizierung?“ (Internacionalizm čy rusyfikacija?) schrieb der ukrainische Literaturkritiker und Publizist Iwan Dsjuba 1965. Gestützt auf offizielle Quellen wie Parteitags-Stenogramme und Zitate aus den Werken Lenins warf der Autor den sowjetischen Behörden einen Bruch mit den „Leninschen Prinzipien der Nationalitätenpolitik“ vor und rief die Staatsführung zu einer freien, ehrlichen und offenen Analyse aller Aspekte der Nationalitätenfrage auf. Das Manuskript des Buches sandte der Autor an die ukrainische Parteiführung zusammen mit einem Brief, in dem er sich für ukrainische politische Häftlinge einsetzte, die im Zuge der ersten Verhaftungswelle festgenommen worden waren. Dsjubas Buch fand im Samisdat weite Verbreitung und erlangte für die ukrainische Nationalbewegung der 60er und beginnenden 70er Jahre programmatische Strahlkraft. Es wurde auch im Ausland veröffentlicht.