Erinnerungskultur in Tschechien
Nach der Samtenen Revolution von 1989 wurden in der Tschechoslowakei zu Unrecht verurteilte ehemalige politische Gefangene rehabilitiert. 1991 wurde ein Lustrationsgesetz verabschiedet, in dessen Folge frühere hohe Funktionäre, Mitarbeiter der Staatssicherheit und der Volksmiliz aus höheren Verwaltungsposten und öffentlichen Ämtern entfernt wurden. Nachdem 1991 bereits das tschechoslowakische Parlament das Handeln der kommunistischen Regierung vor 1989 für rechtswidrig erklärt hatte, bestätigte 1993 auch das Parlament des nun unabhängigen Tschechien diese Einschätzung und bezeichnete das kommunistische Regime als unrechtmäßig und verbrecherisch. 2008 wurde die Verharmlosung der kommunistischen Verbrechen in der Tschechischen Republik unter Strafe gestellt. Wie in allen ehemaligen kommunistischen Ländern gestaltete sich die Strafverfolgung einstiger Täter und Verantwortlicher jedoch schwierig. Von den etwa 200 erhobenen Anklagen endeten lediglich 23 mit Haftstrafen, von denen die meisten zur Bewährung ausgesetzt wurden.
Ein erstes, dem Ministerium des Inneren unterstelltes Institut für die Unterlagen der Staatssicherheit war bereits 1991 gegründet worden. 1995 folgte der Aufbau des Amts zur Untersuchung und Verfolgung kommunistischer Verbrechen (ÚDV) und 2007 die Einrichtung des Instituts für das Studium der totalitären Regime (ÚSTR), das auch Archivbestände der früheren Sicherheitsorgane verwahrt sowie methodische Handreichungen und Lernmaterial für historische Bildung entwickelt.
Im Feld der historischen Bildung ist seit 2001 darüber hinaus insbesondere die NGO „Post Bellum“ aktiv, die auf einem eigenen Webportal Zeitzeugeninterviews zugänglich macht, aber auch Projekte, Workshops und Ausstellungen veranstaltet. Unter der Federführung des Instituts für Zeitgeschichte der tschechischen Akademie der Wissenschaften entstand 2015 das Webportal „Pamětní místa“, das eine Übersicht von über 800 Erinnerungsorten an das Unrecht und die Opfer des kommunistischen Regimes in Tschechien bietet.
In der Tschechischen Republik ist heute der 17. November, an dem 1989 die Samtene Revolution begann, ein nationaler Feiertag. Der 27. Juni wird seit 2004 als Gedenktag für die Opfer des kommunistischen Regimes begangen. Erinnert wird damit auch an die Hinrichtung der in einem Schauprozess verurteilten Milada Horáková im Prager Gefängnis Pankrác am 27. Juni 1950.
Vgl.: Museen und Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer der kommunistischen Diktaturen, hrsg. v. Anna Kaminsky, erarbeitet v. Anna Kaminsky, Ruth Gleinig und Lena Ens, Dresden 2018, S. 347.