Noch einmal sei betont, dass das Fehlen von Öffentlichkeit und einer organisierten Opposition keinesfalls bedeutete, dass in Bulgarien alle mit dem Regime konform gegangen wären. Publizisten, Lyriker und Dramatiker schrieben „zwischen den Zeilen“ und die Intellektuellen brachten ihr oppositionelles Denken in ihrem alltäglichen Verhalten zum Ausdruck. In den 70er und 80er Jahren positionierte man sich im privaten Kreis mehr oder weniger offen gegen das herrschende System. Die Kommunisten versuchten auf äußerst perfide Art, die begabtesten und beliebtesten Persönlichkeiten dadurch zu korrumpieren, dass sie diesen in ihren geschickt manipulierten Massenmedien gewissermaßen die Rolle dissidentischer Narren zuwiesen. Ihre Strategie umriss ein Sekretär der Bulgarischen Kommunistischen Partei Ende der 80er Jahre treffend mit dem Begriff des „gesellschaftlichen Ventils“. Zuvor war die Situation im Land jedoch alles andere als närrisch gewesen:
Schon in den ersten Tagen nach dem Umsturz vom 9. September 1944 wurden in ganz Bulgarien ohne Recht und Gesetz Zehntausende Menschen ermordet. Im Zeitraum zwischen dem 20. Dezember 1944 und dem 29. April 1945 fanden vor den Volksgerichten in Sofia und anderen Städten zahlreiche Schauprozesse statt. 2.720 Menschen wurden hingerichtet, darunter Mitglieder des Regentschaftsrates des minderjährigen Zaren Simeon II. wie sein Onkel Prinz Kyrill von Bulgarien, Abgeordnete und Minister. Insgesamt verurteilte man 11.122 Personen, davon 1.120 zu lebenslanger Haft. Zehntausende wurden zwangsausgesiedelt oder in Lagern (die offiziell zynisch als „Arbeitserziehungslager“ bezeichnet wurden) auf der Donau-Insel Belene, in den Ortschaften Bogdanow Dol, Kuzijan und anderswo inhaftiert. Viele der Leidtragenden waren ehemalige aktive Politiker: Sozialdemokraten, Demokraten, Vertreter der Bauernpartei und Radikale Demokraten.
In drei Jahren gelang es den Kommunisten durch das gegenseitige Ausspielen demokratischer Kräfte vor allem im Rahmen der von ihnen ins Leben gerufenen „Volksbewegung“ Vaterlandsfront, das alte parlamentarische und demokratische System zu zerstören. 1947 stellte man den legendären Vorsitzenden des Bulgarischen Bauernvolksbundes Nikola Petkow vor Gericht und richtete ihn anschließend hin. Im Sommer 1948 waren auch Sozialdemokraten von den Repressionen betroffen. Schon damals war auf Initiative des führenden Mitglieds des Bulgarischen Bauernvolksbundes Georgi M. Dimitrow („Gemeto“) – nicht zu verwechseln mit dem kommunistischen Politiker Georgi Dimitrow Michajlow (auch: Georgi Dimitroff) – im US-amerikanischen Exil die Internationale Bauernunion „Grüne Front“ ins Leben gerufen worden, ein Sammelbecken für emigrierte Politiker aus ganz Mitteleuropa. Es entstanden auch die ersten bulgarischen Nationalkomitees. In den Jahrzehnten der kommunistischen Herrschaft wurden Vertreter der alten Parteien immer wieder verfolgt sowie in Gefängnissen und Lagern inhaftiert. Dennoch fanden sie verschiedene Organisationsformen für ihre in Untergrund-Klubs stattfindenden politischen Aktivitäten. Es verwundert daher nicht, dass schon in den ersten Monaten des Jahres 1989 Bestrebungen zur Wiederbelebung der alten Parteien einsetzten. So war der führende Politiker der *Bulgarischen Sozialdemokratischen Partei Petar Dertlijew bis zu seinem Tod im Jahre 2000 aktiv am Wiederaufbau der bulgarischen Demokratie beteiligt.
Der bewaffnete antikommunistische Widerstand begann schon in den ersten Tagen nach dem Umsturz vom 9. September 1944. Spezifisch für Bulgarien waren die sogenannten Gorjan-Gruppen, die sich in der Tradition der nationalen Befreiungsbewegungen des 19. Jahrhunderts sahen. Im ganzen Land gab es etwa 28 dieser Vereinigungen, vor allem im Pirin-Gebirge, wo die Staatsmacht auf Beschluss der Komintern den absurden Versuch einer Mazedonisierung der bulgarischen Bevölkerung in Angriff genommen hatte. In den Wäldern rund um die Stadt Sliwen waren Gorjan-Abteilungen aktiv, die zwischen 66 (1948) und 72 (1951/52) Mann stark waren. Die Behörden schleusten Agenten in diese Abteilungen ein, denen mehr als 100 Mitglieder zum Opfer fielen (es fanden mehr als 30 Gerichtsprozesse statt). Die Gorjan-Bewegung wurde später zu einem Teil der viel breiteren Widerstandsbewegung gegen die Zwangskollektivierung der Landwirtschaft und gegen Landenteignungen.
Trotz der formalen Ausmerzung der politischen Opposition gab es während der gesamten kommunistischen Herrschaft verschiedene Formen der Verweigerung und des Widerstandes, die sich allerdings nur schwer voneinander abgrenzen lassen. So haben die Bulgaren beispielsweise die Sowjetisierung ihrer Nation nicht widerspruchslos hingenommen, die ihren Ausdruck beispielsweise in der Umbenennung von Straßen und Städten fand (Warna hieß zeitweise „Stalin“). Schon am 3. Mai 1953 unternahm eine Gruppe um Georgi Konstantinow den Versuch, das Stalin-Denkmal in Sofia in die Luft zu sprengen.