Schelju Schelew war auch einer der Gründungsväter des am 3. November 1988 ins Leben gerufenen Klubs für Glasnost und Perestroika. Diese Organisation wurde 1988/89 Anlauf- und Koordinierungsstelle für alle Protestaktionen, politischen Demonstrationen und Menschenrechtsinitiativen. So war es schon fast eine Selbstverständlichkeit, dass Schelju Schelew auch die Führung der Union Demokratischer Kräfte übernahm und später der erste demokratisch gewählte Präsident der Republik Bulgarien wurde.
Mit der Person Schelju Schelew waren auch die ereignisreichen letzten zwei Jahre der kommunistischen Herrschaft in Bulgarien verbunden. Die zahlenmäßig größte Protestaktion jener Jahre war zweifellos die Vorführung des Dokumentarfilms „Dišaj!“ (Atme!) im Sofioter Haus des Kinos am 8. März 1988. Nach der Filmvorführung gründeten die Zuschauer in dem vollbesetzten Kinosaal spontan das Öffentliche Komitee für den Schutz der Umwelt der Stadt Russe. Der Film enthielt unter anderem groteske Äußerungen von bulgarischen Politbüromitgliedern, deren einzige Sorge es war, die Beziehungen zu Nicolae Ceaușescu, dem Diktator des Nachbarlandes Rumänien, nicht zu gefährden. Die Aktion hatte somit eine eindeutig politische Dimension.
Die von der kommunistischen Partei und dem Staatssicherheitsdienst unternommenen Versuche, die Mitglieder der mittlerweile wie Pilze aus dem Boden schießenden informellen Organisationen zu beeinflussen, hatten nur den Effekt, dass sie die mittlerweile in aller Offenheit artikulierten oppositionellen Meinungen weiter stärkten. Ab 1988 erschienen zwei Samisdat-Zeitschriften, „Most“ und „Glas“, die sich literarischen und sozialen Fragen widmeten. Nach einer Hausdurchsuchung bei dem Dichter Petar Manolow (der zugleich Sekretär der Unabhängigen Gesellschaft zum Schutz der Menschenrechte war) und der Beschlagnahme seines Archivs traten Manolow und Ilija Minew in einen Hungerstreik. Im ganzen Land wurden Petitionen und Protestbriefe verfasst, Hunderte von Intellektuellen unterstützten die zahlreichen Aktionen, ausländische Rundfunksender (vor allem Radio Freies Europa) sorgten für die Verbreitung der diversen Aufrufe. Am 8. Februar 1989 gründete sich in Plowdiw die erste unabhängige Gewerkschaftsorganisation: Vorsitzender der *Unabhängigen Gewerkschaft Podkrepa wurde Konstantin Trentschew. Podkrepa spielte eine wichtige Rolle sowohl bei der Gründung der Union Demokratischer Kräfte wie auch in der politischen Landschaft nach dem Ende der kommunistischen Diktatur.
Noch im Sommer 1989 vertrieben die Behörden eine halbe Million bulgarischer Türken de facto aus ihrer Heimat. Damit erreichte der in der Propaganda Prozess der Wiedergeburt genannte nationalistische Gewaltakt seinen Höhepunkt. Die bulgarische Gesellschaft war polarisiert und das kommunistische Regime inszenierte eine nationalistische Machtdemonstration. Während vor den Häusern von angeblichen „Verrätern“ wie Blaga Dimitrowa chauvinistische Losungen skandiert wurden, erschien den einfachen Menschen das Leben wie ein Albtraum, obgleich das nahende Ende des Systems sich immer deutlicher abzeichnete.
Im Oktober 1989 fand in Sofia mit Ekoforum eine große internationale Umweltkonferenz statt. Die Behörden versuchten vergeblich, Menschenrechtsaktivisten, Antikommunisten und Umweltschützer in ihrer Arbeit zu behindern, denn es existierte bereits die große Umweltorganisation Ekoglasnost, aus der später zahlreiche grüne politische Kräfte entstehen sollten. In ihrer Ratlosigkeit griffen die Machthaber zur Gewalt und erteilten der Miliz den Befehl, die auf einem Platz der Innenstadt versammelten Demonstranten gewaltsam auseinanderzutreiben (der Einsatzleiter der Miliz Oberst Petar Bonew nahm sich später das Leben).
Während der ersten antikommunistischen Massendemonstration übergaben die Protestierenden vor der Alexander-Newski-Kathedrale am 3. November 1989 eine Petition an das Parlament. Dabei stimmten sie spontan das von dem bulgarischen Freiheitskämpfer Ljuben Karawelow in türkischer Gefangenschaft verfasste Lied „Chubava si, moja goro“ (Schön bist du, mein Wald) an und skandierten Losungen wie „Freiheit!“, „Demokratie!“, „Weg mit Artikel 1!“ (gemeint war Artikel 1 der Verfassung, in dem die führende Rolle der Partei festgeschrieben war). Es waren dann am 10. November 1989 die Kommunisten selbst, die Parteichef Todor Schiwkow auf dem Plenum des Zentralkomitees stürzten. Es folgten Gespräche am Runden Tisch, auf Seiten der Opposition angeführt von Schelju Schelew, dem Vorsitzenden der Union Demokratischer Kräfte.
Bis zum heutigen Tage fehlt es in Bulgarien an einer gemeinsamen Sicht auf die historische Tragweite und Bedeutung der antikommunistischen Widerstandsbewegung ebenso wie auf die Rolle, die die einzelnen Persönlichkeiten gespielt haben. Diese Geschichte wartet immer noch darauf, vollständig erzählt zu werden.