Im Zuge der sich überstürzenden Entwicklung ab dem 9. November 1989, dem Tag des Mauerfalls, differenzierte sich die Bürgerbewegung weiter aus. Gleichzeitig gingen einige Vereinigungen mit Blick auf die Volkskammerwahlen am 18. März 1990 Wahlbündnisse ein. Zu den wesentlichsten Erfolgen der Opposition nach dem Mauerfall zählten die Auflösung des MfS, die Installierung des Zentralen Runden Tisches sowie die bis heute andauernden Auseinandersetzungen um die DDR-Geschichte. Die Verabschiedung des Stasiunterlagengesetzes ist noch immer das sichtbarste Ergebnis des Engagements der Bürgerbewegungen.
Die Volkskammerwahlen fielen für die Bürgerbewegungen ambivalent aus. Die klassischen Gruppierungen der Bürgerbewegung wie das Neue Forum, Demokratie Jetzt und die Initiative Frieden und Menschenrechte, die sich als Bündnis ‘90 zu einem Wahlbündnis zusammengeschlossen hatten, konnten nur wenige Vertreter in die erste und einzige frei gewählte Volkskammer entsenden (sie erhielten nur 2,91 % der Stimmen und zwölf Mandate). Die Grünen waren mit dem Unabhängigen Frauenverband ein Wahlbündnis eingegangen und erreichten 1,97 % der Stimmen (acht Mandate). Die Vereinigte Linke war mit einem Abgeordneten in der Volkskammer vertreten. Allerdings waren Vertreter der Opposition auch im Demokratischen Aufbruch oder in der SDP vertreten, die nach dem 18. März an der Koalitionsregierung beteiligt waren und Ministerämter stellten. Die Geschichte von Opposition und Widerstand in der DDR hatte mit dieser Wahl ihr Ende gefunden.
Wenn es überhaupt eine gemeinsame Klammer in der Oppositionsgeschichte der DDR zwischen 1945–49 und 1989/90 gab, so die Forderung nach demokratischen Wahlen, die alle Widerstandskräfte von Anfang an erhoben. Viele andere gesellschaftspolitischen Ziele und vor allem die Frage, wie diese erreicht werden sollten, unterschieden sich zum Teil erheblich voneinander. Es ist dennoch durchaus naheliegend, die Oppositionellen aus den 40er und 50er Jahren als Vorkämpfer der Friedlichen Revolution von 1989 zu begreifen. Auch die gescheiterte Revolution von 1953 fand in der geglückten Revolution von 1989 eine unverhoffte und späte Erfüllung.
Auch wenn es prinzipiell richtig ist, dass in den 50er Jahren der Widerstand primär antikommunistisch und fundamental ausgerichtet war und sich bis in die 80er Jahre vor dem Hintergrund der internationalen Rahmenbedingungen immer stärker reformorientiert entwickelte, so ist dennoch zu betonen, dass es bereits in den 50er Jahre eine breite reformorientierte Opposition gab und dass auch noch in den 80er Jahren ein antikommunistisch-fundamentaler Widerstand existierte, der durchaus bereit war, Gewalt gegen Sachen und Personen anzuwenden. Ein bekanntes Beispiel dafür ist Josef Kneifel, der am späten Abend des 9. März 1980 versuchte, mit einem selbstgebauten Sprengsatz das sowjetische Panzerdenkmal in Karl-Marx-Stadt (Chemnitz) zu zerstören. Kneifel, der bereits 1975 aus politischen Gründen eine zehnmonatige Haftstrafe erhalten hatte, wollte mit dieser Tat gegen die sowjetische Intervention in Afghanistan und gegen die andauernde sowjetische Besetzung der DDR protestieren. Er erhielt eine lebenslängliche Zuchthausstrafe, von der er siebeneinhalb Jahre absitzen musste, ehe ihn die Bundesregierung freikaufen konnte. In den Archiven des MfS sind eine ganze Reihe solcher und ähnlicher Widerstandsakte überliefert, die es von der Forschung noch systematisch aufzuarbeiten gilt.
Mit der Revolution von 1989 sind die meisten auf das politische System der DDR ausgerichteten Ziele der Opposition obsolet geworden. Damit ist nicht gesagt, dass alle Ziele auch umgesetzt worden wären. Aber die wichtigsten, die einen offenen Streit und ein gefahrloses Engagement für eine zivile Bürgergesellschaft, für die Weiterentwicklung der Demokratie und den Ausbau der Rechtssicherheit garantieren, wurden erreicht. Freilich bleiben andere Aufgaben offen, wie zum Beispiel – um Schlagwörter zu benutzen – Entmilitarisierung, Ökologie, Geschlechterfrage, soziale Ungerechtigkeit, Immigration und Minoritätenproblematik, Nord-Süd-Gefalle, Geheimdienste usw., für die es weiter lohnt zu streiten und sich zu engagieren. Aber, und das ist der entscheidende Unterschied, der demokratische Rechtsstaat stellt eine Fülle von Mitteln und Wegen zur Verfügung, die man anwenden und benutzen kann, um solche Probleme anzusprechen, in der Öffentlichkeit zu diskutieren und einer allmählichen Lösung zuzuführen.
So sehr zu unterstreichen ist, dass die Opposition gegen die kommunistische Diktatur mit ihrem Untergang nicht nur bedeutungslos, sondern ebenfalls zur Historie geworden ist, so sehr muss darauf hingewiesen werden, dass die subjektiven Erfahrungen damit keineswegs an Wert verloren haben. Ganz im Gegenteil, denn das Wissen, unter diktatorischen Verhältnissen nicht nur gelebt, sondern sich auch gegen diese Verhältnisse gewehrt zu haben, sollte dazu beitragen, auch die heute notwendige Zivilcourage und Selbstbehauptung zu verteidigen und offensiv zu vertreten. Diese persönlichen Erfahrungen sind unmittelbare Beiträge, um den antitotalitären Konsens zu stärken und zu festigen. Diese Erfahrungen gilt es weiterzutragen, um die Mahnung an die Gefahren des Totalitarismus wachzuhalten.
Nach zwei Diktaturen können und dürfen wir in Deutschland niemals so tun, als hätte es keinen deutschen Totalitarismus gegeben. Wir hatten zwei sehr unterschiedliche Formen von totalitären Diktaturen in Deutschland. Die Mahnung vor ihnen muss zugleich eine Mahnung vor einer eventuellen dritten Form sein, von der keiner wissen kann, wie sie aussehen könnte. Die Erfahrungen sollten produktiv gemacht und bildungspolitisch verdeutlicht werden, auch um auf die vielen Diktaturen, die heute noch bestehen, hinzuweisen, um sich gegen diese zu engagieren. Gerade die massenhaften Erfahrungen, die beim Weg vom Obrigkeitsstaat zur Demokratie gemacht werden mussten, zeigen plastisch, dass die Menschenrechtsfrage niemals als gelöst angesehen werden kann, nirgendwo auf der Welt. Hinzu kommt, dass auch die Demokratie kein starres System ist, das für immer gegeben ist, sobald es einmal erreicht wurde.
Demokratie ist nicht nur eine Organisationsform, sondern vor allem eine Lebensform, eine Form der Weltanschauung und Weltgestaltung. Das muss jeder Generation immer wieder neu vermittelt werden. Um das zu erreichen, ist es nicht zuletzt notwendig, die persönlichen und gesellschaftlichen Diktaturerfahrungen weiterzugeben und plastisch zu veranschaulichen. Sie können die Demokratie fördern, stärken und schützen.