Tunne Kelam wurde 1936 in Taheva in der südestnischen Region Valga geboren. Nach Abschluss der Höheren Schule 1954 in Tallinn studierte er bis 1959 Geschichte an der Universität Tartu. Seit 1957 war er im Rahmen der Gesellschaft „Teadus“ (Wissenschaft) als Dozent für internationale Beziehungen tätig. In den Spalten des „Edasi“ (Vorwärts), einer Tartuer Zeitung, schrieb er Kommentare zu internationalen Ereignissen. In den Jahren 1965–75 war er Redakteur der Estnischen Sowjetenzyklopädie (Eesti Noukogude Entsuklopeedia).
Ende der 60er Jahre schloss er sich der nationalen Widerstandsbewegung an. 1972 war er an der Ausarbeitung des Memorandums der Estnischen Demokratischen Bewegung und der Estnischen Volksfront beteiligt, ohne diesen Organisationen anzugehören. Im Zusammenhang mit den Verhaftungen Ende 1974 von Mitgliedern der „Estnischen Demokratischen Bewegung“ und der Estnischen Volksfront wie Sergei Soldatow, Kalju Mätik, Artem Juskevitš, Mati Kirend und Arved Varat wurde Kelams Wohnung durchsucht und er selbst vom KGB verhört. Aber auch dies hielt ihn nicht davon ab, weiter unabhängige Informationen zu verbreiten, womit er sich weiteren Repressionen aussetzte. 1975 wurde er auf Druck des KGB aus der Redaktion der Enzyklopädie entlassen und erhielt ein Vorlesungsverbot. 1975–79 arbeitete er als Bibliograf in der Kreutzwald-Bibliothek in Tallinn, und von 1980–88 als Nachtwächter in einer Sowchose. 1985 erhielt Kelam vom KGB eine offizielle Verwarnung wegen „der Organisation nationalistischer Versammlungen“ und sogenannter „antisowjetischer Propaganda“.
1988–89 war er in der Redaktion der wissenschaftlichen Zeitschrift „Akadeemia“ beschäftigt, widmete sich ab 1989 ausschließlich der Politik und wurde Mitgründer der „Estnischen Nationalen Partei der Unabhängigkeit“, ihr stellvertretender Vorsitzender und schließlich Vorsitzender (1993–95). Kelam wurde in den Kongress Estlands delegiert und war von 1990–92 Vorsitzender des Estnischen Komitees. Im August 1991 nahm er an den Verhandlungen über die Verständigung des Kongresses Estlands mit dem Obersten Rat der Estnischen Sowjetrepublik über die Wiederherstellung der Unabhängigkeit teil. Von 1991–92 war er Mitglied der Verfassunggebenden Versammlung und von 1992–2003 Vizevorsitzender des Estnischen Parlaments in der Fraktionsführung der „Vaterlandsunion“. Kelam ist außerdem Vorstandsmitglied der Kistler-Ritso-Stiftung (Kistler-Ritso Eesti Sihtasutus) und seit 2004 Abgeordneter des Europäischen Parlaments.