Sigitas Tamkevičius wurde 1938 in dem Dorf Gudoniai (Rajongemeinde Lazdijai) in einer Bauernfamilie geboren. Nach dem Abschluss des Gymnasiums in Seirijai trat er in das Priesterseminar in Kaunas ein. Im Dezember 1957, im dritten Studienjahr, wurde er zum Armeedienst einberufen und kehrte erst 1960 ins Seminar zurück. 1961 unternahm der KGB zwei erfolglose Versuche, ihn für eine Zusammenarbeit zu gewinnen. 1962 schloss er sein Theologiestudium am Priesterseminar ab und wurde noch im selben Jahr zum Priester geweiht. Seinen Priesterdienst versah er zunächst als Kaplan an der Schutzengelkirche in Alytus. 1963 unternahm der KGB den dritten und letzten Versuch einer Anwerbung des jungen Priesters, der ebenfalls erfolglos blieb. Es ist anzunehmen, dass diese Weigerung ein Grund für seine Versetzung in immer neue Pfarreien in den nächsten Jahren war: 1965 Lazdijai, 1966 Kudirkos Naumiestis, 1967 Prienai, 1968 Vilkaviškis. Häufig wurde er vom Beauftragten des Rates für Religionsfragen, Justas Rugienis, vorgeladen. Kritikpunkte waren der Inhalt seiner Predigten und der von ihm erteilte Religionsunterricht für Kinder. Auch wurde ihm mit dem Entzug der Genehmigung für die Ausübung seelsorgerischer Arbeit gedroht.
Im Dezember 1968 sandte er gemeinsam mit anderen Kirchenvertretern eine Petition an die Bischöfe und Bistumsverwaltungen mit der Forderung, die angewandten Restriktionen bei der Aufnahme von Kandidaten für das Priesterseminar aufzuheben. In der Folge wurde er im Februar 1969 für ein Jahr aus dem kirchlichen Dienst entfernt. Er arbeitete in einem metallverarbeitenden Betrieb in Vilkaviškis und später (gemeinsam mit Juozas Zdebskis) in der Melioration. Seine seelsorgerische Tätigkeit verlagerte er zunehmend in den Untergrund.
Tamkevičius knüpfte Kontakte zu Moskauer Dissidenten und versorgte sie mit Informationen über Menschenrechtsverletzungen in Litauen, über die dann in der „Chronik der laufenden Ereignisse“ berichtet wurde. 1970 wurde er als Kaplan in Simnas in der Rajongemeinde Alytus eingesetzt. Hier entstand die Idee, eine in regelmäßigen Abständen erscheinende Untergrundzeitschrift für religiöse und nationale Fragen herauszugeben. Mit Hilfe und Unterstützung von Petras Plumpa und Genovaitė Navickaitė erschien unter dem Namen „Vivos Voco“ ein erstes Blatt. Den priesterlich-bischöflichen Segen erhielt die Initiative von dem in der Verbannung lebenden Bischof Vincentas Sladkevičius, der jedoch einen anderen Titel vorschlug und konzeptionell eine kommentierte Chronik der Ereignisse im kirchlichen Leben empfahl. Am 19. März 1972 erschien in Simnas die erste Nummer der „Chronik der Katholischen Kirche in Litauen“. Petras Plumpa übernahm es, von jeder Nummer der Chronik eine Auflage von 100 Exemplaren zu produzieren. Tamkevičius gab die Chronik elf Jahre lang, bis zu seiner Verhaftung 1983 heraus. Dank der Vermittlung Moskauer Menschenrechtler gelangte die Chronik auch in den Westen, ausgewählte Inhalte wurden zudem in die „Chronik der laufenden Ereignisse“ aufgenommen. Die für den Weiterversand vorgesehenen Nummern brachte Tamkevičius oft persönlich nach Moskau.
Am 14. März 1974 fand bei Tamkevičius eine Wohnungsdurchsuchung statt. Am 16. April 1974 und dann erneut am 11./12. Februar 1975 wurde er vom KBG verhört. Im Oktober 1974 unterzeichnete er einen an das Moskauer Komitee für Menschenrechte in der UdSSR adressierten Appell mit der Forderung nach Freilassung von Nijolė Sadūnaitė, Petras Plumpa, Virgilijus Jaugelis und anderen politischen Gefangenen. Auf Bemühen von Andrei Sacharow wurde das Dokument auch dem Weltkirchenrat übermittelt und fand so auch im Ausland ein breites Echo. Im Sommer 1975 trat Tamkevičius seinen Dienst als Pfarrer in Kybartai an. Seine Arbeit für die „Chronik der Katholischen Kirche in Litauen“ setzte er fort. Mit Unterstützung von Elena Šuliauskaitė traf er eine Vorauswahl an Materialien, bearbeitete sie und verfasste auch eigene Texte, die dann nach Simnas übermittelt wurden.
Im November 1978 gründete Tamkevičius gemeinsam mit den Priestern Alfonsas Svarinskas, Juozas Zdebskis und anderen das Katholische Komitee zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen. Es veröffentlichte insgesamt 52 Dokumente, die im Samisdat erschienen und auch im Westen Verbreitung fanden. Am 29. August 1979 erhielten die Mitglieder des Komitees eine Vorladung der Wilnaer Staatsanwaltschaft. Tamkevičius wurde offiziell davon in Kenntnis gesetzt, dass gegen ihn ein Strafverfahren gemäß Artikel 68, Paragraf 1 Strafgesetzbuch der Litauischen SSR (entspricht Artikel 70, Paragraf 1 Strafgesetzbuch der RSFSR) eingeleitet werden könnte. Daraufhin wandte er sich mit einem offenen Brief an die Staatsanwaltschaft der Litauischen SSR, in dem er sich gegen eine Kriminalisierung seiner Aktivitäten verwahrte und zugleich den Vorwurf erhob, dass die Rechte der Kirche und der Katholiken systematisch eingeschränkt würden. Die Solidaritätserklärungen für die von der Staatsanwaltschaft „verwarnten“ Mitglieder des Komitees wurden von mehr als 2000 Gläubigen unterzeichnet .
Tamkevičius wurde zunächst mit Geldstrafen belegt, mehrmals wurde seine Wohnung durchsucht. Am 6. Mai 1983 wurde er im Gerichtssaal verhaftet, wo er als Zeuge im Prozess gegen Alfonsas Svarinskas geladen war. Das Oberste Gericht der Litauischen SSR verurteilte Tamkevičius in dem gegen ihn angestrengten Verfahren vom 29. November bis 2. Dezember 1983 nach Artikel 68, Paragraf 1 Strafgesetzbuch der Litauischen SSR (entspricht Artikel 70, Paragraf 1 Strafgesetzbuch der RSFSR) zu 6 Jahren Lagerhaft und 3 Jahren Verbannung. Bei der Vernehmung hatte er sich nicht schuldig bekannt und abgestritten, dass die Dokumente des Katholischen Komitees zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen und der „Chronik der Katholischen Kirche in Litauen“ verleumderischen Charakter besäßen. Zur Verbüßung seiner Strafe wurde er in die Permer Lager überstellt.
Mit einer Petition forderten 1985 mehr als 50.000 Menschen die Freilassung von Tamkevičius, Alfonsas Svarinskas und anderen. Am 30. Juli 1986 wurde Tamkevičius nach Wilna geflogen, wo man ihm nahelegte, ein Gnadengesuch zu unterschreiben. Als er sich weigerte, brachte man ihn zurück ins Lager. Im Mai 1988 erreichte er seinen Verbannungsort Kriwoscheino im Gebiet Tomsk, kam nach Massendemonstrationen in Litauen (als einer der letzten inhaftierten politischen Gefangenen des Landes) jedoch im November desselben Jahres frei und kehrte nach Litauen zurück.
Eine Zeit lang war Tamkevičius als Priester in Kybartai tätig, 1989 wurde er auf Beschluss der Litauischen Bischofskonferenz zum Spiritual des Priesterseminars in Kaunas ernannt, 1990 wurde er dessen neuer Regens. Am 19. Mai 1991 empfing er die Bischofsweihe. Am 4. Mai 1996 wurde er Erzbischof von Kaunas und übte dieses Amt bis zum 11. Juni 2015 aus, als Papst Franziskus seinen altersbedingten Rücktritt annahm. 1999–2002 sowie 2005–14 war er außerdem Vorsitzender der Litauischen Bischofskonferenz. Im Januar 2020 wurde er als Kardinalspriester in das päpstliche Kollegium aufgenommen.
Für sein gesellschaftliches Engagement erhielt Tamkevičius zahlreiche Auszeichnungen, darunter 2013 den Freiheitspreis Litauen. Er lebt in Kaunas, dessen Ehrenbürger er seit 1994 ist.