Geschichte der litauischen Opposition
Seit dem 13. Jahrhundert gehörte Litauen fünf Jahrhunderte lang zu den mächtigsten Staaten Osteuropas. Ab 1385 befand sich Litauen in einer Personalunion mit Polen, und ab 1569 war Litauen Teil des vereinigten polnisch-litauischen Königreichs, der sogenannten „Republik beider Nationen“. Infolge von Konflikten mit Russland und Schweden aber auch aufgrund innenpolitscher Instabilität kam es im Laufe des 18. Jahrhunderts zu einer Schwächung Polen-Litauens und einer wachsenden Einflussnahme von außen. Nach der dritten Teilung des Staates 1795 befand sich nahezu das gesamte Territorium des heutigen Litauens unter russischer Herrschaft. 123 Jahre lang war Litauen (wie auch Polen) als unabhängiger Staat von der Landkarte verschwunden. Die Erinnerung an die Unabhängigkeit aber blieb im gesellschaftlichen Bewusstsein lebendig. Insgesamt dreimal – in den Jahren 1794, 1830/31 und 1863/64 – erhoben sich Litauer und Polen gegen die politische, kulturelle und religiöse Unterdrückung durch das russische Kaiserreich (nahezu alle von Russland annektierten litauischen und polnischen Gebiete bildeten im russisch-orthodoxen Imperium eine katholische Enklave). Die Niederschlagung der Aufstände führte zu weiteren Repressionen: Nach dem Novemberaufstand von 1830/31 wurde die Universität Wilna geschlossen, nach dem Januaraufstand von 1863/64 war es 40 Jahre lang untersagt, litauischsprachige Texte mit lateinischen Buchstaben zu drucken. Das geheime Verlagswesen erlebte eine Blüte: Gebetsbücher, Zeitungen und Kalender wurden in Ostpreußen gedruckt und nach Litauen geschmuggelt. Dem Einsatz Freiwilliger war es zu verdanken, dass litauische Druckschriften im ganzen Land verbreitet waren und dazu beitrugen, die nationale Identität zu bewahren. Mit der nationalen Renaissance im 19. Jahrhundert erstarkte auch das Streben nach politischer Souveränität. Am 16. Februar 1918 erlangte Litauen seine staatliche Unabhängigkeit, sollte sie jedoch schon nach 22 Jahren wieder verlieren.
Laut eines geheimen Zusatzprotokolls zum Grenz- und Freundschaftsvertrag zwischen der UdSSR und dem Deutschen Reich vom September 1939 wurde Litauen (anders als zuvor im geheimen Zusatzprotokoll zum deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt vom August 1939 festgelegt) der Interessensphäre der UdSSR zugeschlagen. Im Oktober 1939 sah sich Litauen gezwungen, der Sowjetunion das Recht auf Nutzung von Militärstützpunkten auf seinem Territorium zu gestatten, im Juni 1940 wurde Litauen von sowjetischen Truppen besetzt. Im Anschluss an manipulierte Wahlen erfolgte am 21. Juli 1940 die Gründung der Litauischen SSR und die Eingliederung des Landes in die UdSSR. Bis Juni 1941 waren über 30.000 Litauer von sowjetischen Zwangsmaßnahmen wie Verhaftungen und Massendeportationen betroffen, 600 Menschen wurden hingerichtet. Von Beginn an regte sich Widerstand gegen die sowjetische Herrschaft im Land, anfangs spontan und in unkoordinierten Einzelaktionen, doch schon bald bemühten sich litauische Intellektuelle und Militärs um ein koordiniertes Vorgehen der versprengten Widerstandszellen. In Wilna und Kaunas etablierten sich Aufstandsstäbe. Der Wilnaer Stab wurde jedoch bereits im Frühjahr 1941 vom NKWD aufgespürt und 15 seiner Mitglieder verhaftet. Danach war der Stab in Kaunas unter dem Namen Litauische Aktivistenfront (LAF) das Koordinationszentrum. Der von hier aus organisierte und durchgeführte Aufstand gegen die neuen Machthaber begann im Juni 1941, unmittelbar nach dem deutschen Überfall auf die UdSSR. Erklärtes Ziel war die Wiederherstellung eines von der Sowjetunion unabhängigen litauischen Staates und Installierung einer eigenen Regierung. Der Aufstand ging seitens der litauischen Aktivisten mit teilweise brutalen Exzessen gegen die jüdische Bevölkerung des Landes einher, die der Kollaboration mit den sowjetischen Machthabern bezichtigt wurde. Die Einnahme Litauens durch Truppen der deutschen Wehrmacht dauerte nur wenige Tage. Den in dieser Zeit vom NKWD ohne Gerichtsprozess durchgeführten Massenhinrichtungen fielen mehr als 1.000 Menschen zum Opfer.