Christlicher Philosoph, Wissenschaftler und Sprecher der Charta 77. Veranstalter privater inoffizieller Philosophie-Seminare in den 70er Jahren.

Ladislav Hejdánek wurde 1927 in Prag geboren. Er studierte Philosophie und Soziologie an der Prager Karls-Universität. Seine Doktorarbeit mit dem Titel „Der Begriff der Wahrheit und einige seiner ontologischen Voraussetzungen“ verteidigter er 1952 beim letzten nichtmarxistischen Professor der Philosophischen Fakultät, Jan Blahoslav Kozák. Aufgrund seiner christlichen Überzeugung wurde Hejdánek die wissenschaftliche Laufbahn verwehrt. Nach mehrmonatigen Arbeitseinsätzen und zweijährigem Militärdienst arbeitete er zwölf Jahre lang in der Archivabteilung des Medizinischen Institutes in Prag. Ab Anfang der 60er Jahre konnte er sporadisch in Literaturzeitschriften veröffentlichen. Im Juni 1968 trat Hejdánek eine Stelle am Institut für Philosophie der Tschechoslowakischen Akademie der Wissenschaften an; 1971 wurde ihm jedoch im Rahmen von Säuberungen der akademischen Einrichtungen gekündigt.

Ab 1970 organisierte Hejdánek private Philosophie-Seminare. Im Verlaufe von zehn Jahren wurde daraus eine Reihe von regelmäßigen, montags stattfindenden Veranstaltungen. Referenten waren neben Hejdánek selbst bekannte Philosophen aus dem Ausland. An den Seminaren nahmen hunderte junger Menschen teil, die dadurch erstmals mit einer anderen Philosophie in Kontakt kamen, als der, die an den Fakultäten für Marxismus unterrichtet wurde. Für viele, die nicht studieren durften, waren die Privatseminare die einzige Möglichkeit, zumindest eine nicht formalisierte Bildung zu erhalten.

Ende 1972 wurde Ladislav Hejdánek verhaftet und wegen „antistaatlicher Agitation“ zu neun Monaten Haft verurteilt. Gemeinsam mit ihm wurde auch seine Frau Hedvika verurteilt. Nachdem er zwei Drittel der Strafe verbüßt hatte, arbeitete er als Nachtportier im Museum für Nationalliteratur, als Nachtwächter und Heizer und nach einer Invaliditätsverrentung als Lagerverwalter. 1985 gab er unter dem Druck der Staatssicherheit seine berufliche Arbeit ganz auf.

Im Dezember 1976 unterzeichnete Hejdánek die Erklärung der Charta 77 und gehörte von Beginn an zu den charismatischsten Mitgliedern der Bürgerrechtsbewegung. Schon in den ersten Monaten nach der Veröffentlichung der Charta 77 gab er im Samisdat den Zyklus „Briefe an einen Freund“ (Dopisy příteli) heraus, in denen er die Bedeutung der Bewegung innerhalb eines autoritären Staatssystems erklärte. Diese Briefe sind bis heute eines des bedeutendsten Zeugnisse der damaligen Zeit. Nach dem Tod von Jan Patočka im Herbst 1977 erklärte sich Ladislav Hejdánek bereit, dessen Nachfolge als Sprecher der Charta 77 zu übernehmen. Die beiden anderen Sprecher waren zu diesem Zeitpunkt Jiří Hájek und Marta Kubišová. Nach der Verhaftung von Václav Benda und Jiří Dienstbier sowie dem Rücktritt von Zdena Tominová wurde Hejdánek 1979 erneut Sprecher – und dies in einer der schwersten Zeiten für die Charta 77. Angesichts verstärkter Repressionen des Staatsapparates war die Beibehaltung der Geschlossenheit der Unterzeichner eine schwierige Aufgabe. Die hohe Autorität Ladislav Hejdáneks trug hierzu enorm bei. 1985 erhielt Hejdánek aus Paris den Jan-Palach-Preis und 1987 die Ehrendoktorwürde der Universität Amsterdam zuerkannt.

Nach der Samtenen Revolution kehrte Hejdánek 1990 zu seinen akademischen Wurzeln zurück und unterrichtete an der Philosophischen und an der Evangelischen Fakultät, die nach 1989 wieder Teil der Prager Karls-Universität wurde. Mit seiner Arbeit „Philosophie und Glauben“ („Filosofie a víra“) wurde er 20 Jahre nach deren Niederschrift habilitiert und zwei Jahre später zum Professor berufen. Bis 1996 unterrichtete er an der Philosophischen Fakultät und war bis 2004 Leiter des Lehrstuhles für Philosophie an der Evangelischen Fakultät.

Ladislav Hejdánek starb am 28. April 2020 in Prag.

Petr Pospíchal
Aus dem Polnischen von Tim Bohse
Letzte Aktualisierung: 05/20