Glossar

SMOG

Nonkonformistische Vereinigung junger Dichter und Maler, die 1965/66 in Moskau aktiv war. „SMOG“ war eine der ersten und bekanntesten Künstler-Gruppen, die die Bevormundung der Partei und des Staates ignorierte. Der Name ist eine Abkürzung und steht für „Jüngste Gemeinschaft von Genies“ (Samoe Molodoe Obščestvo Geniev) oder für „Mut, Gedanke, Bild und Tiefe“ (Smelost‘, mysl, obraz, glubina). Den Kern der Gruppe bildeten die Dichter Leonid Gubanow, Wladimir Batschwew, Wladimir Aljnikow und Juri Kublanowski. Sie gaben im Selbstverlag mehrere literarische Sammelbände heraus, darunter „Guten Tag, wir sind Genies“ (Zdravstvujte, to my genii), „Avantgarde“ (Avangard), „Tschu!“ und „Querschläger“ (Rikošet). Gleichzeitig veröffentlichten sie eine eigene Zeitschrift mit dem Titel „Sfinksy“ (Sphinxen). Die Gruppe machte öffentlich von ihrem Recht auf künstlerische Freiheit Gebrauch, unterstützte die Wiederbelebung der Dichterlesungen auf dem Majakowski-Platz, bei denen sie 1965 das Manifest der SMOG-Vereinigung vortrugen, und beteiligten sich an der Vorbereitung der Glasnost-Kundgebung. Die Mehrheit der Gruppenmitglieder war von Repressionen betroffen: Einige wurden von der Hochschule relegiert, andere zwangsweise in psychiatrische Kliniken eingewiesen.

„Sakartvelos Moambe“

Das politisch-gesellschaftliche Bulletin „Sakartvelos Moambe“ (Georgischer Bote) erschien 1976/77 in Tiflis. Die zwei Nummern des im Selbstverlag herausgebrachten Blattes wurden im Offsetdruckverfahren in einer Auflagenhöhe von mehreren hundert Exemplaren vervielfältigt. Als Redakteure zeichneten Swiad Gamsachurdia und Merab Kostawa verantwortlich. Die Themen der Zeitschrift waren nationale und gesellschaftliche Probleme Georgiens sowie die sozialökonomische Situation in der Sowjetunion. Publiziert wurden Dokumente zum sowjetischen und internationalen Recht sowie Berichte über aktuelle Ereignisse in Georgien.

Samisdat-Archiv

Das Samisdat-Archiv wurde 1985–86 in New York von Sándor Szilágyi und Ferenc Kőszeg ins Leben gerufen. Angesiedelt wurde das von George Soros geförderte Projekt an der Soziologischen Fakultät der New School for Social Researches. In den Beständen fanden sich sowohl Originale als auch Kopien polnischer und ungarischer Druckerzeugnisse aus dem Untergrund. Die jeweiligen Archivbände erhielten eine Einführung in englischer Sprache und kurze Beschreibungen der einzelnen Archivmaterialien. Der Textfundus des Archivs bildete eine ungemein wertvolle Quelle für amerikanische Journalisten, Forscher und Politiker.

Samtene Revolution

Die Samtene Revolution (Tschechisch Sametová revoluce; Slowakisch: Nežná revolúcia = Sanfte Revolution) bezeichnet eine Reihe von Ereignissen, die zum Sturz des kommunistischen Regimes in der Tschechoslowakei führten. Das Adjektiv „samten“ bzw. slowakisch „sanft“ beschreibt den friedlichen und vollkommen gewaltfreien Charakter des sich anbahnenden politischen Systemwechsels. Unter dem Eindruck der Ereignisse in den Nachbarländern, besonders in Polen und Ungarn, kam es in der Tschechoslowakei ab 1989 zu Protesten gegen Regierung und Partei, auf die die Machthaber mit Gewalt und verstärkter Verfolgung antworteten. Im Juni 1989 veröffentlichte die Bürgerrechtsbewegung Charta 77 die Petition „Einige Sätze“ (Několik vět), in der sie demokratische Verhältnisse im Land einforderte. Die Parteiführung verweigerte jedoch jeglichen Dialog mit der Opposition.

Die Revolution begann mit einer Studentendemonstration am 17. November 1989, in deren Folge es über zwölf Tage lang zu einer wachsenden Zahl von Protestdemonstrationen im ganzen Land kam, die immer mehr Menschen anzogen. Während einer Demonstration am 19. November gründeten sich die demokratischen Bürgerbewegungen Bürgerforum (Občanské fórum; OF) in Prag und Öffentlichkeit gegen Gewalt (Verejnosť proti násiliu; VPN) in Bratislava. Am 21. November untersagte Ministerpräsident Ladislav Adamec der Polizei jegliches gewaltsame Vorgehen gegen die Demonstrationen und versprach, Gespräche mit der von Václav Havel und Alexander Dubček geführten Opposition aufzunehmen. Am 24. November trat die gesamte Führung der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei (KSČ) unter Miloš Jakeš zurück. Von da an lösten sich die Strukturen des kommunistischen Staates rasend schnell auf. Der Generalstreik am 27. November brachte das ganze Land zum Erliegen. Millionen Bürger strömten auf die Straßen und riefen Losungen wie „Freie Wahlen!“ oder „Genug mit der Einparteienregierung!“ Nach seinem Treffen am 28. November mit Václav Havel kündigte Ministerpräsident Adamec die Bildung einer neuen Regierung unter Beteiligung der demokratischen Opposition sowie den Rücktritt von Staatspräsident Gustáv Husák an. Am 10. Dezember konstituierte sich die neue Regierung. Am 29. Dezember 1989 wurde Václav Havel zum Präsident der Tschechoslowakei gewählt und Alexander Dubček wurde Parlamentspräsident.

Selbstverwaltung

Als zentrales ideologisches Konzept der jugoslawischen Kommunisten tauchte der Begriff der sozialistischen Selbstverwaltung (samoupravljanje) erstmals 1950 in Reden von Tito, Edvard Kardelj und Milovan Đilas auf und diente im Folgenden der ideologischen Begründung des Bruches mit Moskau. Das Konzept beinhaltete die Übergabe der Verwaltung der Betriebe an die dort beschäftigten Arbeiter und Angestellten. Erreicht werden sollte dies durch Arbeiterräte und immer wieder neue institutionelle Organisationsformen, die den Einfluss der „Erzeugenden“ nicht nur auf ihre Betriebe, sondern auf das gesamte politisch-gesellschaftliche Leben ausweiten sollten. Der immanente Widerspruch einer sozialistischer Selbstverwaltung war allerdings schon in der Bezeichnung selbst angelegt: Für das Tito-Regime war der Sozialismus mit einem Machtmonopol der kommunistischen Partei verbunden, von echter Selbstverwaltung konnte demnach von vornherein keine Rede sein. Daher waren auch die wiederholten Erneuerungskampagnen und Aktionen gegen die „Bürokratisierung“, die man als größten Hemmschuh der Selbstverwaltungsidee sah, zum Scheitern verurteilt. Recht behielten die (auch parteiinternen) Kritiker des Selbstverwaltungssystems, die darin eine Fiktion sahen, hinter der in Wirklichkeit die Partei und ihre Machtstrukturen standen. Das Selbstverwaltungssystem trug dann auch wesentlich zur tiefen Wirtschaftskrise Jugoslawiens in den 70er Jahren bei, da vor dem Hintergrund der Bürokratisierung und der extremen Dezentralisierung des Landes eine Steuerung der Prozesse mit administrativen Mitteln äußerst schwierig war. Aus Angst vor Koordinierungseffekten durch die „unsichtbare Hand des Marktes“ wurden den Arbeiterkollektiven bis zum Ende der staatlichen Existenz Jugoslawiens zudem keinerlei Eigentumsrechte an ihren Betrieben zugestanden. Dennoch scheint es der Staats- und Parteiführung dank der Selbstverwaltungen leichter gefallen zu sein, marktwirtschaftliche Denkkategorien zuzulassen. So wurde 1969 die Kategorie des Profits als Triebfeder wirtschaftlicher Aktivität rehabilitiert. Hauptinstrumente der Wirtschaftstätigkeit waren Verträge statt Anweisungen. Es existierten Banken, Wechsel, Aktien, die diese Namen auch verdienten – Institutionen also, die in den anderen kommunistisch regierten Staaten so nicht anzutreffen waren.

Serbischer Liberalismus

Bezeichnung für den Kurs der Parteiführung des Bundes der Kommunisten Serbiens in den Jahren 1968–72. Die Tito-Propaganda verwendete den Begriff in pejorativer Absicht. Die „Liberalen“, wie zum Beispiel der Vorsitzende des ZK des Bundes der Kommunisten Serbiens Marko Nikezić oder der Sekretär des ZK-Exekutivkomitees Latinko Perović, waren der Auffassung, dass die Dezentralisierung Jugoslawiens nur dann keine negativen Folgen haben werde, wenn die Partei die Modernisierung des Landes zu ihrem Hauptanliegen mache. Unter Modernisierung verstanden sie vor allem eine sich nach westlichem Muster entwickelnde moderne gesamtjugoslawische Wirtschaft, deren Schicksal den „Technokraten“, und nicht den Politikern überlassen werden solle. Die „Liberalen“ äußerten sich skeptisch über die Arbeiterselbstverwaltung, sie kritisierten den wiedererstehenden Nationalismus innerhalb des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens sowie die Autarkiebestrebungen der Parteiinstanzen in den Teilrepubliken. Hinzu kam die Ablehnung des Status-quo-Denkens Titos, verbunden mit der Forderung nach demokratischen Veränderungen und einer Beschränkung der Machtbefugnisse des Staatschefs. Dieser ließ die Kritik nicht unbeantwortet: Er erzwang die Absetzung der „Liberalen“ und schloss den Reformflügel aus dem Bund der Kommunisten Serbiens aus.

Serbski-Institut

Vollständiger Name: Professor-Wladimir-Serbski-Allunionsinstitut der Wissenschaft und Forschung für allgemeine und Gerichtspsychiatrie. Zentrale staatliche Institution der UdSSR, die gerichtspsychiatrische Gutachten über Personen anfertigte, die strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden sollten. Das Institut wurde 1921 gegründet und erfüllte von den 30er bis Mitte der 80er Jahre politische Aufträge der Staatsbehörden. Formell war es dem sowjetischen Gesundheitsministerium unterstellt, viele Abteilungen wurden jedoch von der Staatssicherheit kontrolliert. Medizinische Gutachten über Personen, die wegen angeblicher „konterrevolutionärer Straftaten“ und damit wegen „besonders gefährlicher Staatsverbrechen“ angeklagt wurden, fertigte die vierte Abteilung des Instituts an. Die Feststellung der Zurechnungsfähigkeit traf eine Kommission, die sich oft an den Empfehlungen der Strafverfolgungsbehörden orientierte. Der tatsächliche psychische Zustand der Untersuchten hatte in der Regel keinen Einfluss auf die Entscheidungen der Kommission.

Ab Ende der 50er Jahre wurde die Methode, kritisch denkende Menschen durch ärztliche Diagnosen als psychisch krank einzustufen, zu einem wichtigen Instrument der sowjetischen Strafverfolgungspolitik. Das Serbski-Institut wurde dauerhaft zum ausführenden Organ dieser Repressionsform und verschleierte den politischen Charakter seines Wirkens. Seine unrühmliche Rolle als Instrument der Zwangspsychiatrie machten die Moskauer Menschenrechtler und ehemaligen „Patienten“ Pjotr Grigorenko und Wladimir Bukowski öffentlich bekannt. Internationale psychiatrische Fachverbände kritisierten daraufhin die Tätigkeit des Institutes.

Umfangreiches Material, das den politischen Charakter der Gutachten des Serbski-Instituts bezeugte, wurde von der Arbeitskommission zur Erforschung des Einsatzes der Psychiatrie zu politischen Zwecken in der internationalen Öffentlichkeit bekannt gemacht. Unter Androhung des Ausschlusses trat die Organisation der sowjetischen Psychiater 1983 aus dem Weltverband der Psychiater aus. 1992 wurde das Institut in „Staatliches Serbski-Wissenschaftszentrum für soziale und Gerichtspsychiatrie“ umbenannt.

Shant

Die 1966 ursprünglich unter dem Namen „Jugendbund“ in Jerewan gegründete Untergrundorganisation verschrieb sich dem Kampf für die Souveränität Armeniens. Neben Parujr Hajrikjan als Kopf der Gruppe gehörten ihr unter anderem Asat Arschakjan, Andranik Markarjan, Karo Tschygyljan an. Sie brachten patriotische und Samisdat-Literatur in Umlauf, druckten und verteilten Flugblätter und forderten die Vereinigung ihres Landes mit Westarmenien. 1967 nahm die Gruppe zu Ehren des armenischen Schriftstellers Levon Schant den Namen „Shant“ („Blitz“) an, bevor sie geschlossen der Nationalen Vereinigten Partei Armeniens beitrat.

Šiluva

Litauische Kleinstadt im Kreis Raseiniai und Zentrum der Marienverehrung, das einst als „litauisches Tschenstochau“ bezeichnet wurde. Das Pilgerziel ist eine Barockkirche mit einem Bildnis der Mutter Gottes von Šiluva (Schidlau) und ein Stein, auf dem der Legende nach im 17. Jahrhundert die Mutter Gottes erschienen war. Er hat seinen Platz in einer Kapelle, die von Antoni Wiwulski entworfen wurde. 1993 besuchte Papst Johannes Paul II. Šiluva.

„Sintaksis“

Unabhängige literarische Zeitschrift, die 1959/60 von Alexander Ginsburg in Moskau herausgegeben wurde. Es erschienen drei auf der Schreibmaschine erstellte Ausgaben mit einer Auflage von bis zu 300 Exemplaren, die später in der Zeitschrift „Grani“ (Nr. 58/1965) nachgedruckt wurden. In „Sintaksis“ (Syntax) wurden fast ausschließlich Gedichte von Moskauer und Leningrader Dichtern veröffentlicht, die keine Aussicht auf eine offizielle Druckgenehmigung hatten.

Sie war die erste Literaturzeitschrift in der Geschichte des Samisdat. Es handelte sich dabei nicht um eine klassische Untergrundzeitschrift, da auf dem Umschlag Name und Adresse der Herausgeber offen angegeben waren. Mit Erscheinen von „Sintaksis“ wurde der Samisdat nicht nur als eine Fortsetzung der alten russischen Tradition betrachtet, verbotene Texte abzuschreiben, sondern auch als unabhängige soziale Institution angesehen. Die Zeitschrift musste ihr Erscheinen mit der Verhaftung von Alexander Ginsburg im Juli 1960 einstellen. Siehe auch „Sintaksis“ (Paris).

„Sintaksis“ (Paris)

Literarische und politische Zeitschrift, die zwischen 1978 und 1998 in Paris herausgegeben wurde. Sie erschien drei bis vier Mal pro Jahr. Zu Beginn waren Andrei Sinjawski und seine Frau Maria Rosanowa Redakteure, ab Nummer 11 gab Rosanowa die Zeitschrift allein heraus. Der Titel war von der zuvor in der Sowjetunion erschienenen unabhängigen Zeitschrift „Sintaksis“ (Moskau) übernommen worden und dem Redakteur Alexander Ginsburg gewidmet, der zur damaligen Zeit in Lagerhaft saß.

Wichtigster Autor von „Sintaksis“ (Paris) war Andrei Sinjawski, der gewöhnlich unter dem Pseudonym „Abram Terz“ schrieb. Seine Artikel und Essays erschienen in fast jeder Ausgabe. Darüber hinaus wurden Texte von Vertretern der liberal-demokratischen Strömung der russischen Dissidentenbewegung und der Emigration veröffentlicht.

Sąjūdis

Die litauische Sąjūdis (Bewegung) war ein politischer Zusammenschluss, ähnlich der im Zuge der Perestroika in Estland und anderen Sowjetrepubliken entstandenen Volksfronten. Als Gründungsdatum gilt der 3. Juni 1988, als 35 Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Kultur zur Unterstützung der Glasnost in Litauen die Initiativgruppe Sąjūdis ins Leben riefen, die offizielle Gründungsversammlung als Lietuvos Persitvarkymo Sąjūdis (Reformbewegung Litauens) mit über 1000 Delegierten folgte im Oktober 1988. Im Juli 1988 entstand auf Betreiben der Bewegung die Kommission für die Erforschung der Verbrechen des Stalinismus. An den von ihr organisierten Kundgebungen nahmen Hunderttausende teil. Aus den Wahlen zum Volksdeputiertenkongress der UdSSR am 26. März 1989 gingen alle von der Sąjūdis aufgestellten Kandidaten siegreich hervor. Im Mai und Juni 1989 beantragte Sąjūdis, das geheime Zusatzprotokoll zum Hitler-Stalin-Pakt für unrechtmäßig zu erklären. Zur Unterstützung dieser Forderung organisierte die Bewegung anlässlich des 50. Jahrestages seiner Unterzeichnung zusammen mit den Volksfronten Lettlands und Estlands die Aktion „Baltischer Weg“: Am 23. August 1989 bildeten zwei Millionen Bürger der drei baltischen Staaten eine Menschenkette entlang der Strecke Tallinn–Riga–Vilnius. Die Kandidaten der Sąjūdis gewannen die Wahlen zum Obersten Sowjet Litauens, der am 11. März 1990 die „Erklärung über die Wiederherstellung der Unabhängigkeit des litauischen Staates“ verabschiedete. Sąjūdis ist bis heute als Bürger- und Kulturvereinigung aktiv.

Slowenische Domobranzen

Nach der Kapitulation des faschistischen Italiens gründete sich im September 1943 die Organisation der Slowenischen Domobranzen (Slovensko domobranstvo), auch Slowenische Heimwehr genannt. Mit mehr als 15.000 bewaffneten Kämpfern waren die Domobranzen militärisch aktiv, übernahmen aber auch polizeiliche Aufgaben. So waren sie einerseits ein Instrument der slowenischen Antikommunisten zur Bekämpfung der letztlich überlegenen, von Tito befehligten Volksbefreiungsarmee, andererseits entlasteten die sie die deutschen Besatzer, mit denen sie kollaborierten.

Am Ende des Krieges zog sich im Mai 1945 ein Großteil der Domobranzen aus Slowenien Richtung österreichische Grenze zurück, um sich den Alliierten zu ergeben und so Racheakten ihrer Gegner zu entgehen. In Südkärnten (Viktring und Bleiburg) wurden sie jedoch, wie andere aus Jugoslawien stammende Kämpfer und Zivilisten auch, von den Briten nach Jugoslawien zurückgeschickt. Viele von ihnen wurden von Tito-Partisanen exekutiert oder während der Fußmärsche Richtung Slowenien und nach Ankunft in den Internierungslagern ermordet. Seit den 80er Jahren war die Wiederbelebung der Erinnerung an diese Opfer eines der Anliegen der slowenischen Nationalbewegung. Im Juli 1990 fand in Kočevski Rog (wo Tito-Partisanen Massenerschießungen vorgenommen hatten) eine Versöhnungszeremonie in Erinnerung an alle im Zweiten Weltkrieg kämpfenden Slowenen statt. Die Erinnerung an die Domobranzen ist aufgrund ihrer Kollaboration mit den deutschen Besatzern und den ihrerseits verübten Verbrechen jedoch immer wieder ein kontrovers diskutiertes Thema, wie beispielsweise anlässlich der Formulierung der Aufschriften auf Grab- und Gedenkplatten für 1999–2001 entdeckte Massengräber.

„Smoloskyp“

Die ukrainische Exilzeitschrift „Smoloskyp“ (Die Fackel) wurde 1952–68 von Ossyp Zinkewitsch zunächst in Paris als Jugendbeilage der Wochenzeitschrift „Ukrajins’ke slovo“ (Ukrainisches Wort) und ab 1957 in den USA als Monatszeitschrift herausgegeben. In Büchern, Broschüren und Zeitschriften (unter anderem *„Ukrajins’kyj visnyk“) veröffentlichte der 1967 in Baltimore gegründete und durch die ukrainische Diaspora in den USA und in Kanada finanzierte Wassyl-Symonenko-Smoloskyp-Verlag Werke von Autoren, die in der Ukraine verboten waren, und von ukrainischen Schriftstellern im Exil. Neben dem Verlag war eine Presseagentur und ab 1970 auch eine Menschenrechtsorganisation aktiv, die die Lage politischer Häftlinge in der Ukraine im Westen bekannt machte. 1991 verlagerte der Verlag seinen Sitz in die Ukraine. Seit seiner Gründung wurde er von Ossyp Zinkewitsch geleitet. 1995 wurde innerhalb des Verlags eine gemeinnützige Stiftung zur Förderung junger Autoren gegründet.

Solidarność

Vom Staat unabhängige, gewerkschaftliche Massenbewegung, die im September 1980 im Ergebnis der Auguststreiks und der Danziger Vereinbarung zwischen den Streikenden und der polnischen Regierung entstanden war. In der Unabhängigen Selbstverwalteten Gewerkschaft „Solidarność“ (Niezależny Samorządny Związek Zawodowy „Solidarność“) waren die Arbeiter und Angestellten nicht nach der Art ihrer ausgeübten Tätigkeit, sondern nach dem Territorialprinzip organisiert (Gliederung in Regionen). Schon in den ersten Monaten wurden Millionen von Menschen Mitglieder der Gewerkschaft (9,5 Millionen im Jahre 1981).

Leitendes Gremium der Solidarność war in der legalen Phase ihres Wirkens die Landesverständigungskommission (Krajowa Komisja Porozumiewawcza), ab Oktober 1981 unter dem Namen Landeskommission (Komisja Krajowa). Darin saßen Vertreterinnen und Vertreter aus allen 37 Regionen. Vorsitzender der Komission war Lech Wałęsa. Mitte 1981 fanden demokratische Wahlen zu den Regionalleitungen statt, zugleich wurden die Delegierten für den Ersten Landeskongress der Solidarność gewählt, der im September und Oktober 1981 18 Tage lang tagte. Gewählt wurden auf dem Kongress die Landeskommission und der Vorsitzende der Gewerkschaft (erneut Lech Wałęsa). Der Kongress verabschiedete außerdem ein sozial-ökonomisches Programm sowie die „Botschaft an die arbeitenden Menschen Osteuropas“ als Ausdruck der Solidarität mit all jenen, die sich in den anderen kommunistischen Ländern für freie Gewerkschaften einsetzten.

Die Solidarność war weit mehr als eine bloße Gewerkschaft. Sie war eine das gesamte Land erfassende Bewegung, in der sich das Streben der Polen nach Demokratie und Freiheit ausdrückte. In der Solidarność wurde nationale und christliche Symbolik mit dem – gewaltfreien – Kampf um Arbeitnehmer- und Bürgerrechte verknüpft. Die Bewegung sah sich in der Tradition antikommunistischer Arbeiterproteste, was in den Denkmälern für den Posener Aufstand vom Juni 1956 und den Danziger Dezember 1970 seinen Ausdruck fand. In der Gewerkschaft bildete sich eine eigene politische Kultur heraus, die sich diametral von jener in der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei unterschied. Dadurch verblassten die Trennungslinien zwischen Arbeiterschaft und Intelligenz, zwischen körperlicher und geistiger Arbeit.

Eine zentrale Rolle für Gründung und Wirken der Gewerkschaft spielten junge, engagierte Frauen und Männer aus großen Betrieben und innerhalb der entstehenden Solidarność-Stukturen: Zbigniew Bujak, Władysław Frasyniuk, Henryka Krzywonos, Ewa Kulik, Andrzej Gwiazda, Marian Jurczyk, Karol Modzelewski, Alina Pienkowska, Andrzej Rozpłochowski, Jan Rulewski, Andrzej Słowik, Grażyna Staniszewska, Anna Walentynowicz und Lech Wałęsa.

Immens wichtig waren Immens wichtig waren oppositionelle Intellektuelle wie Bronisław Geremek, Lech Kaczyński, Jacek Kuroń, Tadeusz Mazowiecki, Adam Michnik und Jan Olszewski, die der Gewerkschaft beratend zur Seite standen. Wichtigstes Publikationsorgan der Gewerkschaft war der in hoher Auflage erscheinende „Tygodnik Solidarność“ (Redaktion: Tadeusz Mazowiecki), der über den staatlichen Vertrieb ausgeliefert wurde, jedoch der Zensur unterlag. Die Gewerkschaft gab aber auch eine Reihe von Regional- und Betriebszeitschriften heraus, die von der Zensur unabhängig waren. Eine Präsenz der Solidarność in Radio und Fernsehen verhinderte die Staatsführung dagegen.

Nach Ausrufung des Kriegsrechts im Dezember 1981 wurde der Provisorische Koordinierungsausschuss der Solidarność zum Leitungsgremium. Ihn bildeten die in den Untergrund abgetauchten Gewerkschaftsführer der vier Regionen Danzig, Masowien, Niederschlesien und Kleinpolen. Der Provisorische Koordinierungsausschuss erhob nicht den Anspruch, die Kontrolle über die gesamte Widerstandsbewegung zu übernehmen, er agierte nach dem Konzept einer „Untergrundgesellschaft“, die sich aus Gewerkschaftsstrukturen, aber darüber hinaus auch aus einem Netz unabhängiger Interessengruppen konstituierte. Der Staatssicherheit gelang es 1986, sämtliche Mitglieder des ursprünglichen Koordinierungsausschusses festzunehmen; es rückten jedoch schon bald andere Vertreter nach. Der Koordinierungsausschuss bestand bis 1987.

Koordinierendes Gremium für die Untergrundarbeit der Solidarność in der Hauptstadtregion Masowien war der 1982 gegründete Regionale Exekutivausschuss Masowien der Solidarność, an dessen Spitze Zbigniew Bujak stand. Ab 1982 war in dieser Region „Radio Solidarność“ auf Sendung, auch belegte die Region eine Spitzenposition, was den Vertrieb von Untergrundpresse und illegalen Büchern anbelangte. Informelles Presseorgan des Regionalen Exekutivausschusses Masowien war die Wochenzeitung „Tygodnik Mazowsze“.

Zu den wichtigsten Zentren gewerkschaftlicher Untergrundarbeit gehörte Niederschlesien. Das dortige „Regionale Streikkomitee“ (Regionalny Komitet Strajkowy) in Breslau wurde zunächst von Władysław Frasyniuk angeführt, nach dessen Verhaftung im Oktober 1982 von Piotr Bednarz, Józef Pinior, Marek Muszyński und Eugeniusz Szumiejko. Józef Pinior, Mitarbeiter der Polnischen Nationalbank, war es eine Woche vor Verhängung des Kriegsrechts gelungen, von einem Bankkonto der niederschlesischen Solidarność 80 Millionen Złoty abzuheben und in Sicherheit zu bringen. Mit dem bei Erzbischof Henryk Gulbinowicz deponierten Geld wurde die konspirative Gewerkschaftsarbeit in der Region finanziert. Informationsorgan des Regionalen Streikkomitees war das illegale Blatt „Z dnia na dzień“, für das Kornel Morawiecki verantwortlich zeichnete und das bereits ab dem 14. Dezember 1981 in einer Auflage von mehreren zehntausend Exemplaren erschien.

In der Region Danzig war es der „Regionale Koordinierungsausschuss“ (Regionalna Komisja Koordynacyjna), der die Untergrundarbeit leitete. Vorsitzender war Bogdan Borusewicz, beteiligt waren außerdem Bogdan Lis und Aleksander Hall. Publikationsorgan war die Zeitschrift „Solidarność“ (Redaktion: Mariusz Wilk, Maciej Łopiński und Marian Terlecki), ab 1984 mit einer Auflage von 20.000 Exemplaren. Auch in der Danziger Region gab es einen illegalen Radiosender. Nach der Verhaftung von Bogdan Borusewicz im Januar 1986 übernahmen Lech Kaczyński und Krzysztof Dowgiałło die Führung des Regionalen Koordinierungsausschusses.

Die Konspiration ermöglichte es der Gewerkschaft, die mit dem Kriegsrecht verbundenen Repressionen zu überstehen, dennoch suchten die Gewerkschaftsführer unablässig nach Wegen zur Legalität. Nach der Freilassung nahezu aller politischen Gefangenen berief Lech Wałęsa im September 1986 den Provisorischen Rat (Tymczsowa Rada) der Solidarność ein. Im Oktober 1987 trat an Stelle des Provisorischen Rates und des Provisorischen Koordinierungsausschusses mit dem nunmehr öffentlich agierenden Landesexekutivausschuss eine einheitliche Gewerkschaftsführung, an deren Spitze abermals Lech Wałęsa stand. Die Einsetzung dieses Landesexekutivausschusses führte jedoch zu Protesten bei einem Teil der Mitglieder des Landesausschusses aus der Zeit vor dem Kriegsrecht. Die radikalen Gegner der gemäßigten Linie Lech Wałęsas und des neuen Landesexekutivausschusses bildeten die „Arbeitsgruppe Landesausschuss“ (Grupa Robocza Komisji Krajowej) und rebellierten gegen den angestrebten Kompromiss mit den Kommunisten (darunter waren Andrzej Gwiazda, Marian Jurczyk und Jan Rulewski).

Nach zwei Streikwellen im Mai und im August 1988, die unter dem Motto „Keine Freiheit ohne Solidarität“ (Nie ma wolności bez Solidarności) stattfanden, erklärte sich die Staatsführung zu Verhandlungen mit der Gewerkschaft bereit. Die Solidarność-Delegation wurde von Lech Wałęsa angeführt, an den Hauptberatungen im Plenum nahmen für die Opposition unter anderem auch Zbigniew Bujak, Władysław Frasyniuk, Bronisław Geremek, Aleksander Hall, Jacek Kuroń, Tadeusz Mazowiecki, Adam Michnik und als einzige Frau Grażyna Staniszewska teil. Die Gespräche am Runden Tisch (6. Februar–5. April 1989) erreichten die Wiederzulassung der Solidarność. Die politische Vertretung der Gewerkschaft – das Bürgerkomitee – sollte zudem an den halbfreien Parlamentswahlen im Juni 1989 teilnehmen. Am 17. April 1989 vollzog das Woiwodschaftsgericht Warschau die offizielle Wiederzulassung der Solidarność.

Bartosz Kaliski, Jan Skórzyński
 

Zeitzeugen-Interviews und weiterführende Informationen zur Geschichte der Solidarność stehen im Online-Dossier Solidarność der Bundesstiftung Aufarbeitung zur Verfügung.

Sowjetische Sektion von Amnesty International

Die sowjetische Sektion von Amnesty International wurde im Oktober 1973 in Moskau gegründet. Sie wurde von Walentin Turtschin bis zu seiner Emigration 1977 und danach von Georgi Wladimow geleitet. Sekretär der Organisation war zunächst Andrei Twerdochlebow und nach dessen Verhaftung 1975 Wladimir Albrecht. Die Sektion gab im Selbstverlag die Zeitschrift „Amnesty International“ (Meždunarodnaja Amnistija) heraus. Sie setzte sich für politische Häftlinge in Polen, der Tschechoslowakei, Jugoslawien, Spanien und Indonesien ein. Am 17. Januar 1977 veröffentlichte sie einen Appell, der die Verhaftung von Mitgliedern der tschechoslowakischen Charta 77, die drohenden Prozesse gegen Mitglieder des polnischen „Komitees zur Verteidigung der Arbeiter“ (Komitet Obrony Robotników; KOR) und die Verschlechterung des Gesundheitszustandes des inhaftierten jugoslawischen Dissidenten Mihajl Mihajlow thematisierte. 1983 stellte die Sektion unter dem Druck der Behörden ihre Tätigkeit ein. In den 90er Jahren entstanden in Moskau und anderen Städten Russlands erneut Gruppen von Amnesty International.

„Stimmen aus dem Untergrund“

Die Anthologie „Stimmen aus dem Untergrund" (Iz-pod glyb) mit gesellschaftspolitischen, historischen und philosophischen Aufsätzen über Russland und seine Kultur stand in der Tradition der religionsphilosophischen Almanache „Vechi“ (Wegzeichen) und „Iz glubiny“ (Aus der Tiefe) von Beginn des 20. Jahrhunderts. Die Anthologie wurde 1973/1974 in Moskau von Alexander Solschenizyn und Igor Schafarewitsch zusammengestellt. Die Herausgeber veröffentlichten darin je drei eigene Artikel sowie Beiträge fünf weiterer Autoren, unter anderem Michail Agurski, Jewgeni Barabanow und Felix Swetow (Pseudonym: Korsakow) gehörten. Die Vorstellung des in Paris durch den Verlag YMCA-Press herausgegebenen Bandes fand im November 1974 zeitgleich in Moskau und Zürich statt. Die Sammlung galt als Manifest der national-orthodoxen Strömung innerhalb der russischen Oppositionsbewegung. Sie wurde in mehrere Sprachen übersetzt und löste erbitterte Kontoversen in der Sowjetunion und im Ausland aus. Auf Deutsch erschien sie 1975 unter dem Titel „Stimmen aus dem Untergrund. Zur geistigen Situation in der UdSSR“.

„Strana i mir“

Russische Exilzeitschrift zu gesellschaftspolitischen, ökonomischen, kulturellen und philosophischen Themen. „Strana i mir“ (Land und Welt) wurde von 1984 bis 1992 in München herausgegeben, zunächst als Monatszeitschrift und ab 1989 alle zwei Monate. Unter der Redaktion von Kronid Lubarki, Boris Tschasanow und Sergei Maksudow (Pseudonym „Alexander Babionyschew“), der 1986 von Ejtan Finkelstein ersetzt wurde, erschienen 69 Ausgaben. Diese enthielten Analysen von gesellschaftspolitischen Ereignissen in der Sowjetunion und in anderen Ostblockstaaten sowie Berichte über den gesellschaftlichen Kampf gegen die kommunistischen Diktaturen in diesen Ländern. Die Redaktion verteidigte konsequent freiheitlich-demokratische Werte und setzte sich kritisch mit Exilgruppen auseinander, die zu rechtsradikalen Ansichten neigten.

„Strategie und Taktik der Estnischen Demokratischen Bewegung“

Russischsprachiger Ratgeber, der Anfang der 70er Jahre von den Mitgliedern der „Estnischen Demokratischen Bewegung“ Artem Juskevitš, Mati Kiirend und Kalju Mätik erstellt wurde. In „Strategie und Taktik der Estnischen Demokratischen Bewegung“ (Strategia i taktika Demokratičeskogo Dviženia Estonii) wurden Methoden für den Untergrundkampf unter Okkupationsbedingungen, Organisationstaktiken und Widerstandsformen gegen das System dargestellt.

Streik in Kronstadt

Neben den Streiks im Jiu-Tal der bekannteste Arbeiterprotest während der Ceaușescu-Ära. Nach Bekanntgabe einer weiteren Lohnkürzung innerhalb kurzer Zeit gingen am 15. November 1987 im siebenbürgischen Kronstadt (Brașov) die Arbeiter der Steagul-Roșu-Werke (Rote-Fahne-Werke) auf die Straße und forderten eine Verbesserung ihrer Arbeits- und Lebensbedingungen. Die Staatsmacht ließ die Demonstranten zunächst gewähren, was diese dazu anspornte, das Gebäude der Parteileitung anzugreifen. Dabei wurde das verbotene alte Siebenbürger Revolutionslied „Deșteaptă-te române! “ (Wach auf, Rumäne!) intoniert.

Am nächsten Tag verhaftete man die aktivsten Teilnehmer der Ausschreitungen und verurteilte viele von ihnen zu Gefängnisstrafen oder man siedelte sie in entlegene Ortschaften zwangsweise um. Der Streik in Kronstadt war nicht nur ein Signal für die zahlenmäßig schwache demokratische Opposition in Rumänien, sondern auch für Reformkräfte innerhalb der Partei. Ab dieser Zeit wurde überall auf der Welt über die Situation in Rumänien berichtet, was wiederum rumänischen Bürgerrechtlern die Kontaktaufnahme zu westlichen Journalisten erleichterte.

Streiks im Jiu-Tal

Die größten Arbeitsniederlegungen in Rumänien während der Ceaușescu-Zeit. Unmittelbarer Anlass für die Streiks im Jiu-Tal waren die Abschaffung spezieller Bergarbeiterrenten sowie die Anhebung des Renteneintrittsalters im Juli 1977.

Die Proteste der Bergarbeiter in Lupeni begannen Anfang August 1977, binnen einer Woche erfassten die Streiks das gesamte Jiu-Tal. Nach der Wiederaufnahme der Arbeit wurden einige Hundert Bergarbeiter zusammen mit den Anführern der Proteste in andere Ortschaften deportiert. Die Regierung hielt sich nicht an die gemachten Zusagen der Verbesserung der sozialen Bedingungen. Trotz des großen Ausmaßes der Streikaktionen gelang es den Behörden, die Proteste gegenüber der Öffentlichkeit zu verheimlichen. An den Streiks, die Anfang August 1977 in der Lupeni-Grube im Jiu-Tal ausbrachen, nahmen zwischen 30.000 und 35.000 Bergarbeiter teil, angeführt von dem Brigadier Constantin Dobre. Die Parteiführung schickte eine von Vizepremier Ilie Verdeț geleitete Delegation zu den Protestierenden. Die Bergarbeiter wollten jedoch ausschließlich mit Nicolae Ceaușescu verhandeln und hielten die gesamte Delegation von Verdeț, der auch für Wirtschaftsfragen zuständig war, als Geiseln fest. Ceaușescu fuhr schließlich selbst nach Lupeni und versprach den Arbeitern eine Verbesserung ihrer Arbeits- und Lebensbedingungen, woraufhin der Streik beendet wurde.

Im Rest des Landes erfuhr man nichts über die Ereignisse im Jiu-Tal. Nach einigen Monaten kamen Grüchte auf, wonach die aktivsten Teilnehmer des Ausstandes (unter anderen Constantin Dobre) ermordet worden oder spurlos verschwunden seien. Diese Gerüchte erwiesen sich jedoch als falsch. Bis zum heutigen Tag sind die näheren Umstände des Streiks ungeklärt, es gab sogar den Verdacht, Constantin Dobre sei ein Agent des Staatssicherheitsdienstes gewesen. 1990 wurde Dobre Mitarbeiter der rumänischen Botschaft in Großbritannien, wo er nach kurzer Zeit einen Asylantrag einreichte.

Studentendemonstration am 17. November 1989

Die Demonstration begann als genehmigte öffentliche Gedenkkundgebung Prager Studierender auf der Prager Albertov-Straße in der Nähe des Medizinischen Instituts, dem Naturwissenschaftlichen und Mathematisch-Physikalischen Institut der Universität. Anlass war der 50. Jahrestag der sogenannten „Sonderaktion Prag“ des Jahres 1939. In ihrem Rahmen waren von den deutschen Besatzern tschechische Bildungseinrichtungen geschlossen, 1850 Studenten verhaftet und neun Studentenführer hingerichtet worden. Die „Sonderaktion“ war eine unmittelbare Reaktion auf die Solidaritätsbekundungen für den Studenten Jan Opletal, der während einer Demonstration für die tschechoslowakische Unabhängigkeit von den Deutschen angeschossen worden und im November 1939 seinen Verletzungen erlegen war. Auf der Kundgebung im November 1989 wurde auch Kritik an der Führung der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei laut.

Es formierte sich ein Demonstrationszug mit Zigtausenden Teilnehmern, der sich  zunächst in Richtung Prager Hochburg Vyšehrad und später stadteinwärts in Richtung Wenzelsplatz (Václavské náměstí) bewegte. Abends gelangten die Studierenden über den Karlsplatz (Karlovo náměstí) zur Nationalstraße (Národní třída), wo die Demonstration von der Polizei gewaltsam aufgelöst wurde. Eine später einberufene unabhängige Ärztekommission stellte fest, dass dabei 592 Personen verletzt wurden. Dieser Vorfall beschleunigte die Ereignisse der nächsten Tage entscheidend und begünstigte einen Stimmungsumschwung der Prager Bevölkerung, die massenweise für die Demonstranten Partei ergriff. Als unmittelbares Ergebnis der Studentendemonstration gründete sich zwei Tage später im Prager Schauspielklub (Činoherní Klub) das Bürgerforum (Občanské fórum; OF). Die Demonstration markiert damit den Anfang der Samtenen Revolution.

Studentenproteste von 1968

Im Juni 1968 kam es zunächst in Belgrad, dann auch in Zagreb, Novi Sad, Ljubljana und Sarajevo zu Demonstrationen und Studentenstreiks. Die Studierenden in Serbien verlangten eine Demokratisierung im Geiste der Studentenproteste in Paris und Bologna: weniger Prüfungen, mehr Stipendien und einen größeren Einfluss der Studierenden auf die Universitäten. Sie wandten sich gegen die zu Reichtum gekommenen kommunistischen Eliten, die Restauration des Kapitalismus und den Krieg in Vietnam. In Zagreb und Ljubljana wurden auch nationale Losungen skandiert, die jedoch von den örtlichen Machthabern heruntergespielt wurden. Im weiteren Verlauf gelang es den serbischen und bosnischen Behörden, die eine Neuauflage der Pariser Ereignisse einen Monat zuvor fürchteten, die Studenten von anderen gesellschaftlichen Gruppen, insbesondere von den Arbeitern, zu isolieren. In Kroatien wurde die Studentenbewegung zu einem Teil der wiedererstehenden Zivilgesellschaft (Maspok) und fand im Namen der nationalen Solidarität auch bei den örtlichen Machthabern Akzeptanz, sodass an den kroatischen Hochschulen viele Forderungen der Bewegung verwirklicht wurden. In Slowenien verlangte die Regierung des Landes im Namen des gemeinsamen Kampfes gegen den Zentralismus ein schnelles Ende des Studentenstreiks und versprach als Gegenleistung die Umsetzung einer Reihe von sozialen Forderungen. Eine Woche nach Beginn der Proteste bezeichnete dann sogar Tito in einer Fernsehansprache den Kern der studentischen Forderungen als richtig und rief zu einer gemeinsamen Lösung der Probleme auf.

Studentisches Solidaritätskomitees

Oppositionelle Studentenorganisationen. Anlass zur Gründung der Studentischen Solidaritätskomitees (Studenckie Komitety Solidarności; SKS) war der Tod von Stanisław Pyjas, einem Studenten der Krakauer Jagiellonen-Universität und Mitglied des Komitees zur Verteidigung der Arbeiter (KOR) am 7. Mai 1977. Die Umstände seines Todes, die widersprüchlichen und unklaren Informationen der Ärzte zur Todesursache und das Verhalten der Ermittlungsbehörden legten einen politischen Hintergrund nahe. Einige von Pyjasʼ Freunden beschlossen in Absprache mit dem KOR, in Krakau eine Protestdemonstration durchzuführen und so an den ermordeten Freund, Kommilitonen und Kollegen zu erinnern. An der Gedenkveranstaltung am 15. Mai 1977 nahmen einige tausend Menschen teil (beteiligen wollten sich auch KOR-Mitglieder, die meisten von ihnen wurden jedoch am Vorabend der Demonstration festgenommen). Da sie für sich selbst ein ähnliches Schicksal befürchteten, gründeten die oppositionellen Krakauer Studenten eine Organisation als ein Forum der Selbstverteidigung vor Repressionen und als Raum der Begegnung für all jene, die sich für Studenten, die Repressionen ausgesetzt waren, einsetzen wollten. Die Gründungserklärung des Studentischen Solidaritätskomitees, die am 15. Mai feierlich verkündet wurde, unterzeichneten Liliana Batko, Wiesław Bek, Małgorzata Gątkiewicz, Józef Ruszar, Bodusław Sonik, Bronisław Wildstein und andere.

Ab dem Folgejahr organisierte das Solidaritätskomitee Selbststudienzirkel und Freizeiten, auf denen „unzensiertes“ Wissen vermittelt wurde. Es protestierte gegen das Nutzungsverbot von Exilliteratur oder anderer politisch nicht opportuner Publikationen in den Universitätsbibliotheken, setzte sich für Studierende und wissenschaftliche Mitarbeiter ein, die wegen ihrer politischen Überzeugungen Repressionen erleiden mussten, organisierte Vorlesungen im Rahmen sogenannter Fliegenden Universitäten. Vertreter des Solidaritätskomitees – neben den Gründern auch Anna Krajewska, Andrzej Mietkowski und Anna Szwed – pflegten eine enge Zusammenarbeit mit anderen oppositionellen Organisationen wie KSS „KOR“, ROPCiO und mit der Gesellschaft für Wissenschaftliche Kurse.

In der zweiten Jahreshälfte 1977 entstanden Studentische Solidaritätskomitees auch in Warschau (Ludwik Dorn, Urszula Doroszewska, Stefan Kawalec, Sergiusz Kowalski), Posen (Włodzimierz Fenrych, Jacek Kubiak), Danzig (Piotr Dyk, Błażej Wyszkowski), Breslau (Leszek Budrewicz, Mariusz Wilk) sowie 1978 in Stettin (Elżbieta Czuma, Janusz Klukowski). Das Komitee gab die unabhängige Studentenzeitschrift „Indeks“ heraus, an deren Redaktion Vertreter der unabhängigen Studentenbewegungen aus Krakau, Warschau und Łódź beteiligt waren. 1980 waren Vertreter des Studentischen Solidaritätskomitees an der Entstehung des Unabhängigen Studentenverbandes beteiligt.

Piotr Śmiłowicz

„Sučasnist‘“

Die ukrainische Exilzeitschrift „Sučasnist‘“ (Gegenwart) erschien zwischen 1961 und 1990 monatlich, zuerst in München, dann in New York. Herausgeberin war die Ukrainische Gesellschaft für Auslandsstudien (Ukrajins’ke tovarystvo zakordonnych studij). Die Monatsschrift beschäftigte sich mit literarischen, künstlerischen und gesellschaftlichen Themen und publizierte Werke von Exilautoren und Texte aus dem ukrainischen Samisdat. 1985 erschien eine Sonderausgabe in polnischer Sprache, die hauptsächlich den polnisch-ukrainischen Beziehungen gewidmet war. Seit 1991 wird die Zeitschrift in Kiew herausgegeben.
Daneben existierte ein gleichnamiger Exilverlag ähnlichen Profils, in dem ab 1961 mehrere hundert Bücher hauptsächlich in ukrainischer Sprache verlegt wurden.

„Summa“

Unabhängige Zeitschrift für Rezensionen und bibliographische Informationen, die zwischen 1979 und 1982 in Leningrad von Sergei Maslow herausgegeben wurde. Es erschienen acht Ausgaben mit einer Auflage von nur wenigen Exemplaren, die auf der Schreibmaschine erstellt wurden. In „Summa“ (Summe) erschienen nicht nur Rezensionen, Zusammenfassungen, Übersichten und kritische Kommentare zu Publikationen des Samisdat und des im Ausland verlegten sogenannten „Tamisdat“, sondern auch Besprechungen von Büchern und Presseartikeln, die offiziell in der Sowjetunion erschienen waren, sowie gelegentlich von vorrevolutionären Publikationen. Einen gewichtigen Platz nahmen Texte über die Menschenrechte in der Sowjetunion ein, außerdem wurden Informationen über die polnische Solidarność veröffentlicht. Nach dem Tod von Sergei Maslow bei einem Verkehrsunfall erschien die Zeitschrift nicht mehr.

„Svědectví“

Eine der wichtigsten tschechoslowakischen politischen Exilzeitschriften. Bis 1960 befand sich der Redaktionssitz von „Svědectví“ (Zeugnis) in New York. Später siedelte die Redaktion nach Paris um, von wo aus die Zeitschrift bis 1992 herausgegeben wurde. Chefredakteur dieser Vierteljahresschrift für Politik und Kultur war von ihrer Gründung bis 1990 Pavel Tigrid. Insgesamt wurden 93 Ausgaben herausgegeben. Um den Transport in die Tschechoslowakei zu erleichtern, hatte die Zeitschrift das Format eines Taschenbuches. Auch die Publikation „Výběr ze Svědectví“ (Eine Auswahl aus „Svědectví“) wurde in den 80er Jahren als Anthologie in diesem Format herausgegeben. Ein Nachdruck der ersten neun Jahrgänge erschien im Exilverlag „Dialog“ in Frankfurt am Main.

Neben Exilautoren veröffentlichten in „Svědectví“ ab Anfang der 70er Jahre auch Autoren aus der Tschechoslowakei selbst. Die Zeitschrift, die von der tschechoslowakischen Presse als „staatsfeindlich“ verurteilt wurde, befasste sich hauptsächlich mit der politischen Situation in den Ostblockstaaten, veröffentlichte politikwissenschaftliche und historische Abhandlungen, Kommentare, Dokumente der Bürgerrechtsbewegung Charta 77 und anderer unabhängiger Initiativen sowie Interviews und Diskussionen, aber auch literarische Texte. „Svědectví“ trug wesentlich zur Entstehung der politischen Opposition im Exil bei.

Sveno

1931 von dem Sozialdemokraten Dimo Kasassowa gegründete politische Organisation, die sich gegen die parlamentarische Demokratie richtete. 1942 willigte sie ein, Teil der Vaterlandsfront zu werden. Nach dem Umsturz vom 9. September 1944 war sie auch an der ersten Regierung der Vaterlandsfront beteiligt. 1949 löste sich Sveno als Organisation auf, ihre Mitglieder wechselten zur Vaterlandsfront.

Systematisierung der Dörfer

Umbau der rumänischen Dörfer nach kommunistischen Vorgaben, das heißt Abriss der alten Bebauung und Errichtung von Wohnblockvierteln an ihrer Stelle. Die Idee entstand bereits in den 60er Jahren, sie wurde jedoch nur in einigen wenigen Ortschaften umgesetzt. Ab Anfang der 80er Jahre forcierten die rumänischen Behörden die Planungen und verkündeten 1988, die Anzahl der Dörfer in Rumänien müsse sich bis zum Jahr 2000 um die Hälfte verringern. In der Propaganda hieß es, dadurch würde sich „die Kluft im Lebensniveau zwischen Stadt und Land verringern“.

Die 1988 beschleunigte sogenannnte Dorfsystematisierung rief eine Welle von Protesten hervor, allerdings vorwiegend im Ausland, denn in Rumänien selbst hatte man Angst vor Repressalien. Die am meisten gefährdete Bevölkerungsgruppe waren die Ungarn, denn die Aktion sollten in den von ihnen bewohnten Dörfern ihren Ausgang nehmen, was Ausdruck der nationalistisch ausgerichteten Politik der Staatsmacht war. Im Juni 1988 fand in Budapest eine große Protestkundgebung statt, die Systematisierung der Dörfer wurde jedoch bis zum Sturz des Ceaușescu-Regimes weiter betrieben.